Prozess gegen „Letzte Generation“Kölner Klimaschützer mit Baby auf der Anklagebank – milde Strafe für Straßenblockade

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Die Angeklagten mit Baby und Verteidiger Ingo Lindemann beim Prozess vor dem Kölner Amtsgericht.

Die Angeklagten mit Baby und Verteidiger Ingo Lindemann beim Prozess vor dem Kölner Amtsgericht.

Die Angeklagte soll als Mitglied der Gruppierung „Letzte Generation“ für Verkehrschaos im vergangenen Mai in Köln gesorgt haben.

Ein Baby auf der Anklagebank: Zum Prozess gegen fünf Klimaaktivisten hatte eine junge Mutter ihren Säugling mitgebracht und zog damit am Mittwoch in Saal 10 des Amtsgerichts zunächst alle Aufmerksamkeit auf sich. „So jung und schon im Gerichtssaal“, sagte die Richterin und lachte. Für mehrere Angeklagte passte diese Szene ins Bild. Denn ihre Sitzblockade auf einer Kölner Straße rechtfertigten sie mit dem Kampf für unsere Kinder und Enkel – und gegen die Klimakatastrophe.

Köln: Autofahrer warf Klimaschützer von der Straße

Während das Baby die meiste Zeit friedlich schlummerte, äußerten sich zwar die Mutter und der ebenfalls angeklagte Vater nicht zu der Aktion der Gruppierung „Letzte Generation“ im vergangenen Mai, dafür aber drei Mitbeschuldigte des Ehepaares. Ja, er habe sich an jenem Morgen auf der Inneren Kanalstraße auf den Asphalt gesetzt und den Autoverkehr blockiert, sagte ein 62-Jähriger, der laut eigener Aussage „kurz vor der Rente“ noch eine Ausbildung zum Energieberater macht.

Die Aktion war jedoch kurz und auch schmerzhaft. Denn ein paar Handwerker, die im Stau standen, hätten „kurzen Prozess“ mit ihnen gemacht. „Einem wollte ich meine Motive erklären, aber der hat mich in hohem Bogen ins Gras geworfen“, sagte der Angeklagte. Etwa fünfmal sei er weggezogen worden, dann hätte sich die Gruppe nach etwa zehn Minuten entschlossen, die Protestaktion zu beenden. „Irgendwann war das Aggressionspotential einfach zu groß“, sagte der Klimaschützer.

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Ob er solche Aktionen auch in Zukunft plane, wollte die Vorsitzende Richterin wissen. „Solange die Regierung nicht handelt, werde ich alles tun, was erforderlich ist, um die Zukunft meiner Kinder zu bewahren“, antwortete der Angeklagte. Die Staatsanwaltschaft werfe ihm Gewalt und Verwerflichkeit zu, „nur weil Autos für ein paar Minuten nicht vorwärts kommen“. Doch verwerflich sei es zuzulassen, dass Kinder in Afrika aufgrund des Klimawandels verhungern und verdursten.

Köln: Aktivist schaffte es nicht mehr, sich festzukleben

„Ich wollte mich vor Eintreffen der Polizei noch auf den Asphalt kleben, doch dazu kam es nicht mehr“, erklärte ein 37-jähriger Angeklagter. Inzwischen habe er sich bereits an 46 Straßenblockaden der „Letzte Generation“ beteiligt. Würde die Politik handeln, bräuchte es diese Aktionen nicht. „Ich werde mich weiter beteiligen, bis die Gesellschaft das ernst nimmt oder man mich einsperrt.“ Er wolle sich nicht später vorwerfen, nichts unternommen zu haben, um den Klimawandel zu stoppen.

Eine Autofahrerin zeigte Verständnis für die Aktivisten und erntete Applaus von Unterstützern im Saal. Ein Autofahrer hingegen lehnte die Aktion ab: „Wer Sekundenkleber auf die Straße schmiert, kann kein Umweltschützer sein.“ Eine Aktivistin, gegen die ein Strafbefehl rechtskräftig wurde, musste auf Drängen der Verteidiger zunächst nicht aussagen – sie müsse sich nicht selbst belasten, nachdem Ermittler in Neuruppin die „Letzte Generation“ als kriminelle Vereinigung einstuften.

Die Zeugin wäre benötigt worden, um alle Teilnehmer der Aktion klar zu identifizieren. Die Polizei hatte die Gruppe nämlich im Park angetroffen und aufgrund des Abbruchs des Protests nicht mehr auf der Straße. Das Verfahren gegen das Ehepaar, das auf Anraten des Verteidigers Ingo Lindemann geschwiegen hatte, wurde daher abgetrennt und auf unbestimmte Zeit vertagt. Drei Beschuldigte blieben übrig. Da diese jeweils gestanden hatten, kam es nun auf die rechtliche Würdigung an.

Verteidiger Christian Mertens beantragte Freispruch, der Protest sei aufgrund des Klimanotstandes gerechtfertigt. Zudem verfalle die per Gesetz nötige Verwerflichkeit bereits aufgrund der geringen Dauer. Staatsanwältin und Richterin sahen dies anders. Mit der Begehung von Straftaten politische Ziele erreichen zu wollen, das gehe im Rechtsstaat nicht – auch bei redlichen Motiven. Die Richterin beließ es aber bei äußerst milden Geldstrafen wegen Nötigung – zu je 200 Euro (20 Tagessätze á 10 Euro).

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