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„Kölner Drogenkrieg“Kronzeuge sagt als Folteropfer gegen Kalker Gruppierung aus

Lesezeit 3 Minuten
Die drei Angeklagten mit ihren Verteidigern beim Prozessauftakt im Kölner Landgericht

Die drei Angeklagten mit ihren Verteidigern beim Prozessauftakt im Kölner Landgericht

Der Mann wurde offenbar im sächsischen Chemnitz angeworben, wie beim laufenden Prozess bekannt wurde.

Der Komplex um den „Kölner Drogenkrieg“ mit mehr als 40 Beschuldigten hat für ein intensives Arbeitsaufkommen bei den Ermittlern gesorgt. „Als hätte jemand immer weiter eine Gießkanne voller Informationen über uns ausgegossen“, so beschrieb es ein Polizeibeamter am Donnerstag in Saal 112 des Kölner Landgerichts. Im Fokus stand bei diesem Verhandlungstag ein mutmaßlicher Kronzeuge.

Köln: Bandenmitglieder sollen Chemnitzer angesprochen haben

Der wichtige Zeuge sei von mutmaßlichen Bandenmitgliedern aus Köln im sächsischen Chemnitz angesprochen worden, berichtete der Polizist. Dem Mann sei im Barbershop ein neuer Haarschnitt spendiert worden, dann habe man ihn in eine Villa eingeladen. Von Kokain war die Rede und einem Jobangebot für ein Büdchen in Köln. Zweimal habe der Zeuge daraufhin die Stadt besucht.

Zu einem Job im Kiosk – laut Anklage hatten Mitglieder der Bande ein Büdchen zur Geldwäsche betrieben – sei es zwar nicht gekommen. Trotzdem habe der Chemnitzer weiter Kontakt zu den Kölnern gehalten. Das habe dazu geführt, dass er sich im Juni vergangenen Jahres zu einer Hürther Lagerhalle begeben habe – dort wurden er selbst und weitere Männer gefesselt und gefoltert.

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Köln: Gedroht, der Geisel die Zehnägel zu ziehen

Er habe gedacht, dort nicht mehr lebend herauszukommen, hatte der Mann später bei einer Vernehmung bei der Polizei erzählt. Drei Männer hätten ihn mit Kabeln geschlagen und gedroht, ihm die Fußnägel zu ziehen. Schuhe und Socken hätten sie ihm bereits ausgezogen, so erinnerte sich der Polizist im Zeugenstand. Auch habe man angedroht, ihn mit kochendem Wasser zu übergießen.

Gerettet wurde der Chemnitzer durch einen offenbar unbeteiligten Zeugen, der das Tor zur Lagerhalle geöffnet, die Szenerie erblickt und sofort die Polizei verständigt hatte. Drei Niederländer wurden festgenommen, ihnen wird am Landgericht parallel der Prozess wegen des Vorwurfs der Geiselnahme und Körperverletzung gemacht. Bisher schweigen die Männer, denen viele Jahre Haft drohen.

Köln: Einer der Angeklagten soll Täter und Opfer sein

Im Zeugenstand berichtete der Polizist, wie mühsam die Befragung des Kronzeugen – er hatte Schutz für sich und seine Familie gefordert – sich gestaltet habe. Sehr viele Fotos von Verdächtigen habe er abgleichen müssen, sich Listen angelegt, um den Überblick zu behalten. Auf einem der Bilder ist der Kölner Saddam B. abgebildet. Er soll an der Rekrutierung des Chemnitzers beteiligt gewesen sein.

Verteidigerin Anne Kieven hatte zum Prozessauftakt auf die besondere Situation ihres Mandanten hingewiesen. So soll Saddam B. laut Anklageschrift zu den Geiseln in der Hürther Lagerhalle gehört haben. Gleichzeitig soll er aber auch an dem Drogenhandel beteiligt gewesen sein, der die Gewaltspirale in Gang setzte. So lagerten in der Hürther Halle zunächst 700 Kilogramm Marihuana.

Köln: Weitere Geiselnahme in Rodenkirchener Villa

Nach einem Verrat innerhalb der Kalker Gruppierung, so die Staatsanwaltschaft, wurde die Hälfte der Drogen aus der Halle gestohlen. Der Bandenboss soll danach alles darangesetzt haben, das Marihuana wiederzubekommen und in eigenen Reihen „ermittelt“ haben. Als Auftragstäter seien deshalb die drei Niederländer engagiert worden – die sollten Informationen erlangen, notfalls mit Gewalt.

Tage später kam es zu einer weiteren Geiselnahme, diesmal wurde ein Paar aus Bochum in eine Villa nach Rodenkirchen verschleppt. Der Mann und die Frau wurden misshandelt, doch mit dem Drogenraub hatten auch sie offenbar nichts zu tun. Der mutmaßliche Drogenboss Sermet A. muss sich wohl auch sehr bald vor Gericht verantworten. Eine Anklage gegen ihn wird derzeit vorbereitet.