Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

Anwalt angeklagtProzess um „Stasi-Richterin“-Beleidigung wegen Brechdurchfall vertagt

4 min
Das Kölner Amtsgericht verhandelt gegen einen bekannten Kölner Strafverteidiger.

Das Kölner Amtsgericht verhandelt gegen einen bekannten Kölner Strafverteidiger.

Der Beschuldigte war schon mehrfach nicht zu Prozessterminen erschienen. 

Er ist ein bekannter Strafverteidiger aus Kalk, vertrat in spektakulären Verfahren schon Mörder und Vergewaltiger. Doch ein Vorfall aus der Corona-Zeit brachte den Anwalt wegen Beleidigung von Polizisten selbst auf die Anklagebank. Hier fühlte er sich von der Richterin ungerecht behandelt – kurz darauf tauchten auf seiner Facebook-Seite Begriffe wie „Stasi-Richterin“ und „Rechtsbeugung“ auf. Das brachte ihm das nächste Verfahren ein. Das Gericht erwägt nun eine ärztliche Begutachtung.

Köln: Verfahren um Beleidigung von Polizisten als Auslöser

Als Auslöser der mutmaßlichen Beleidigungen gegenüber der Richterin gilt ein erstes Strafverfahren, das gegen den Juristen geführt wurde. Im Oktober 2023 hatte der Strafverteidiger eine Geldstrafe von 1950 Euro (30 Tagessätze zu je 65 Euro) erhalten, nachdem er Polizisten bei einem früheren Einsatz um Corona-Bestimmungen als „asozial“ bezeichnet haben soll. Er habe damit das „überzogene“ Verhalten der Polizisten bei dem Einsatz kritisieren wollen, so hatte der Anwalt damals argumentiert.

Er habe es als entwürdigend empfunden, dass die Polizisten ihn damals bei dem Einsatz in einer Kneipe durch „sein Viertel“ begleitet hätten, da er seinen Personalausweis nicht bei sich getragen hatte. Der Anwaltsausweis genügte den Polizisten zur Identitätsprüfung nicht. „Ich wurde von Anwohnern angesprochen, ob ich verhaftet worden sei“, hatte sich der Jurist echauffiert. Die Richterin ließ die „Asozial“-Aussage des Anwalts aber nicht als freie Meinungsäußerung durchgehen.

Alles zum Thema Amts- und Landgericht Köln

Kurz darauf waren mit Bezug auf das Verfahren auf der Facebook-Seite des Rechtsanwalts Begriffe wie „Stasi-Richterin hoch drei“ zu lesen. Der Staatsanwalt soll auf dem Internet-Account zudem in die Nähe von Anklägern in der Nazi-Zeit gerückt worden sein. Die mutmaßliche Facebook-Tirade verwunderte, zumal dem erfahrenen Strafverteidiger völlig bewusst sein musste, sich gegen ein in seinen Augen ungerechtes Urteil juristisch wehren zu können. Und das tat er in der Folge auch. In der Berufung wurde das Beleidigungsverfahren zum Nachteil der Polizisten gegen Geldauflage eingestellt.

Köln: Rechtsanwalt schob die Schuld auf seinen Praktikanten

Einem ersten Verhandlungstermin war der Rechtsanwalt ferngeblieben und hatte das mit einer Erkrankung während einer Tunesien-Reise erklärt. Die Richterin vertagte den Prozess daraufhin und ordnete für das nächste Mal eine polizeiliche Vorführung an. Im Streifenwagen abgeholt werden musste der Beschuldigte aber nicht – er tauchte im Mai tatsächlich zur Verhandlung auf.  „Die damalige Richterin war vielleicht 35 Jahre alt und kann mit der Stasi der DDR also gar nicht verbunden gewesen sein“, sagte der Rechtsanwalt damals.

Auch habe er die Begriffe gar nicht selbst verwendet. Ein Prozessbeobachter habe offenbar gegenüber einem Praktikanten der Kanzlei diese Gedanken geäußert. Und der habe sie dann unabgesprochen auf Facebook gesetzt. „Also war der Praktikant schuld?“, fragte die Staatsanwältin nach. So sehe es aus, bestätigte der Verteidiger. Den Namen des Praktikanten nannte der Anwalt aber nicht. Allerdings wurde der Prozessbeobachter als Zeuge benannt. Der soll zum nächsten Verhandlungstermin erscheinen und sich zu der neuen Version äußern.

Am Freitag sollte der Fall mit dem Zeugen endlich aufgeklärt werden. Doch auf der Anklagebank nahm nur Strafverteidiger Carsten Meyers Platz. Er präsentierte der Richterin ein Attest. Die Diagnose „Brechdurchfall“ war darauf zu lesen. Der Staatsanwalt grinste und sagte sinngemäß: Dann sei es wohl für alle besser, dass der Angeklagte fernbleibt. Der Ankläger deutete an, der Entschuldigung nicht wirklich zu glauben. In einem nicht-öffentlichen Rechtsgespräch berieten die Prozessbeteiligten dann das weitere Vorgehen.

Köln: Richterin prüft Einholung von psychiatrischem Gutachten

Die Richterin erklärte danach, dass sie nicht an allen Vorwürfen festhalten wolle. Der Begriff „Stasi-Richterin“ wird dem Vernehmen nach aber weiterhin als Beleidigung gewertet. Sie könne sich aber eine Einstellung gegen Geldauflage vorstellen. Dazu müsse der Angeklagte aber auch mal selbst erscheinen. Die Richterin will auch prüfen, einen psychiatrischen Gutachter einzuschalten – der könnte auch die diversen Schriftsätze bewerten, die der Anwalt im Vorfeld eingereicht hatte. Das Ergebnis könnte etwa eine verminderte Schuldfähigkeit sein.

Aus dem Schneider wäre der Rechtsanwalt bei einer Einstellung aber nicht. Im Januar steht schon der nächste Prozess um Beleidigung an. Hier wird dem Strafverteidiger vorgeworfen, einen bekannten Anwaltskollegen als Ratte bezeichnet zu haben. Laut Staatsanwaltschaft soll der Angeklagte dem Geschädigten auch unterstellt haben, Mitglied einer Terrororganisation zu sein, seine Mandanten zu verraten und mit dem Bundeskriminalamt zusammenzuarbeiten. Der Betroffene erstattete Anzeige.