Nach Mammut-ProzessDrach-Richter Bern will keine Mordfälle mehr und wechselt überraschend

Lesezeit 3 Minuten
Der Kölner Richter Jörg Michael Bern verlässt das Schwurgericht.

Der Kölner Richter Jörg Michael Bern verlässt das Schwurgericht.

Richter Jörg Michael Bern verlässt nach dem Urteil gegen Thomas Drach überraschend den Strafbereich des Landgerichts.

Der Strafbereich des Kölner Landgerichts muss einen herben Verlust in der Abteilung „Mord und Totschlag“  hinnehmen. Nach dem zweijährigen und kräftezehrenden Mammut-Prozess gegen den Reemtsma-Entführer Thomas Drach gibt der Vorsitzende Richter Jörg Michael Bern auf eigenen Wunsch hin den Vorsitz seiner Schwurgerichtskammer ab. Bern war seit etwa zwei Jahrzehnten Strafrichter und sucht nun im Alter von 62 Jahren nach einer neuen beruflichen Herausforderung.

Köln: Richter äußerte Wechselwunsch im vergangenen Herbst

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ übernimmt Bern die 5. Zivilkammer des Landgerichts vom bisherigen Vorsitzenden Stefan Singbartl, der zum Oberlandesgericht wechselt. Berns neue Kammer beschäftigt sich etwa mit Staatshaftung und Bausachen – zuletzt hatte sie einem Missbrauchsopfer der katholischen Kirche 300.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Auf Nachfrage spricht ein Gerichtssprecher von einer „herausfordernden Aufgabe“ für den 62-Jährigen.

Der Reemtsma-Entführer Thomas Drach kurz vor dem Urteil im Januar auf der Anklagebank im Landgericht Köln.

Der Reemtsma-Entführer Thomas Drach kurz vor dem Urteil im Januar auf der Anklagebank im Landgericht Köln.

Den Wechselwunsch habe der Richter im Herbst vergangenen Jahres geäußert. Zu diesem Zeitpunkt befand sich der Drach-Prozess bereits auf der Zielgeraden, das Urteil wurde Anfang Januar verkündet. Thomas Drach erhielt für drei Raubüberfälle auf Geldboten 15 Jahre Haft und Sicherungsverwahrung. Bern arbeitet mit seinen Beisitzern noch am schriftlichen Urteil, parallel läuft noch das Verfahren gegen Drachs mutmaßlichen Komplizen. Auch hier soll bald ein Urteil fallen.

Erst nach dem Abschluss des Drach-Komplexes kann sich Bern komplett seiner neuen Aufgabe widmen. Berns später Wechsel zurück in den Zivilbereich – hier war er in seiner Anfangszeit als Richter tätig – überrascht, da die meisten Richter den Vorsitz einer Schwurgerichtskammer bis zum Ruhestand ausüben. Der Posten gilt als Königsdisziplin im Strafbereich, man muss ihn sich dem Vernehmen nach verdienen. Die Strafkammer von Bern übernimmt nun Richter Alexander Fühling.

Disput mit Verteidiger im Kölner Drach-Prozess

Hört man sich am Justizzentrum um, können viele die Entscheidung von Jörg Michael Bern nachvollziehen, den Strafbereich zu verlassen. „Der Drach-Prozess war ein herausragendes Ereignis in seiner Karriere, in positiver wie negativer Hinsicht“, sagt ein Strafverteidiger. Bern trete nun „auf dem Höhepunkt“ ab. Das Hochsicherheitsverfahren gegen Drach fand bundesweit Beachtung, zum Prozessauftakt im Februar 2022 hatten sich Dutzende Journalisten, Fotografen und Kameraleute akkreditiert.

Mit der großen Aufmerksamkeit konnte Bern rechnen, kaum aber mit der exzessiven Konfliktverteidigung des Kölner Rechtsanwalts Wolfgang Heer, der jede sich bietende Möglichkeit nutzte, den Richter zu provozieren. Heer bezichtigte Bern mehrfach der Lüge und einmal despektierlich als „Entenmama“, da ihm die Beisitzerinnen und Schöffen „wie Küken“ gefolgt seien. Solche Dispute wird Bern im „gesitteten“ Zivilbereich zukünftig wohl nicht mehr ausfechten müssen.

Weitere spektakuläre Verfahren im Kölner Landgericht

Seit 2015 hatte Bern als Vorsitzender über Mörder und Totschläger geurteilt. Darunter vor fünf Jahren Maurice S. (damals 27), der in Dünnwald seinem Stiefvater mit einer Axt den Schädel gespalten hatte. Achteinhalb Jahre Haft wegen Totschlags lautete das Urteil, Bern sprach von einem „Vernichtungswillen“. Im gleichen Jahr schickte Bern eine Kölnerin, die ihre zweijährige Tochter mit einem Stöckelschuh erschlagen hatte, auf unbestimmte Zeit in die geschlossene Psychiatrie.

Zu einer lebenslangen Haftstrafe hatte Bern eine 47-Jährige verurteilt, die ihren Ehemann erstochen und zerstückelt hatte. Torso und Kopf wurden später in einem Fluss gefunden. Berns unaufgeregte Verhandlungsführung zeigte sich am Beispiel eines Islamisten. Der hatte für eine Messerattacke eine zehnjährige Haftstrafe erhalten und dem Richter daraufhin mit Vergeltung gedroht. Bern zuckte mit den Schultern und sagte lakonisch: „Okay, dann sehen wir uns in zehn Jahren wieder.“

KStA abonnieren