Philipp Hüwel ist hauptamtlicher Pressesprecher der Polizei Köln und zählt zu den 140 besten von fast 80.000 DFB-Schiedsrichtern in Deutschland.
Copyright: Arton Krasniqi
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Besonderer Nebenjob: Philipp Hüwe ist Kommissar bei der Polizei Köln und zählt zu den 140 besten von fast 80.000 DFB-Schiedsrichtern in Deutschland.
Beruf und Nebenjob in Einklang zu bringen, ist nicht immer einfach. Früher ging es für Hüwe nach Dienstschluss direkt mit dem Zug zum nächsten Spielort.
Oft Spielverderber in beiden Jobs: Philipp Hüwe verrät die beliebtesten Ausreden, die er als Polizist und als Schiedsrichter hört.
Köln – Nachmittags noch stand Philipp Hüwe in Bremen auf dem Rasen, als Schiedsrichterassistent beim Drittliga-Spiel Werder II gegen Energie Cottbus. Am selben Abend patrouilliert der 29-Jährige in Uniform über die Kölner Ringe, als ihm und seinen Kollegen sechs oder sieben junge Männer auffallen. Die Polizisten beschließen, die Gruppe zu kontrollieren. Sie lassen sich die Ausweise geben. Einer der Männer sagt: „Mein Kumpel da hinten ist Fußballprofi bei Werder Bremen II.“ Überrascht schaut Hüwe auf: „Ach, dann habe ich dich heute gepfiffen.“
Zwei Jahre ist das jetzt her. Der Werder-Profi hatte sich nichts zu schulde kommen lassen an jenem Samstag – weder nachmittags auf dem Platz, noch abends beim Feiern. Für Kommissar Hüwe war es das erste und bisher einzige Mal, dass seine beiden Berufswelten so direkt aufeinandergeprallt sind.
Der 29-jährige hauptamtliche Pressesprecher der Polizei Köln zählt zu den 140 besten von fast 80.000 DFB-Schiedsrichtern in Deutschland – eine von der Behörde genehmigte Nebentätigkeit. Hüwe pfeift in der Regionalliga West und assistiert an der Linie bis hoch in die Zweite Liga sowie im DFB-Pokal.
Beruf und Nebenjob in Einklang zu bringen, ist für den gebürtigen Coesfelder nicht immer einfach. Vor dem Wechsel in die Pressestelle hat er vier Jahre im Streifendienst auf der Wache Ehrenfeld gearbeitet, Schichtdienst also. Oft ging es nach Dienstschluss direkt zum Bahnhof und mit dem Zug zum nächsten Spielort. Oder umgekehrt. „Das geht nur, wenn die Kollegen mitziehen und auch schon mal für mich einspringen. Das weiß ich zu schätzen, dafür kann ich mich nur bedanken.“
Philipp Hüwe in seinem Dress als Fußball-Schiedsrichter
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Philipp Hüwe ist Schiedsrichter, seit er 15 ist. Mit 17 pfiff er erstmals Herren-Spiele in den unteren Ligen. Die Spieler waren oft doppelt so alt wie er. „Da lernst du, dich durchzusetzen.“ Im Jugendbereich verdiente Hüwe 15 Euro pro Spiel. „Davon habe ich mir die Prepaid-Karten für mein Handy gekauft.“ Heute verdient er 1250 Euro pro Zweitliga-Einsatz, stand zuletzt beim Zweitligaspiel Dresden gegen Darmstadt an der Linie und voriges Jahr bei der DFB-Pokal-Partie Mönchengladbach gegen Rot-Weiß Essen.
Ziel ist die Bundesliga
Dass er jemals so weit kommen würde, hätte er nicht gedacht, sagt er. Aber jetzt will er auch nach ganz oben. Das Ziel ist die Bundesliga. Aber das Nadelöhr ist extrem eng. „Alle wollen in die Erste Liga. Auf den Lehrgängen sind wir alle auf einem ähnlich hohen Level. Es gehört einfach auch ein Quäntchen Glück dazu.“
Dabei wollte seine Mutter ihn als Jugendlichen eigentlich vom Pfeifen abhalten: Er sei zu sensibel, nicht durchsetzungsstark genug, fand sie. „Als Kind war ich eine Heulsuse“, bekennt der 29-Jährige freimütig. Beleidigungen nahm er persönlich, klare Ansagen zu machen lag ihm nicht. Also arbeitete er daran. Übte Mimik und Gesten vor dem Spiegel. Sprach mit seinem Spiegelbild. Stand jedes Wochenende auf dem Fußballplatz und wurde immer sicherer. „Der Schiri-Job hat mich sehr stark geprägt“, sagt Hüwel.
In beiden Jobs der Spielverderber
Ein hohes Durchsetzungsvermögen, eine starke Persönlichkeit, Konflikte lösen, Regeln durchsetzen, eine gute Fitness – all das seien Eigenschaften und Fähigkeiten, die auch einen guten Polizisten ausmachten, findet Hüwe. Dass er in beiden Jobs oft der Spielverderber sein muss, macht ihm wenig aus. „Es ist nun mal leider so: In beiden Tätigkeiten muss ich Menschen in ihren Rechten begrenzen.“ Ob nun einer beim Fahren das Handy ans Ohr hält oder die Blutgrätsche durchzieht. „Mit den Konsequenzen muss er dann leben.“
Beliebte Ausreden
Ausreden, die Hüwe als Polizist hört:
1. Ich stehe erst ganz kurz hier im Halteverbot.
2. Das regelt mein Anwalt
3. Haben Sie nichts Besseres zu tun?
Ausreden, die Hüwe als Schiri hört:
1. Komm schon Schiri, das war doch erst mein erstes Foul.
2. Schiri-Höhe! (Irrtum, das ein Einwurf stets in Höhe des Schiris ausgeführt werden darf)
3. Unsere Mauer steht viel zu weit weg.
Aber auch Schiedsrichter machen Fehler. Dann hilft nur ein offenes Visier, findet Hüwe. Als er vorige Woche bei einem Regionalliga-Spiel einen Freistoß pfiff, statt weiterlaufen und einem Spieler den Vorteil zu lassen, ärgerte er sich noch im selben Moment und signalisierte das auch der betreffenden Mannschaft. „Aber die meinten: Schon okay, ein ruhender Ball ist auch gut. Da war die Sache für mich in Ordnung.“
In Sekunden eine Entscheidung treffen
Kommunikation, Sprache, mit wenigen Worten die richtigen Informationen rüberbringen – all das muss auch ein guter Pressesprecher beherrschen. „Der kann in den meisten Fällen wenigstens noch mal kurz durchatmen oder sich mit Kollegen absprechen. Als Schiri steht man vielleicht noch ein Stück mehr im Fokus. Das ganze Stadion schaut auf dich, du musst in Sekunden die richtigen Entscheidungen treffen.“
Seit fünf Monaten arbeitet Philipp Hüwe auf der Pressestelle, hat mit dem Hambacher Forst, dem Erdogan-Staatsbesuch und der Geiselnahme am Hauptbahnhof aber schon drei Großeinsätze hinter sich.
Vieles will er sich in der nächsten Zeit von den erfahrenen Kollegen abgucken. „Diese unglaubliche Ruhe zum Beispiel, die mein Kollege Christoph Gilles vorige Woche bei der Geiselnahme vor den Kameras ausgestrahlt hat, die fand ich schon sehr beeindruckend“, sagt der 29-Jährige, der mit Flutlicht reichlich Erfahrung hat. Ans Scheinwerferlicht muss er sich erst noch gewöhnen.