Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Interview

Kölner Bestsellerautor
„Mit meiner türkischen Familie lief ich Gefahr, zum Macho umerzogen zu werden“

5 min
01.09.2025 Köln. Autor und Comedian Moritz Netenjakob über sein neues Buch "Der beste Papa der Welt", Premiere ist am 4.9. in der Volksbühne. Foto: Alexander Schwaiger

Autor und Comedian Moritz Netenjakob über sein neues Buch „Der beste Papa der Welt“, Premiere ist am 4. September in der Volksbühne. 

Am Donnerstag, 4. September, liest Moritz Netenjakob in der Volksbühne aus seinem neuen Roman „Der beste Papa der Welt“.

Seinen ersten Sketch hat Satiriker und Bestsellerautor Moritz Netenjakob (55) mit gerade einmal 20 an das Fernsehen verkauft. Als er an der Berliner Filmhochschule nicht genommen wurde, ließ der junge Kölner sich nicht entmutigen und machte Anfang der 90er-Jahre zunächst ein Praktikum bei der WDR-Polit-Satire-Sendung „Hurra, Deutschland“. Hier trafen Politiker wie Willy Brandt, Helmut Kohl und Hans-Dietrich Genscher als Gummipuppen aufeinander, für die er sich bald Dialoge ausdenken durfte. Auch Dirk Bach, den er wöchentlich im Atelier Theater auftreten sah, lieferte er Sketche. Netenjakob war später Drehbuchautor von „Stromberg“, schrieb mit Dietmar Jacobs zusammen das Musical „Himmel & Kölle“ und das Theaterstück „Extrawurst“, das gerade mit Christoph Maria Herbst und Hape Kerkeling verfilmt wurde. Neu erschienen ist außerdem sein Roman „Der beste Papa der Welt“. Wir treffen den Autor am Rheinauhafen und sprechen mit ihm über Männlichkeit, seine deutsch-türkische Ehe und Köln.

„Macho Man“, „Milchschaumschläger“ und nun „Der beste Papa der Welt“: In Ihren satirischen Romanen geht es um Daniel und seine deutsch-türkische Ehe. Nach sechs Jahren Pause erzählen Sie vom Zusammenleben mit seiner sechsjährigen Tochter. Ist es schwierig, eine Figur über mehrere Romane aufrechtzuerhalten?

Daniel ist mein literarisches Alter Ego, insofern fällt es mir nicht schwer, aus seiner Perspektive zu schreiben. Schwerer wird es, wenn neue Figuren hinzukommen, wie jetzt Rudolf Prinz, denn dann ist mehr Gehirnarbeit nötig. Was Daniel erlebt und macht – dafür brauche ich nur eine Idee für eine Situation. Das geht mir leicht von der Hand.

Rudolf Prinz ist ein in die Jahre gekommener Showman und Daniel soll dessen Biografie als Ghostwriter verfassen. Hatten Sie jemanden bestimmtes aus dem echten Leben im Sinn bei der Figur?

Ich habe über 20 Jahre fürs Fernsehen und mit vielen Stars gearbeitet. Rudolf Prinz ist einfach eine Mischung aus Leuten, die ich getroffen habe, und die in diese Richtung des erfolgsverwöhnten und -gierigen Mannes gehen.

Alles zum Thema Rheinauhafen

Sie meinen Alphamänner, die aus heutiger Sicht für toxische Männlichkeit stehen.

Selbst Rudolf Prinz merkt irgendwann, dass er damit nicht mehr durchkommt. Was mich interessiert hat, ist: Einer, der sich nicht verändert hat, der für diese Art von Männlichkeit extrem geliebt wurde, wird heute für dasselbe Verhalten gehasst. Seinen Umgang damit fand ich spannend.

Rudolf Prinz ist 70. Gibt es da noch eine Chance, sich von diesen Mustern zu befreien?

Ich bin ein optimistischer Mensch und es ist zumindest möglich, dass man dazulernt. Die Hauptaufgabe liegt darin, sich nicht selbst zu verraten. Wenn man die Empfindlichkeiten der Menschen mehr wahrnimmt als vorher, ist das erstmal positiv. Problematisch und falsch finde ich, wenn Personen bewusst zerstört werden.

Kölner Moritz Netenjakob schrieb 20 Jahre lang fürs Fernsehen

Weshalb haben Sie sich aus der Showbranche zurückgezogen?

Es ist komplizierter geworden. In den 90ern war es sehr anarchisch, RTL zog von Luxemburg nach Köln und es gab nicht diese Kontrollmechanismen. Mein erster Job zum Beispiel war die Dirk-Bach-Show. Wenn Dirk Bach etwas gefiel, wurde es gemacht. Da hat sich RTL nicht eingemischt. Und das war super, da wir enormen kreativen Spielraum hatten. Heute gehen Ideen und Texte durch so viele Instanzen und müssen vom obersten Boss abgesegnet werden. Es fielen Sätze wie „ich muss zum Chef robben“. Ich hatte keine Lust mehr darauf, dass Leute mir sagen, wie Humor funktioniert, die selbst nur ein Buch zum Thema gelesen haben. Die Branche verfolge ich kaum mehr. Was ich aber beobachtet habe, ist, dass sich manche autoritären alten Männer plötzlich besonders woke geben. Bei Rudolf Prinz habe ich das aufgegriffen: Es gelingt nicht, weil es nicht authentisch ist.

Inwiefern erleben Sie selbst den Widerspruch zwischen alter und „neuer“ Männlichkeit in Ihrem eigenen Alltag?

Ich habe mich immer als Feministen gesehen. Ich bin an der Seite von Alice Schwarzer sozialisiert worden. Wir waren einige Jahre Nachbarn in der Nähe des Zülpicher Platzes und sind bis heute befreundet. Als meine feministische Einstellung dann auf eine türkische Familie getroffen ist, lief ich Gefahr, zum Macho umerzogen zu werden: das Thema meines Buches „Macho Man“. In der Türkei wurde ich einmal eine Bettlerin nicht los, weil ich zu nett war. Man sagte mir, solange ich lächle, geht das nicht. Ich solle eine Handbewegung machen, als ob man eine lästige Fliege verscheuchen will.

01.09.2025 Köln. Autor und Comedian Moritz Netenjakob über sein neues Buch "Der beste Papa der Welt", Premiere ist am 4.9. in der Volksbühne. Foto: Alexander Schwaiger

Moritz Netenjakob wohnt mit seiner Frau in Sürth. Am Rheinauhafen und in der Südstadt hält er sich gerne auf.

Daniel ist zu unmännlich, Rudolf Prinz zu männlich, beide kämpfen damit, aus unterschiedlichen Perspektiven. Inwieweit spielt die Vaterrolle mit rein? Geht es darum, ob man eher der weiche oder der strenge Vater sein möchte?

Ich habe selbst keine Kinder, aber zwei Patentöchter, mit denen ich viel erlebt habe. Andererseits gibt es in meiner Umgebung sehr viele Väter und ich habe beobachtet, dass das größte Problem das Setzen von Grenzen ist. Damit kämpft auch Daniel. Mein damals dreijähriges Patenkind hat das auch direkt verstanden, als ich auf eine bestimmte Schlafenszeit gepocht habe. Sie sagte: „ Jetzt tust du so, als wärst du so streng wie Hülya“, meine Frau. Ich habe also auch meine Probleme damit. Dahinter steckt die Angst, nicht geliebt zu werden, wenn ich das Kind frustriere. In diese Falle tappen viele Eltern. Als Patenonkel kann ich die Kinder wiederum verwöhnen und es einfach genießen.

Sie sind gebürtiger Kölner und haben schon immer in Köln gelebt, mittlerweile in Sürth. Haben Sie schonmal darüber nachgedacht, wegzuziehen?

Ich hatte nie das Bedürfnis. Meine Familie und meine Freunde sind hier. Hier habe ich meine Frau kennengelernt. Köln ist Comedyhochburg schlechthin. Als ich „Switch“ geschrieben habe, hatte ich so einen Kreis von Autoren um mich herum. Ich war der einzige Kölner. Alle kamen her, um Comedy zu machen und ich hatte das Glück, nicht umziehen zu müssen.

Moritz Netenjakob schrieb 20 Jahre für die Kölner Stunksitzung

Wie haben Sie Ihre Frau kennengelernt?

Ich habe 20 Jahre für die Stunksitzung geschrieben, meine Frau war dort Regieassistentin. Ich sage immer, die Magie Harry Potters hat uns zusammengebracht. Ich hatte eine Harry-Potter-Parodie geschrieben. Er sollte Karneval an der Karnevalsakademie lernen. Als ich diesen Sketch beim Literatenabend vorgelesen habe, hat sich meine Frau in mich verliebt. Der Zusammenprall der deutsch-türkischen Familie ist eine Riesenbereicherung und hat viele Werke von mir hervorgebracht. In der Türkei falle ich außerdem gar nicht so auf. Wenn mein Schwager dabei ist, der blond ist und blaue Augen hat, denken alle, ich sei der Türke und er der Deutsche.

Sprechen Sie Türkisch?

Perfekt nicht, aber für Smalltalk reicht es. Ich habe ein paar Jahre die Volkshochschule besucht. Es ist eine sehr schöne Sprache, vorher kannte ich nur Französisch, Spanisch und Englisch. Das Türkische ist komplett anders aufgebaut. Es war schwer zu lernen, aber ich wollte einfach verstehen, wenn meine Frau mit Wahnsinnsemotionen telefoniert hat. Man denkt schon, da sei jemand gestorben, und dann hieß es: Nee, das T-Shirt war zu klein.

Sie waren kürzlich mit Christoph Maria Herbst auf Tour und Anfang November geht es weiter. Wie ist Ihre Beziehung zueinander und wie funktionieren Sie als Duo auf der Bühne?

Wir sind schon sehr lange befreundet. Christoph ist das Gegenteil seines Stromberg-Images und einer der warmherzigsten und einfühlsamsten Menschen, die ich kenne. Und natürlich ein exzellenter Schauspieler. Auf der Bühne gibt er auch mal gerne den arroganten und selbstherrlichen. Die Leute kommen zu 95 Prozent für ihn. Ich bin dann in der guten Position, weil ich sie überraschen kann. Christoph ist dann ein bisschen neidisch, weil die Erwartungen an ihn viel höher sind.

Die Premierenlesung findet am Donnerstag, 4. Sepetember, um 19.30 in der Volksbühne, Aachener Straße 5, statt. Eintritt: 24 Euro inkl. Gebühren.