Kölner Karneval 2024Sessionsrückblick: Dat wor jot, dat wor nit esu jot

Lesezeit 5 Minuten
Der Prinzenwagen am Rosenmontagszug

Der Prinzenwagen am Rosenmontagszug

Musik, Sitzungen, Dreigestirn – zum Ende der Session schauen wir noch einmal auf die vergangenen Wochen zurück und ziehen ein Fazit.

Am Aschermittwoch ist alles vorbei. In der Session 2023/2024 ist nach vielen Jahren eine gewisse Normalität zurückgekehrt. Es war eine kurze Session, dafür umso intensiver. Wir blicken zurück: Was war gut, was hätte besser laufen können? Unsere Bilanz.

Klare Kante im Kölner Karneval

Karnevalisten stellen sich vor der Synagoge in einer Menschenkette auf, um gegen Antisemitismus zu protestieren.

Am 11.11. stellten sich Karnevalisten symbolisch schützend vor der Synagoge auf.

Schon am 11.11. setzten Karnevalisten ein Zeichen und schützten die Kölner Synagoge symbolisch mit einer Menschenkette. Den Persiflagewagen des Kallendressers zeigte das Festkomitee ausnahmsweise schon vor dem Rosenmontagszug und der offiziellen Vorstellung bei der Demonstration gegen Rechtsextremismus am 21. Januar. Mit „It’s a dress, not a yes“ hat die Polizei unter anderem mit den Roten Funken, den Greesbergern und den FC-Cheerleadern sowie den Wildcats Leverkusen eine Initiative gegen sexuelle Belästigung im Karneval gestartet, der sich unaufgefordert viele Organisationen und Bands angeschlossen haben.

Der Pänzrechte-Pass, den das Festkomitee mit dem Verein Zartbitter entwickelt hat, soll Kindern ihre Rechte näherbringen und verdeutlichen, welche Verhaltensweisen von Erwachsenen sie nicht akzeptieren müssen. Kneipen verabredeten sich, um gleichzeitig den Song „Kein Kölsch für Nazis“ zu spielen. All das zeigt: Sexuelle Gewalt, Rassismus und Antisemitismus gehören nicht in den Kölner Karneval. Der Fastelovend steht nicht nur für Feiern und Kölsch-Trinken, sondern allem voran für Toleranz – auch in der Session 2024. (lcs)

Das Kölner Karnevals Motto: Die Kleinen nach vorne, bitte!

Szenenbild aus der Pripro, das Ensemble des Scala-Theaters bewertet eine Performance.

Bei der Prinzenproklamation trat das Ensemble des Scala-Theaters auf.

Das Motto „Wat e Theater, wat e Jeckespill“ sollte auch die gebeutelten Theater in den Vordergrund rücken. Beim Rosenmontagszug ist das gelungen, alle Persiflagewagen hatten einen Bezug zum Theater, verschiedene Ensembles liefen mit. Auch bei den Sitzungen gab es einige Gastspiele der Volksbühne und des Scala-Theaters. Viele Termine des Festkomitees fanden auf Bühnen der Stadt statt. Das dürfte dem Jeck an sich aber kaum aufgefallen sein. Scala-Theater und das Musical „Himmel und Kölle“ sind, keine Frage, klasse – und erfolgreich. Schön wäre es gewesen, auch die kleineren Theater, die mehr zu kämpfen haben und einen geringeren Bekanntheitsgrad haben, ins Bühnenlicht zu rücken. (lcs)

Das Kölner Dreigestirn: authentisch und familiär

Das Dreigestirn bei der Proklamation am 5. Januar

Das Dreigestirn bei der Proklamation am 5. Januar

Mit dem Sessionsmotto sollte neben der weltpolitischen Lage auch die Kölner Theater- und Kreativ-Szene in den Fokus gerückt werden. Dem Dreigestirn gelang es dabei, noch ein anderes Thema zu besetzen: die Familie und ihr Zusammenhalt. Erstmalig stellten Vater (Jungfrau), Sohn (Prinz) und der Onkel des Prinzen (Bauer) das Trifolium. Familie Klupsch zeigte sich dabei so volksnah, natürlich und nicht zuletzt so ehrlich, dass Vertreter der Kommunikationsabteilung des Festkomitees beim Prinzenessen scherzhaft die Hände über den Kopf zusammenschlugen.

Vor allem Prinz Sascha sprach aus, was er meinte – unverfälscht und geradeaus. Wohl noch nie haben so viele Jecke mit einem Dreigestirn gelitten, als Jungfrau Frieda tagelang gegen ihren Muskelfaserriss ankämpfte und an Karnevalssonntag gar an der Hüfte operiert werden musste. Dass an Rosenmontag nur ein Zweigstirn im Zoch mitfuhr, stimmte nur auf dem Papier. Die Jungfrau fuhr bei ihrem Bruder (nicht nur) als Puppe mit. Friedrich Klupsch war vor allem bei seinem Sohn auf der 7,5 Kilometer langen Strecke allgegenwärtig. Klupsch Alaaf! (jan)

Musikalisch vielfältig, aber ohne Hit

Blick von der Bühne auf Kasalla und das Publikum im Tanzbrunnen

Kasalla beim Auftritt an Weiberfastnacht im Tanzbrunnen

Womit Köln jedes Jahr unangefochten spitze ist, sind die neuen Lieder. Musikalisch sind viele Bands so professionell aufgestellt wie nie zuvor, und der Wettbewerb um den Sessionshit scheint angesichts der zunehmenden Zahl an Gruppen immer härter. Inzwischen zielen gefühlt zu viele Songs darauf ab, dass das Publikum mehr mitmacht als zuhört und schon nach wenigen Takten „Oh-oh-ioh“, oder „Nananananee“ mitsingen soll. Dennoch sucht die Qualität dieser kölschen Volksmusik ihresgleichen.

Cat Ballou zelebriert mit „Gute Zeit“ beste Pop-Qualität, die nicht nur an Größen wie Coldplay erinnert, die Klüngelköpp sorgen mit „Oh Lore Loreley – ley ley“ für einen ähnlichen Ohrwurm wie Brings mit „Ro-, Ro-Ro-Romeo un Ju-, Ju-Ju-Julia“. Ebenso bewährte Qualität liefern die anderen Schwergewichte wie Kasalla, Bläck Fööss oder Höhner ab. Konnte man sich im vergangenen Jahr noch relativ schnell mit „Prinzessin“ von den Höhnern auf den Hit der Session einigen, gestaltet sich das diesmal weitaus schwieriger. Doch ist das kein Makel, sondern vielmehr Zeichen der enormen Vielfalt in der kölschen Musik. (jan)

Kölner Karneval wird inklusiver

Aline Ackers übersetzt die Sitzung in Gebärdensprache.

Aline Ackers übersetzte unter anderem die Proklamation des Kinderdreigestirns in Gebärdensprache.

Karneval ist für alle da – das zu zeigen, war die Mission des diesjährigen Kinderdreigestirns. Mit Erfolg. Prinz Julius I., Bauer Severin und Jungfrau Benedikta brachten den Jecken Gebärdensprache näher und Severin zeigte, dass er mit elektronischer Gehörprothese genauso jeck sein kann wie jedes andere Kind. Die Proklamation des Kinderdreigestirns wurde in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsverband Rheinland (LVR) erstmals in Gebärdensprache übersetzt. Seit elf Jahren läuft die LVR-Initiative „Karneval für alle“ und es kommen immer mehr inklusive Aktionen in Köln dazu. Dazu zählen etwa die Blindenreportage vom Rosenmontagszug, rollstuhlgerechte Tribünen oder eben die Übersetzung von vereinzelten Veranstaltungen in Gebärdensprache. (anm)

Copy-and-Paste-Programme auf Kölner Sitzungen

Volker Weininger als „Sitzungspräsident“ in der Bütt

Stammgast auf sämtlichen Sitzungen: der „Sitzungspräsident“ Volker Weininger, hier auf der Herrensitzung der Altstädter.

Kasalla, Höhner, Bläck Fööss, Guido Cantz, Marc Metzger und Volker Weininger – die Namen ziehen Jecke an wie das Licht Motten anzieht. Einen Saal auch zu später Stunde begeistern: kein Problem. Da liegt es nur nahe, als Literat möglichst viele dieser bekannten und beliebten Namen zu buchen. Alles wird teurer, der Jeck geht nicht mehr auf zehn Sitzungen. Er ist wählerischer geworden. Da muss das Programm überzeugen. Aber warum sollte er auch auf zehn Sitzungen gehen, wenn überall dieselben sieben Redner und sieben Bands auf der Bühne stehen? Copy-and-Paste-Programme passen nicht zur Vielfalt des Kölner Karnevals. Mehr Chancen für den Nachwuchs, gerade für den weiblichen, würden vielen Veranstaltungen guttun. (anm)

KStA abonnieren