Kölner früher und heuteDie Nord-Süd-Fahrt ist die bekannteste Wunde der Stadt

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collage Nord-Süd-Fahrt

Die Nord-Süd-Fahrt in Köln in den Jahren 1970 (l.) und 2020. 

Köln – Welch guten Ruf die Nord-Süd-Fahrt einst hatte, lässt die historische Abbildung zu diesem Kapitel Kölner Verkehrsentwicklung erahnen. Es handelt sich nicht um ein herkömmliches Foto, sondern um eine Ansichtskarte, aufgenommen vom WDR-Archivgebäude in Richtung Schildergasse etwa im Jahr 1970.

Die bis zu acht Spuren breite Schneise, die das Stadtbild nach dem Zweiten Weltkrieg veränderte beziehungsweise zerstörte wie kaum ein anderes Projekt, war einmal eine echte Sehenswürdigkeit, ein Aushängeschild der Moderne. Bis die Stimmung kippte und Ansichtskarten von der Nord-Süd-Fahrt höchstens noch abschreckende Wirkung entfalteten.

Erste Überlegungen für eine Nord-Süd-Verbindung gab es schon in den 1920er Jahren unter Stadtplaner Fritz Schumacher. In der NS-Zeit war eine weitaus breitere und geradlinigere Variante im Gespräch, doch der Krieg verhinderte die Umsetzung. Rudolf Schwarz, Generalplaner für den Wiederaufbau Kölns, griff die Idee später erneut auf.

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Die Vorzeichen nach 1945 waren günstig: Die Zerstörungen der Innenstadt erleichterten die Straßenführung durch die einst dicht bebaute Altstadt. Gebaut wurde die Nord-Süd-Verbindung ab den 1960er Jahren sogar noch breiter, als Schwarz es geplant hatte.

Kölner Offenbachplatz sollte zu einem neuen Zentrum werden

„Die Realisierung war das Produkt der autogerechten Stadt“, sagt der ehemalige Kölner Stadtkonservator Ulrich Krings. Rücksicht auf bestehende Straßenführungen wurde nicht genommen, Wohnquartiere mussten weichen, das Eigelsteinviertel wurde vom Kunibertsviertel getrennt, das Griechenmarktviertel zerschnitten. Am 11. August 1962 war das erste Stück Nord-Süd-Fahrt zwischen Brüderstraße und Sternengasse fertig, bis der Rest so weit war, dauerte es aber noch ein paar Jahre. Insgesamt bricht sich die Schnellstraße heute 3,3 Kilometer lang Bahn, allerdings trägt nur ein kleiner Teil den Namen Nord-Süd-Fahrt.

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Als brutal und hässlich wird sie wahrgenommen, dabei achteten die Planer immerhin darauf, markante Gebäude wie die Antoniterkirche stehen zu lassen. Der von Architekt Wilhelm Riphahn entworfene Offenbachplatz an der Oper sollte sich zu einem neuen Zentrum Kölns entwickeln. Doch dazu kam es nicht. Eine Zeit lang war es vielleicht noch schick, beim Kaffeetrinken den Verkehrsmassen nachzuschauen.

Doch spätestens in den 1970er Jahren kam die autogerechte Stadt ins Gerede. Mit den Worten von Schriftsteller Heinrich Böll war die Nord-Süd-Fahrt eine „Wunde, die praktisch ganze Viertel zu Friedhöfen gemacht hat“. Was heute in großen roten Lettern über den Fahrbahnen unterhalb der Schildergasse geschrieben steht, fiel ihm zunehmend schwer: „Liebe deine Stadt.“

Krings spricht sich gegen Eintunnelung aus

Dabei hat Köln links, rechts und auch über der Nord-Süd-Fahrt architektonisch einiges zu bieten. Außer dem Opernhaus von Wilhelm Riphahn aus den 1950er Jahren setzten später das walartige „Weltstadthaus“ von Renzo Piano oder die WDR-Arkaden von Gottfried Böhm Akzente. Ulrich Krings spricht von der „Rückkehr von Urbanität in den 1990er und 2000er Jahren.“

Die „relativ gelungene Randbebauung“ sei auch ein Grund, warum er die viel diskutierte Eintunnelung der Nord-Süd-Fahrt zwischen Schildergasse und Komödienstraße eher kritisch sehe. Der zweite Grund liege unterhalb der Nord-Süd-Fahrt.

Würde die Straße tiefergelegt, müssten die Fundamente der alten Synagoge an der Glockengasse entfernt werden. „Man sollte sie offen lassen“, sagt Krings. Mit einer systematischen Begrünung mit schlanken Bäumen und einer Reduzierung der Fahrspuren könne aus der Nord-Süd-Fahrt auch mit weniger Aufwand noch etwas halbwegs Ansehnliches werden.

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