Kein Hin- und Herschicken mehrKölner Firma macht Stoff digital fühlbar

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Designer Gerd Willschütz und der IT-Fachmann Olaf Kölling haben das Start-up Color Digital gegründet.

Köln – Wohl jeder kennt diese Enttäuschung: Kleidungsstück im Internet ausgesucht und gefreut – Paket aufgemacht und enttäuscht. Das Blau sah auf dem Bildschirm ganz anders aus und die scheußliche Raffung an der Seite war gar nicht zu erkennen.

Für den Normalkunden hält sich der Schaden in Grenzen, er schickt das Teil einfach zurück. Doch wenn einem großen Modehersteller der Stoff, den er geliefert bekommt, nicht gefällt, geht es um Millionen.

Um solch teure Fehlversuche zu verhindern, haben sich der Designer Gerd Willschütz und der IT-Fachmann Olaf Kölling 2016 zusammengetan und im Rheinauhafen die Firma Color Digital gegründet. Die Geschäftsidee: Stoffe werden online so präzise dargestellt, dass man fast das Gefühl hat, man könnte sie anfassen. Dazu werden Farbwerte wissenschaftlich errechnet und Strukturen dreidimensional dargestellt – die Technik stammt aus der Computerspiel-Entwicklung. So entsteht der „digitale Zwilling“ eines Stoffmusters.

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Hin-und-Herschicken überflüssig machen

„Damit wollten wir vor allem die altmodische und wenig effektive Methode des Läppchen-Hin-und-Herschickens überflüssig machen“, sagt Kölling. Traditionell und auch vielfach heute noch lassen sich auch große Modemarken Hunderte bis Tausende kleine Muster – eben die Läppchen – von Webereien schicken, um daraus die Stoffe für die neuen Kollektionen auszuwählen. „Da gehen zum Beispiel Pakete aus Indonesien durch die ganze Welt“, sagt Willschütz. Dann wird der Weber mit einer Auswahl beauftragt, ohne dass man hundertprozentig sicher sein kann, dass der Stoff exakt so aussieht wie das Muster.

Die Idee der beiden lief zwar ganz gut an – aber Corona hat die Entwicklung massiv beschleunigt. Auf einmal waren die Firmenzentralen verwaist, die italienischen Webereien standen still, Pakete wurden erst gar nicht ausgeliefert und der Mitarbeiter einer türkischen Weberei durfte nicht in die USA einreisen. Sprich: Das Läppchen-System brach zusammen.

Zwei Monate, so Willschütz, habe die Branche in Schockstarre verharrt. Dann ging der Ansturm auf Color Digital los. Weltfirmen wie Tommy Hilfiger meldeten sich ebenso wie kleine Familienbetriebe. Das digitale Arbeiten sei für jeden umsetzbar, so die Gründer. Der Preis für die Lizenz fängt bei 100 Euro an und wird je nach Firmengröße höher.

Manche bleiben im alten Modus

Manche Betriebe verharren dennoch weiter im alten Modus. „Es ist ja auch eine große Umstellung, denn schließlich ist Mode etwas Haptisches“, sagt Willschütz. Die Farbgutachter, die „Augen des Unternehmens“, waren bisher immer zentrale Figuren, an denen jede Menge Verantwortung hing. Für große Kollektionen werden 10 000 Muster von 200 verschiedenen Lieferanten begutachtet. „So mancher hat da gesagt: Ich mache das seit 25 Jahren, mir kann keiner was vormachen“, so Kölling. Allerdings lasse das menschliche Auge ab 50 nach. Und man habe schon Farbgutachter mit Rot-Grün-Schwäche getroffen.

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Color Digital sitzt derzeit mit zehn Angestellten im Rheinauhafen, fünf weitere sind in Europa verstreut. Anfangs haben die beiden Gründer für ihr Start-up keine Investoren gefunden. Viele der potenziellen Geldgeber hätten den Sinn wohl gar nicht richtig erfasst. Nächstes Jahr wollen sie Gewinn machen. Hugo Boss hat es vorgemacht. Die Firma hat die neue Kollektion komplett digital entworfen. Ohne Päckchen und Läppchen.

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