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Alkohol und KarnevalAllein unter Betrunkenen - Kölner erzählen vom Job im Karnevalstrubel

6 min

Dreimol Kölle Alaaf!

Köln – Am Mittwoch beginnt nicht nur die jecke Jahreszeit – es startet auch die Hochsaison für Alkohol. Alle, die auch gerne ohne Bier, Sekt oder Schnaps mitfeiern, kennen das Gefühl: Der einzige Nüchterne unter Betrunkenen zu sein, ist nicht immer einfach. Anfangs ist es lustig. Wenn der Pegel steigt, kann es anstrengend werden. Niemand weiß das besser als Menschen, die regelmäßig mit Betrunkenen zu tun zu haben. Wir haben fünf von ihnen erzählen lassen.

Der Ordnungsamtsmitarbeiter

Rund um die Uhr machen Heribert Büth und seine Kollegen Bekanntschaften mit Betrunkenen. Gezwungenermaßen, sie sind vom Ordnungsamt. Am Morgen beim Wecken der Obdachlosen rund um den Dom, auf der Streife durch die Innenstadt am Nachmittag oder abends auf den Ringen: „Wir haben immer wieder Leute, die besinnungslos betrunken sind oder schlafend irgendwo liegen“, sagt Büth. Für den Umgang mit ihnen gibt es Regeln: „Wichtig ist eine klare Ansage, aber auch eine freundliche Ansage. Wir stellen uns vor und sagen, warum wir da sind. Dann müssen wir natürlich schauen, ob die Person aggressiv ist oder Hilfe braucht.“

Besonders häufig kommen sie an den Karnevalstagen mit Betrunkenen in Kontakt. Dabei sind die vielen Wildpinkler Büth ein Dorn im Auge. „In einem Jahr war ich an Karneval am Stapelhaus. Die Stimmung war gut. Dann sah ich, wie jemand raus kam, gegen das Stapelhaus pinkelte und wieder reinging zum Feiern. Da denkt man sich auch: Leute, was ist los?“

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Heikel wird es für die Beamten rund um die Zülpicher Straße. „Wenn wir dort auftauchen, fühlen sich einige Leute provoziert.“ Selbst Wildpinkler kann Büth nur gemeinsam mit mindestens sechs Kollegen ansprechen. „Es gibt immer Freunde und Unbeteiligte, die genauso alkoholisiert sind. Jeder hat eine Meinung und jeder weiß es besser“, sagt der 61-Jährige.

Aus seinen Erlebnissen im Job zieht er auch persönliche Konsequenzen. „Man merkt, was Alkohol aus Menschen macht und wird selbst bewusster im Umgang mit Alkohol.“ Auch wenn Betrunkene ein Problem sind – sie sind längst nicht das einzige: „Die Arbeit draußen ist immer anstrengend, weil wir in die Rechte der Leute eingreifen müssen. Wir stehen immer im Fokus der Öffentlichkeit, und selten sind alle Beteiligten mit dem Ausgang zufrieden.“

Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Welche Erfahrungen Barkeeper und Taxifahrer mit Betrunkenen machen.

Der Barkeeper

„Generell macht mir die Arbeit Spaß“, sagt Giovanni von Marianella. Der 31-Jährige steht zweimal pro Woche im „Chlodwig-Eck“ hinter dem Tresen. Auch im Club Bahnhof Ehrenfeld und in Australien hat der Italiener als Barkeeper gearbeitet. „Die Arbeit mit Betrunkenen kann sehr lustig sein. Die Menschen sind einfach locker.“ Vor allem habe er aber gelernt, Menschen besser einzuschätzen. „Ich kann schnell sehen, ob jemand betrunken ist und auch, ob er aggressiv ist.“ Ärger hat von Marianella selten. Wenn ein Gast sein Trinklimit überschritten hat, sucht er den Dialog. „Ich versuche, den Leuten klarzumachen, dass ich ihr Benehmen nicht dulde. Wenn die Person aggressiv ist, nehme ich sie vor die Tür und sage, dass sie nicht mehr rein kommt. Zur Not rufe ich die Polizei.“ Bislang sei das die Ausnahme gewesen. Nur einmal habe ein Mann in der Bar angefangen zu schreien, Sachen kaputtzumachen und Bekannte am Telefon zu bedrohen. „Der war etwas verrückt“, sagt von Marianella. „Ich glaube aber nicht, dass Menschen nur dumme Sachen machen, weil sie betrunken sind. Betrunken zu sein ist keine Entschuldigung für irgendetwas.“ Die Laune lässt sich der Mailänder von solchen Vorkommnisse nicht vermiesen. „Es sind Einzelfälle. Die Arbeit macht Spaß.“

Der Taxifahrer

Viel Geduld im Umgang mit Alkoholisierten brauchen die Männer und Frauen am Steuer der Taxis. „Bei manchen Fahrgästen müssen wir alle zwei Minuten anhalten, damit sie sich am Straßenrand übergeben können. Schön ist das nicht, aber Teil des Geschäfts“, sagt Aleksandar Dragicevic, vom Vorstand des Taxi-Ruf Köln. Häufig sind er und sein Vorstandskollege Oguzhan Ogul während Nachtschichten mit Betrunkenen in Kontakt gekommen.

„Einmal hatte ich einen 63-jährigen Mann auf der Rückbank sitzen, der mich dann einfach geschlagen hat. Ich hatte nichts gemacht, der war einfach nur betrunken“, sagt Ogul. Taxifahrer haben eine Beförderungspflicht, können also nicht einfach Fahrgäste ablehnen. Es sei denn die eigene Sicherheit ist gefährdet. „Du musst als Taxifahrer auch Psychologe sein und Leute richtig einschätzen“, sagt Dragicevic. In Konfliktsituationen versuchen die Taxifahrer deeskalierend zu handeln. Dazu gibt es auch eigene Schulungen. „Bei manchen Leuten hat Alkohol eine verheerende Wirkung. Die wollen dann ihre Frustration im Taxi loswerden und provozieren den Taxifahrer verbal. Da darf man gar nicht reagieren. Wenn die alkoholisiert sind, bringt das gar nichts“, sagt Dragicevic.

Der 51-Jährige wurde auch schon körperlich in seinem Taxi angegriffen. In Ostheim hat ihn ein Kunde in den Würgegriff genommen. Dragicevic konnte ihn abwehren und die Polizei verständigen. Die Grenze zieht er, wenn ein Fahrgast sich nicht mehr unter Kontrolle hat und kaum ansprechbar ist. „Das ist ein Fall für den Rettungssanitäter. Da rate ich jedem Nein zu sagen.“ Für Ogul ist die Arbeit mit Betrunkenen trotz negativer Erfahrungen grundsätzlich kein Problem: „Sie fangen an zu singen und lustige Geschichten zu erzählen. Ich habe mich mit ihnen meist amüsiert. Ganz am Ende geben sie auch mehr Trinkgeld, wenn man ein paar Späße mit ihnen macht“, sagt der 44-Jährige.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt: Vor welchen Herausforderungen Polizisten mit Betrunkenen stehen.

Der Polizeibeamte

Wenn ein Konflikt dennoch eskaliert, alarmieren die Taxifahrer die Polizei. Dann landet der Fahrgast im schlimmsten Fall in Polizeigewahrsam und somit in der Obhut von René Distelrath. Der 32-Jährige arbeitet im Kalker Präsidium. Die Menschen, die zu ihm kommen, sind häufig so betrunken, dass sie in Schutzgewahrsam genommen werden müssen. Bis zu zehn stark alkoholisierte Personen werden pro Tag eingeliefert und verbringen dann die Nacht in einer kargen Zelle, ausgestattet mit Matratze, Waschbecken und Toilette. Am Wochenende können es pro Nacht schon einmal 40 Menschen sein. Am 11.11. des vergangenen Jahres waren es mehr als 100.

„Es ist schon schwer, mit Betrunkenen umzugehen, weil man nicht pauschal vorhersehen kann, wie die Person sich verhält“, sagt Distelrath. „Wir haben manchmal ganz amüsante Leute hier, mit denen man lachen kann, aber auch extrem aggressive Personen. In Polizeigewahrsam kommen auch wirklich nur die Härtefälle. Der Umgang ist nicht immer einfach.“

Auf die Unberechenbarkeit einstellen

Mit der Zeit hat er gelernt, Betrunkene besser einzuschätzen. „Das ist natürlich kein Allheilmittel. Auf die Unberechenbarkeit von Betrunkenen kann man sich nicht einstellen.“ Das macht die Arbeit für den 32-Jährigen mitunter sehr anstrengend. „Betrunkene verstehen häufig nicht, warum sie bei uns sind. Das kann man ihnen hundertmal erklären, aber sie können nicht verstehen, dass sie auch zu ihrem eigenen Schutz hier eingesperrt sind. Das macht es unheimlich schwer.“ Belastet fühlt er sich dadurch aber nicht. Trotzdem musste er sich an die Arbeit mit Alkoholisierten gewöhnen. „Gerade als ich noch sehr jung war, wusste ich nicht, wie man mit Betrunkenen am besten umgeht.“

Gelernt hat er es im Job, spezielle Ausbildungen für derartige Situationen gibt es bei der Polizei nicht. „Das ist etwas, was die Lebenserfahrung bringt“, sagt Distelrath. Dazu zählen auch unschöne Erfahrungen. „Ich habe keine Lust, von jemandem angekotzt, angespuckt oder angepinkelt zu werden. Das passiert natürlich schon einmal. Das ist unser Beruf und da müssen wir mit umgehen.“