Der Karnevals-Hype um das Zülpicher Viertel scheint noch lange nicht vorbei zu sein.
11.11. in KölnWieder deutlich mehr Andrang im Zülpicher Viertel – Nicht überall friedlich

Am 11.11. sind wieder tausende, vor allem junge Jecken ins Zülpicher Viertel geströmt.
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Als der Countdown um Punkt 11:11 Uhr bei Null ankommt, zünden Jecken auf den Balkonen rund um die Zülpicher Straße ihre Konfettikanonen. Aus dutzenden Boxen dröhnt Karnevalsmusik, eine große Gruppe stimmt „Ich ben ene kölsche Jung“ an. Kurz zuvor versuchen zwei Sanitäter des Deutschen Roten Kreuzes, sich einen Weg durch die dichte Menge zu bahnen. Für mindestens eine Person ist der Tag da schon gelaufen – es ist wieder Karneval im Univiertel.
Die Hoffnung von Stadt und Ordnungsbehörden, der Trend der vergangenen zwei Jahre werde sich fortsetzen – dass also immer weniger Jecken ins Zülpicher Viertel strömen, der Hype unter den jungen Feiernden abnimmt und sich damit auch das Problem von Müll, Alkoholleichen und Streitigkeiten von selbst löst – er hat sich am Dienstag nicht bewahrheitet. Bei bestem Wetter zieht es erneut Tausende Richtung Zülpicher Straße. Gegen halb zwölf sperrt die Stadt die Zugänge ins Viertel. Es ist deutlich voller als im vergangenen Jahr – wenngleich nicht so voll wie am 11.11.2022, als die Polizei eingreifen musste, um vor der Uni-Mensa eine Massenpanik zu verhindern.
Karneval im Zülpicher Viertel: „Wo sollen die Leute denn hin?“
„Die Zülpicher ist mittlerweile einfach Tradition, so schnell lässt sich das nicht ändern“, sagt Annabelle, die mit ihren Freunden Ashtar, Jonas und Samuel feiert. Mit ihren 23 bis 28 Jahren gehören sie hier schon zu den Älteren. „Das muss man einfach gesehen haben – man kommt hier hin, alle strahlen einen an und feiern zusammen“, erzählt Ashtar. Seit drei Jahren reist sie für den Karneval aus dem Ruhrgebiet nach Köln. „Und immer geht’s zuerst auf die Zülpi. Danach gucken wir weiter.“
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Samuel, Jonas, Annabelle und Ashtar (v.l.) feiern Karneval auf der Zülpicher Straße.
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Schade findet Annabelle nur, dass es auf der Ausweichfläche an der Uniwiese keine Musik mehr gibt. „Null Aufenthaltsqualität“ hatte der frühere Ordnungsamtschef und heutige Büroleiter von OB Burmester, Ralf Mayer, dort angekündigt – und sein Versprechen gehalten: keine Musik, keine Verkaufsstände. Die Fläche dient den Jecken vor allem als Transitstrecke Richtung Zülpicher Viertel. Immerhin: Der mit Planen abgedeckte Weg ist gesäumt von zahlreichen Dixi-Klos, die rege genutzt werden.

Gegen halb zwölf sperrt die Stadt die Zugänge ins Viertel.
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Den Ärger der Anwohner über das eingezäunte Viertel, den Müll und andere Hinterlassenschaften kann Annabelle nachvollziehen. Trotzdem sagt sie: „Der Straßenkarneval ist halt ein Alleinstellungsmerkmal für Köln. Aus dem ganzen Land kommen die Leute deswegen hierher.“ Ihr Freund Samuel ergänzt: „Die Anwohner waren ja auch mal jung und wollten feiern.“
So oder ähnlich sehen das viele Jecken, die an diesem Dienstag unterwegs sind. „Wo sollen die Leute denn hin?“, hört man immer wieder, wenn sie nach der Diskussion um den Karnevals-Hotspot gefragt werden.

Am Nachmittag nahm die Vermüllung im Zülpicher Viertel deutlich zu.
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Die meisten lassen sich die Stimmung auch dann nicht verderben, als die Stadt die Zugänge sperrt. Das Treiben verlagert sich einfach weiter – in Richtung Luxemburger Straße, Barbarossaplatz und Belgisches Viertel. Gegen 13 Uhr sind fast alle Straßen von leeren Flaschen gesäumt, dazwischen wird ausgelassen und friedlich gefeiert. Immer öfter wird das Treiben aber von Sirenengeheul von Polizei und Krankenwagen übertönt. Gegen 14 Uhr öffnet die Stadt die Zugänge ins Zülpicher Viertel wieder. Vor allem an der Kreuzung Roonstraße ist der Andrang auch am Nachmittag hoch – genauso wie der Alkoholpegel. Immer öfter müssen Polizei, Ordnungsamt und Sanitäter wegen Schlägereien, Wildpinklern oder Alkoholleichen eingreifen.
Bürgervereinigung plädiert weiter für Alternativveranstaltung
Auch Michael Neumann von der Bürgergemeinschaft Rathenauplatz beobachtet, dass in diesem Jahr wieder mehr Jecken in sein Viertel strömen. „Im Großen und Ganzen verläuft das aber vergleichsweise entspannt“, sagt er. „Kein Vergleich zu 2022 oder 2023, als selbst die Flächen rund um den Aachener Weiher und den Alphons-Silbermann-Weg komplett verstopft waren.“
Die größte Belastung für die Anwohner seien die umfangreichen Absperrungen, die schon zwei Wochen vor dem 11.11. das Viertel lahmlegen würden: „Es ist ein Leben in Käfighaltung.“
Neumann plädiert erneut dafür, dass die Stadt eine Alternativveranstaltung auf die Beine stellt. „Dann ist hier noch weniger los, und die Absperrungen werden überflüssig. Wenn die Stadt das Geld für die Sicherheitsmaßnahmen stattdessen in eine richtige Karnevalsveranstaltung steckt, sind am Ende alle glücklich.“
Dass die Stadt – wie sie behauptet – rund 30 mögliche Ersatzflächen geprüft und keine geeignete gefunden habe, will Neumann nicht gelten lassen. „Wer nichts finden will, der findet auch nichts“, sagt er.

