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Karnevals-ExzesseUnmut in den Kölner Feiervierteln

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Zülpicher Straße Umfrage Karneval

Die Zülpicher Straße verwandelt sich zu Karneval in eine Feiermeile.

Köln – Vor ein paar Tagen hat die Stadtverwaltung bekannt gegeben, wie der bevorstehende Karneval in geordnetere Bahnen gelenkt werden soll. Oberbürgermeisterin Henriette Reker setzt auf ein Maßnahmenpaket aus zusätzlichen Veranstaltungen, mehr mobilen Toiletten und mehr Sicherheitspersonal, außerdem wird es keine Genehmigung für Bierbuden geben. In der Altstadt und an der Zülpicher Straße gibt es ein Glasverbot, in der Südstadt soll es eine glasfreie Zone geben, beruhend allerdings auf der Freiwilligkeit der Feiernden.

Außerdem ist eine Bühne nahe der Zülpicher Straße an der Uni-Mensa geplant, um den Feiernden mehr als das Trinken zu bieten. Die ansässigen Geschäfte und Wirte im Veedel sehen das mit gemischten Gefühlen. Die Initiative „Kwartier Latäng“ ruft zur Demonstration auf, sie ist gegen die Bühne und für mehr Maßnahmen durch das Ordnungsamt.

Anwohner und Geschäftsleute sehen all diese Pläne mit gemischten Gefühlen: „Mit einer zusätzlichen Bühne erreicht man nur das Gegenteil. Ich kann diese Entscheidung nicht nachvollziehen“, sagt Walter Psyk, der seit fast 20 Jahren die Buchhandlung „Wortspiel“ an der Zülpicher Straße führt. „Für eine Gegendemo ist es jetzt aber eigentlich auch zu spät. Das Kind ist schon in den Brunnen gefallen.

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Er wird trotzdem hingehen, denn „wir wollen uns wenigstens zeigen.“ Von Weiberfastnacht bis Aschermittwoch wird das Geschäft geschlossen sein. Das große Schaufenster ist aus doppeltem Sicherheitsglas, deswegen macht er sich keine Sorgen. Ein Gitter schützt den Eingangsbereich . „Dahinter liegt dann immer viel Müll nach dem Wochenende, aber das ist das ganze Jahr über so.“

Kino schließt wegen des Massenandrangs

Gegenüber liegt seit 25 Jahren das Kino „Off Broadway“. Bis auf Rosenmontag liefen dort auch an Karneval früher immer Filme, das wurde im Lauf der Jahre aber weniger. „Dieses Jahr schließen wir sogar Donnerstag, Samstag und Montag. Auf der Zülpicher Straße ist es so voll, dass die Leute einfach nicht bis zu uns reinkommen. Ich kann es auch meinen Mitarbeitern nicht mehr zumuten“, erklärt Inhaber Christian Schmalz.

„Unsere Toreinfahrt wird schon immer als Toilette benutzt. Und wenn wir den Feiernden anbieten, stattdessen unsere Toiletten im Kino zu benutzen, bekommen wir inzwischen oft sehr aggressive Antworten.“ Die Bühne sieht er nicht als Entlastung der Zülpicher Straße, sondern als weiteren Publikumsmagneten. „Vor allem in den späteren Stunden kippt dann die Stimmung“, glaubt er.

Eva Minas vom Second-Hand-Laden „Entlarvt“ sieht den wichtigsten Ansatz bei der Ausstattung mit Toiletten. „Wir brauchen an Karneval inzwischen eine Organisation wie bei einer Großveranstaltung. Ob die jetzt geplanten 700 Toiletten für die Stadt ausreichen, weiß ich nicht. Auch Zelte mit Sanitätern hätte ich wichtig gefunden.“ Sie mag den Karneval und verkauft seit 20 Jahren in ihrem Laden Kostüme. „Deswegen gehe ich auch zur Demo. Ich möchte mich für die schönen Seiten des Karnevals einsetzen.“

Schaufenster werden mit Holz verkleidet

Im Taschenbuchladen und beim Frisör Tinkhaar werden an Karneval die Schaufenster zeitweise mit Holz verkleidet. „Umsatz gibt es sowieso nicht an diesen Tagen“, meint die Frisörin Stephanie Ilhan. Für die frischgebackene Unternehmerin eine herbe Einbuße. „Ich freue mich für die Wirte, dass sie guten Umsatz machen können. Aber eine Bühne wird uns sicherlich nicht mit der Situation auf der Zülpicher Straße helfen“, glaubt sie.

Auch Ursula Kiel vom Taschenbuchladen findet, dass eine Bühne die Situation verschärft, nicht entzerrt. Stattdessen: „Ein Eintrittsgeld hätte ich angemessen gefunden. Ich hätte mir mehr von der Stadt gewünscht“, sagt die Buchhändlerin.

Eine Anwohnerin der Zülpicher Straße hat vollkommen resigniert: „Das wird die Stadt nicht mehr in den Griff kriegen.“ Sie macht sich vor allem wegen der vielen Menschen Gedanken. „Im Notfall würde doch gar kein Krankenwagen hier durchkommen. Das ist wie ein rechtsfreier Raum hier.“ Dass das Ordnungsamt den Zugang geregelt bekommt, bezweifelt sie.

Wirte fordern Gesamtkonzept

Die Südstadt-Gastronomen Daniel Rabe und Till Riekenbrauk bemängeln aber das Fehlen eines Gesamtkonzeptes. „Die Stadt setzt völlig falsch an. Es kommen doch nicht weniger Leute oder trinken weniger, wenn das Angebot auf den Straßen reduziert wird“, sagt Rabe, der am Runden Tisch mitdiskutierte. Die Maßnahme der Stadt, keine Genehmigungen für den Betrieb von Bierbuden zu erteilen, hält er für „völligen Schwachsinn“ und mache das Problem sogar noch größer. „Wo kontrolliert gefeiert wird, liegen nicht die Problemzonen.

Als Wirte haben wir für Toiletten, Sicherheitspersonal und Müllbeseitigung in unseren Bereichen der Außengastronomie gesorgt. Die Südstadt ist nicht so sehr betroffen, aber ich halte den Karneval in der Altstadt in den Seitenstraßen für viel gefährlicher, wenn die Wirte dort kein Angebot mehr machen können.“

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