Streit der WocheSoll das Kölner Karnevalsmotto politisch sein?

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kein kölsch für nazis

  • Sänger Peter Brings schlägt für die Karnevalssession 2021 das Motto „Kein Kölsch für Nazis“ vor – um politisch Stellung zu beziehen und Haltung zu zeigen.
  • „In Kölle jebützt“ oder gar „Köln hat was zu beaten“ – Das Karnevalsmotto ist traditionell unpolitisch. Muss das so sein? Oder ginge es mal ein bisschen entschiedener?
  • Sarah Brasack (40) ist Premiummanagerin Digitales. Karneval feiert sie alljährlich mit Inbrunst, Leidenschaft und viel Durchhaltevermögen, findet aber, dass man bei allem jecken Frohsinn durchaus klare Haltung zeigen kann und muss.
  • Stefan Worring (61) ist Chefreporter Lokales und seit 30 Jahren im Karneval unterwegs. Die Bedeutung des Mottos hat sich in der Zeit stark verändert: von einem oft skurrilen Thema für den Zoch zur viel beachteten Überschrift für die komplette Session.

Unser Streit der Woche: Soll das Karnevalsmotto in Köln politisch sein?

Pro: Mehr Mut zu Farbe und mehr Bekenntnis zu Vielfalt, liebes Festkomitee

Von Sarah Brasack

Kaum war die gute Idee in der Welt, war das Nein auch schon gesprochen. „Kein Kölsch für Nazis“ als Sessionsmotto 2021 ließe sich nicht umsetzen, teilten Zugleiter Holger Kirsch und Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn dem Musiker Peter Brings mit. Der hatte den Slogan in den sozialen Netzwerken und einigen Sitzungssälen vorgeschlagen und damit eine breite Diskussion ausgelöst (hier lesen Sie mehr). Die Begründung des Zugleiters? Man wolle sich „politisch nicht in eine Richtung drängen lassen“.

Dem kann man durchaus entgegnen, dass eine klare Ansage an Menschen, die Hass und Gewalt verbreiten, mitnichten eine politische „Richtung“ ist. Sondern eine Selbstverständlichkeit, die umso lauter vertreten werden sollte, je mehr demokratische Grundwerte wie Offenheit und Toleranz gefährdet sind. Und das sind sie! Stünde es Köln nicht ausgezeichnet, Flagge zu zeigen, wenn uns einmal im Jahr die ganze Republik zuguckt?

Kölner können stolz auf die Initiative „Arsch huh“ sein

Wir können stolz sein auf die Initiative „Arsch huh“, auf die zigtausend Menschen bei den legendären Konzerten im Jahr 1992 und 2012. Wir können stolz sein auf unsere Bands von Brings bis Kasalla, die auf Bühnen nicht nur zur Party, sondern genauso vehement zu Toleranz und Einheit aufrufen. Wenn eine Stadt es draufhat, Feiern mit einer Botschaft zu verbinden, dann ist das ja wohl Köln.

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Natürlich ist der Slogan „Kein Kölsch für Nazis“ plakativ. Aber was plakativ ist, bleibt auch in Erinnerung. Das kann man von vielen Sessionsmottos der vergangenen Jahre nicht behaupten. Erinnern Sie sich beispielsweise noch an „Köln hat was zu beaten“ im Jahr 2010? Und auch bei einem Motto wie „Social jeck – kunterbunt vernetzt“ hat sich wohl nicht nur Peter Brings nach dem tieferen Sinn gefragt. Wenn Zugleiter Kirsch betont, alle Mottos des Festkomitees seien „glücklich gewählt“ und hätten in „ihren Bereichen auch jeweils etwas bewirkt“, darf man schon fragen: Was denn?

„Mir all sin Kölle!“ war letztes Sessionsmotto mit politischer Aussage

Tatsächlich war „Mir all sin Kölle!“ im Jahr 2007 das letzte Sessionsmotto mit politischer Aussage. Das ist 13 Jahre her! Mag ja sein, dass ein solches Bekenntnis traditionell nicht die Aufgabe eines Sessionsmottos ist. Warum aber darf ein Mottowagen im Zoch politisch sein, in diesem Jahr geht es sogar erstmals gegen die AfD, und das Sessionsmotto möglichst nicht? Eine Ausnahme könnte da doch drin sein. Nicht um der Ausnahme willen, sondern angesichts einer Entwicklung, die wir nicht dulden können.

Natürlich muss es nicht „Kein Kölsch für Nazis“ sein. Der Spruch ist perfekt dafür, auf Tausende Bierdeckel für Kölner Kneipen gedruckt zu werden, wie das seit 2008 geschieht. Eine tolle Aktion, angesichts der vielen Kinder im Karneval wäre ein Motto ohne Promille aber wohl besser geeignet. Wie wäre es mit „Wir sind bunt, nicht braun“? Dafür darf es im Jahr 2022 dann auch gerne wieder von der Kategorie „In Kölle jebützt“ sein. Mehr Mut zu Farbe und mehr Bekenntnis zu Vielfalt, liebes Festkomitee. Der Karneval steht für beides.

Contra: Haltung funktioniert nicht auf Befehl

Von Stefan Worring

Schulgebäude werden mit Hakenkreuzen beschmiert, jüdische Mitbürger trauen sich nicht mehr mit Kippa auf die Straße, Stammtischparolen gegen Juden, Ausländer, Flüchtlinge und andere Minderheiten sind an der Tagesordnung. Und das nicht in Dresden, Rostock oder Chemnitz, sondern hier, im Rheinland, in Köln. Da ist es kein Wunder, dass ein politisch sozialisierter, meinungsstarker Mensch wie Sänger Peter Brings in die Diskussion eingreift und Stellung bezieht. „Kein Kölsch für Nazis“, schlägt er als Motto für die Session 2021 vor. „Das wäre das erste Motto, das ich sofort unterschreiben würde, wenn das Festkomitee mitmacht.“ Auf Kölsch müsse das dann „Kei Kölsch för Nazis“ heißen.

Holger Kirsch, Leiter des Kölner Rosenmontagszuges und qua Amt traditionell zuständig für eben dieses Motto, hält den Vorschlag von der Grundidee her durchaus für richtig, aber, so Kirsch, „wir wollen uns da mit einem Motto politisch in keine Richtung drängen lassen“. Da liegt Kirsch wohl auf einer Linie mit dem gesamten Vorstand des Festkomitees. Und er hat recht. Es ist sehr auffällig in dieser Session, dass praktisch alle Künstler, die auf den Karnevalsbühnen unterwegs sind, Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und stumpfe Parolen aus den rechten Lagern und besonders den populistischen Unsinn, den Politiker der AfD unters Volk streuen, geißeln.

Ein rein politisches Sessionsmotto wäre unsinnig

Und das sind ausdrücklich nicht nur die alternativen Jecken von Stunksitzung, Fatal Banal, Immisitzung oder Deine Sitzung: Die machen das lobenswerterweise kontinuierlich seit Jahr und Tag. Und es sind auch nicht nur die Musiker und Bands, die seit der Kundgebung am Chlodwigplatz 1992 vor 100.000 Kölnern ausdauernd und nachhaltig in der AG Arsch huh „gegen Rassismus + Neonazis“ ihre Stimme erheben (zu denen übrigens auch Brings zählt).

Es sind auch Redner, die man durchaus einer eher konservativen Ecke zurechnen kann, es sind Musiker, die sonst eher unpolitisch daherkommen, es sind Sitzungspräsidenten, die für einen Moment gute Laune gute Laune sein lassen. Das ist ein starkes Statement aus Köln heraus, dass die Stadt weltoffen, liberal, menschlich sein kann. Wo das herkommt? Es ist Haltung. Und Haltung funktioniert nicht auf Befehl. Von daher wäre ein rein politisches Motto unsinnig.

Mit diesjährigem Karnevalsmotto wird niemand ausgegrenzt

Die große Stärke eines guten Mottos sieht man in diesem Jahr: „Et Hätz schleiht em Veedel“. Es ist sehr kölsch, es ist sehr menschlich, es ist sehr sozial – und es ist sehr offen. Jeder Jeck ist anders, und jeder Jeck kann dieses Motto anders interpretieren, es anders umsetzen und ausleben. Trotzdem impliziert es durch die Worte Hätz und Veedel Nachbarschaft und ein Miteinander aller Bürger. Niemand, ausdrücklich niemand wird ausgegrenzt. Wenn das kein politisches Statement ist!

Es bedarf also nicht einer Formulierung wie „Kei Kölsch för Nazis“, um zu zeigen, in welche Richtung der Karneval und die Gesellschaft denken und handeln sollten. Der Karneval ist so stark, seine vereinigende Kraft so positiv. Dafür braucht es keine Parole. Und trotzdem, lieber Peter Brings, stellvertretend für alle anderen, macht weiter so, seid politisch, nutzt euren Einfluss gegen die ewig Gestrigen. Arsch huh, Zäng ussenander. 

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