Karnevalsmord, Gift in Apotheke, die PochersDie spektakulärsten Strafprozesse im Jahr 2023

Lesezeit 18 Minuten
Amira und Oliver Pocher beim Betreten des Kölner Amtsgerichts, hinter ihnen steht ein Fernsehteam.

Amira und Oliver Pocher beim Betreten des Kölner Amtsgerichts.

2023 war die Kölner Justiz viel beschäftigt. Wir haben die spektakulärsten Fälle noch einmal zusammengefasst.

Ein Mordprozess nach 35 Jahren, eine tödliche Verwechslung in der Apotheke, ein Einbrecher bei den Pochers. Und viele weitere Verbrechen. Das waren die spektakulärsten Strafprozesse im Jahr 2023.

Januar 2023: Das Ehepaar Pocher trifft im Amtsgericht auf ihren Einbrecher

Von einer Trennung war zumindest öffentlich noch nicht die Rede, als Comedian Oliver Pocher und seine Ehefrau Amira Anfang des Jahres 2023 gemeinsam im Kölner Amtsgericht erschienen. Hier sagten sie gegen einen Einbrecher aus, der in das zeitweilige Zuhause des Promi-Paares eingedrungen war. Die Pochers lebten nach einem Flutschaden in der Villa von Sänger Pietro Lombardi im Hahnwald. Der Täter ließ eine teure Rolex und Schmuck im Gesamtwert von etwa 40.000 Euro mitgehen.

Amira und Oliver Pocher beim Betreten des Kölner Amtsgerichts, hinter ihnen steht ein Fernsehteam.

Amira und Oliver Pocher beim Betreten des Kölner Amtsgerichts.

„Wir wurden ausspioniert“, war sich der 44-Jährige sicher. „Auf den Punkt“ habe der Täter an jenem 20. Januar 2022 agiert, als die Eheleute sich mit den zwei kleinen Kindern im Erdgeschoss befunden hätten. Die Wertgegenstände hätten offen herumgelegen, da man in der Lombardi-Villa keinen Tresor zur Verfügung hatte, sagte Amira Pocher. Der Angeklagte behauptet, nur zufällig an dem Anwesen vorbei gekommen zu sein. Das glaubte der Richter nicht. Er verhängte anderthalb Jahre Haft – ohne Bewährung.

Alles zum Thema Amts- und Landgericht Köln

Hier lesen Sie mehr: Einbruch bei Familie Pocher – so lief der Auftritt im Zeugenstand.

Februar 2023: Guten Freund mit 140 Messerstichen getötet – Motiv unklar

Er hat einen guten Freund mit 140 Messerstichen getötet, doch das Motiv blieb bis zum Ende des Strafprozesses vor dem Landgericht unklar. Ein 25-jähriger Lagerist wurde wegen Totschlags zu elf Jahren Gefängnis verurteilt. Die Verteidiger hatten in ihrem Plädoyer von einer Affekttat gesprochen. Doch dagegen sprach laut Kölner Landgericht vor allem das perfide Nachttatverhalten des Angeklagten.

Der Angeklagte sitzt mit einer Mappe vor dem Gesicht zwischen seinen Verteidigern Maximilian Klefenz (l.) und Dawit Stefanos beim Prozessauftakt im Landgericht.

Der Angeklagte zwischen seinen Verteidigern Maximilian Klefenz (l.) und Dawit Stefanos beim Prozessauftakt im Landgericht.

Nachdem dieser Mitte Juni vergangenen Jahres seinen Freund in dessen Wohnung in Kalk mit einem Küchenmesser getötet hatte, wollte er seine Tat vertuschen. Der wahre Täter sei ein gewisser Nico, der sich zum Date mit seinem Mitbewohner verabredet habe. Diesen habe er noch begrüßt, sei dann zum Einkaufen gegangen. Bei seiner Rückkehr habe er die blutüberströmte Leiche seines Freundes entdeckt und um Hilfe gerufen. Nachbarn widerlegten das. Sie hatten schon viel früher Schreie vernommen und niemand sei ins Haus zurückgekehrt.

Hier lesen Sie mehr: Hohe Haftstrafe für den Täter – Eltern des Opfers quält Frage

Februar 2023: TV-Star wegen Nazi-Parole verurteilt

Der Influencer und Reality-TV-Star Henrik Stoltenberg (26, „Promis unter Palmen“, „Love Island“) wurde vor dem Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 15.000 Euro verurteilt – wegen der Äußerung einer Nazi-Parole und Volksverhetzung. Der 26-Jährige hatte laut Anklage „Heil Hitler!“ aus dem Fenster seiner Wohnung an der Zülpicher Straße gebrüllt. Später hatte er sich nach einem Club-Besuch abfällig über Menschen mit Migrationshintergrund geäußert. Beide Vorfälle hatten Polizisten mitbekommen.

Porträtfoto von Influencer und Reality-TV-Star Henrik Stoltenberg

Der Influencer und Reality-TV-Star Henrik Stoltenberg (26) wurde wegen Volksverhetzung und der Äußerung einer Nazi-Parole verurteilt.

„Das tut mir unfassbar leid“, sagte der Influencer, „ich bin der Letzte, der rassistisch ist“. Er behandle alle Menschen mit Respekt und sei kein Hetzer und „sowas wird nie wieder vorkommen“. Er sei kürzlich aus Köln weggezogen, da er realisiert habe, zu viel Party zu machen. Der Kölner Sender RTL beendete nach dem Urteil die Zusammenarbeit. Stoltenberg legte Berufung gegen das Urteil ein, akzeptierte die Strafe aber letztlich.

Hier lesen Sie mehr: So lief der Prozess gegen RTL-Star Henrik Stoltenberg

März 2023: Beliebter Gastwirt aus Weiden in seiner Kneipe erstochen

Die Stiche trafen den ganzen Körper von der Stirn bis zum Oberschenkel. Bei einem Stich auf die Schädeldecke brach die Messerspitze ab und blieb im Kopf hängen, ein anderer Stich durch den Rücken in die Lunge war tödlich. Für den grausamen Tod eines beliebten Gastwirts (76) aus Weiden musste sich ein 31-Jähriger vor dem Kölner Landgericht verantworten.

Ermittler der Spurensicherung arbeiten auf der Terrasse der Gaststätte.

Nach der Tat nahmen Ermittler der Spurensicherung die Arbeit am Tatort in Weiden auf.

Laut Anklage hatten der Beschuldigte und der Gastwirt sexuell miteinander verkehrt, das spätere Opfer soll dafür „als Gegenleistung geringfügige Geldbeträge“ bezahlt haben. Von je 20 Euro war die Rede. Die Richterin sprach von einem „absoluten Gefälle“ zwischen dem Täter und seinem Opfer – „intellektuell, finanziell, sozial und altersmäßig“. Einer Psychologin soll er gesagt haben, dass er den Wirt nicht habe töten wollen. Er habe nur gewollt, „dass es endet“. Die Richterin befand den psychisch kranken Mann als schuldunfähig und ordnete seine Einweisung in die Psychiatrie an.

Hier lesen Sie mehr: Kölner Wirt vor Theke getötet – Gericht erklärt Täter für schuldunfähig

März 2023: Erste Geldstrafen für Klimaaktivisten der „Letzten Generation“

Die ersten Kölner Strafprozesse gegen Aktivisten der „Letzten Generation“ starteten im März vor dem Amtsgericht. Mehrere Angeklagte wurden nach einer geplanten Straßenblockade auf der Inneren Kanalstraße wegen Nötigung im Straßenverkehr verurteilt. Die Aktion war jedoch kurz und auch schmerzhaft. Denn ein paar Handwerker, die im Stau standen, hätten „kurzen Prozess“ mit ihnen gemacht. „Einem wollte ich meine Motive erklären, aber der hat mich in hohem Bogen ins Gras geworfen“, sagte der Angeklagte.

Die Angeklagten mit Baby und Verteidiger Ingo Lindemann beim Prozess vor dem Kölner Amtsgericht.

Die Angeklagten mit Baby und Verteidiger Ingo Lindemann beim Prozess vor dem Kölner Amtsgericht.

Ein weiterer Aktivist sagte zu dem Klimaprotest: „Ich werde mich weiter beteiligen, bis die Gesellschaft das ernst nimmt oder man mich einsperrt.“ Mit der Begehung von Straftaten politische Ziele erreichen zu wollen, das gehe im Rechtsstaat nicht – auch bei redlichen Motiven, sagte die Richterin. Die beließ es am Ende aber bei milden Geldstrafen zu je 200 Euro.

Hier lesen Sie mehr: Kölner Klimaaktivisten mit Baby auf der Anklagebank

April 2023: Bewährungsstrafe für Stadionbesucher nach Ausschreitungen in Nizza

Mit zur Schau gestelltem Desinteresse präsentierte sich auf der Anklagebank im Amtsgericht ein Mann, der im Rahmen des Conference-League-Spiels des 1. FC Köln bei OGC Nizza in vorderster Reihe an den Ausschreitungen beteiligt war. Das Gericht verurteilte den Mann letztlich wegen Landfriedensbruch und versuchter Körperverletzung zu einem Jahr Haft auf Bewährung.

Der Angeklagte mit Verteidiger Christian Mertens im Kölner Amtsgericht. Er trägt eine „Boyz Köln“-Mütze.

Der Angeklagte mit Verteidiger Christian Mertens im Kölner Amtsgericht. Er trägt eine „Boyz Köln“-Mütze.

Im Stadion hatte der Angeklagte, der einen gelben Schal über Teile seines Gesichts gezogen hatte, einen schweren Absperrpfosten und eine Metallplatte in Richtung von konkurrierenden Nizza-Fans und auch Ordnern geworfen. Der FC-Ultra räumte die Gewaltaktionen ein, bezeichnete sie aber als Notwehr. Laut Anklage wurden zwei Personen getroffen, auch soll der Kölner auf einen am Boden liegenden Mann eingetreten haben. Bewiesen wurde das nicht.

Hier lesen Sie mehr: Nizza-Chaot nach Gewaltausbruch verurteilt – alle Details

Mai 2023: Freispruch im ersten neuen „Cold Case“-Prozess

Es war der erste einer Reihe von neu aufgerollten „Cold Cases“ und er endete vor dem Landgericht mit einem Freispruch. Denn die brutale Attacke mit einem Kegelpokal aus dem Jahr 1987, die einem Kölner fast das Leben kostete, ist verjährt. Der mittlerweile 56-jährige Angeklagte, ein langjähriger Brauhaus-Köbes, wurde nach sieben Monaten aus der Untersuchungshaft entlassen. Der Vorsitzende Richter Arne Winter sah einen versuchten Totschlag als erwiesen an, nicht aber einen versuchten Mord – nur letzterer verjährt nie.

Als freier Mann verlässt der Angeklagte (l.) das Landgericht mit seinem Verteidiger Jan Victor Khatib.

Als freier Mann verlässt der Angeklagte (l.) das Landgericht mit seinem Verteidiger Jan Victor Khatib.

„Man könnte die Meinung vertreten, es handele sich um eine Niederlage des Rechtsstaats“, sagte der Richter. Da sei ein Mann schwer verletzt worden, nie mehr auf die Beine gekommen und der Täter komme nun ohne Strafe davon. „Aber dieser Fall zeigt, dass der Rechtsstaat funktioniert.“ Man habe den Fall aufklären können, auch nach so vielen Jahren. „Kein Täter kann sich sicher sein, nicht doch noch irgendwann vor Gericht zu kommen“, führte Winter aus.

Hier lesen Sie mehr: Freispruch nach brutaler Attacke vor 36 Jahren – Richter widerspricht Staatsanwalt

Mai 2023: Richter mit skurriler Schießübung im Gerichtssaal

Mit einer kuriosen Schießübung hat ein Vorsitzender Richter vom Landgericht Köln für Aufregung gesorgt. Die Schussabgabe mit Platzpatronen erfolgte nämlich bei laufender Hauptverhandlung und mit Publikum im Gerichtssaal, ausgeführt von einem Polizisten. Bei der Waffe handelte es sich um einen Schießkugelschreiber. Hiermit hatte ein Mann mehrere Obdachlose verletzt.

Ein Schießkugelschreiber liegt neben Patronen auf einem Tisch.

Ein solcher Schießkugelschreiber war im aktuellen Fall vor dem Landgericht Köln die Tatwaffe.

Das sei ja eine ungewöhnliche Waffe, hatte der Richter in der Hauptverhandlung bekundet, daher wollte er diese in Augenschein nehmen. Ein Experte von der Polizei Köln sollte den Schießkugelschreiber daher mit ins Landgericht bringen. Auf Anregung des Richters wurde dieser mit Platzpatronen abgefeuert. Die Verwaltung des Landgerichts zeigte sich gar nicht begeistert von dieser Aktion.

Brisanz barg der Vorfall auch, da an dem Tag der Prozess um den Reemtsma-Entführer Thomas Drach lief. SEK-Beamte sichern hierfür das Gebäude mit Maschinenpistolen – auf den Schuss im Sicherheitsbereich hätten sie womöglich reagiert. Das Drach-Verfahren war aber außerplanmäßig früh beendet, das Spezialeinsatzkommando bereits abgezogen.

Hier lesen Sie mehr: Richter veranlasst Schussabgabe – Lauter Knall im Kölner Landgericht

Mai 2023: Kölnerin verheimlicht Schwangerschaft und setzt Baby aus

Eine Kölnerin verheimlichte ihre Schwangerschaft, brachte das Baby alleine auf einer Gäste-Toilette zur Welt und legte den Säugling schließlich draußen in Porz unter einem Baum ab. Der Junge überlebte völlig unterkühlt, das grenze an ein Wunder, sagte eine Gerichtsmedizinerin. Drei Jahre muss die Mutter für die Aussetzung ihres Kindes dafür ins Gefängnis, das urteilte das Kölner Landgericht.

Onur C. und sein Hund Bonez hocken auf dem Bürgersteig neben einem Baum.

Onur C. und sein Hund Bonez hatten das Baby unter einem Baum gefunden.

Gefunden hatte das in Tücher eingewickelte Kind ein Hund. Der hatte laut seinem Herrchen verdächtig lange an dem Bündel geschnuppert. Der Hundebesitzer hatte das Laken aufgewickelt, da sei ein Säugling zum Vorschein gekommen. „Ich habe Blut gesehen und die abgetrennte Nabelschnur war noch dran“, sagte Onur C. im Zeugenstand. Das Kind lebt heute in einer Pflegefamilie.

Hier lesen Sie mehr: Ausgesetztes Baby fast gestorben – keine Bewährung für die Mutter

Juni 2023: Horde tötet Familienvater – Höchststrafe im ersten Lynchmob-Prozess

Es war ein Gewaltexzess mitten in Höhenberg, ein regelrechter Lynchmord. Ein Familienvater wurde von einer Männerhorde abgepasst, aus seinem Auto gezerrt, geschlagen und getreten und letztlich mit einem Messer attackiert. Der Mann überlebte die Attacke nicht. In einem ersten Gerichtsprozess wurde einer der Beteiligten zu lebenslanger Haft verurteilt. „Das Geschehen lässt einen fassungslos zurück“, sagte die Vorsitzende Richterin Sabine Kretzschmar.

Der Angeklagte mit seinem Verteidiger Abdou Gabbar beim Prozess im Landgericht.

Der Angeklagte mit seinem Verteidiger Abdou Gabbar beim Prozess im Landgericht.

Aus einem nichtigen Anlass heraus sei ein Racheplan geschmiedet und letztlich auch ausgeführt worden. Hintergrund der Tat war eine Auseinandersetzung zweier rivalisierender Großfamilien und ein im Internet veröffentlichtes Video. Statt die dort geäußerten unsäglichen Schimpftiraden eines Alkoholisierten in Serbien einfach zu ignorieren, habe sich die geschmähte Seite zu einer Reaktion entschlossen. Da der Mann nicht greifbar gewesen sei, habe es dessen unbeteiligten Bruder getroffen.

Hier lesen Sie mehr: Richterin verhängt Höchststrafe im Kölner „Lynchmord“-Prozess

Juli 2023: „Pink Panther“-Überfälle – Haftstrafe für Juwelenräuber

Sechseinhalb Jahre Gefängnis, so lautete das Urteil für einen 35-jährigen Milos L., der dem Umfeld der berüchtigten „Pink Panther“-Bande zugerechnet wurde. Es war der Abschluss eines aufwändigen Hochsicherheitsprozesses mit bewaffneten Polizisten im Gerichtsgebäude und Helikopterflügen aus der JVA – wie bei Thomas Drach gab es Angst vor Befreiungsversuchen.

Der Angeklagte und sein Verteidiger Michael Hakner kurz vor der Verkündung des Urteils im Kölner Landgericht

Der Angeklagte und sein Verteidiger Michael Hakner kurz vor der Verkündung des Urteils im Kölner Landgericht

Überführt sei der Mann laut Richter im Fall eines Raubüberfalls auf einen Werttransporter im baden-württembergischen Esslingen im Jahr 2016. Auf einem Firmengelände hatten drei Täter zwei Boten bedroht und Armbanduhren und Schmuck von Schweizer Herstellern im Wert von rund 588.000 Euro erbeutet, die an Hehler verkauft wurden. Während die Komplizen bereits im Jahr 2017 zu langen Haftstrafen verurteilt worden waren, war Milos L. lange auf der Flucht. Als die Identität des Mannes bekannt war, spürten Ermittler ihn im September im spanischen Barcelona auf. Hier lebte er unbehelligt mit seiner Frau und der gerade erst geborenen Tochter.

Hier lesen Sie mehr: Mildere Haftstrafe im „Pink Panther“-Prozess – Affenfelsen-Foto aus Köln reicht nicht aus

Juli 2023: Junger Vater schüttelt sein Baby zu Tode

Drei Jahre Gefängnis, so lautete nach dem milden Jugendstrafrecht das Urteil für einen 20-Jährigen, der für den Tod eines fünfeinhalb Monate alten Säuglings verantwortlich ist. Das entschied das Landgericht, das Körperverletzung mit Todesfolge annahm – der Angeklagte hatte sein weinendes Baby brutal geschüttelt. Der Staatsanwalt hatte eine Verurteilung wegen Totschlags gefordert. Ein Tötungswille konnte dem Vater aber nicht zweifelsfrei nachgewiesen werden.

Der 20-jährige Kölner (hier im Landgericht mit seinem Anwalt Ingo Lindemann) wurde zu einer Haftstrafe verurteilt.

Der 20-jährige Kölner (hier im Landgericht mit seinem Anwalt Ingo Lindemann) wurde zu einer Haftstrafe verurteilt.

„Fälle, in denen ein Kind zu Tode kommt, sind immer schrecklich“, sagte die Vorsitzende Richterin. Wenn Eltern die Täter seien, dann stünde dahinter meist eine große Tragik. Doch der aktuelle Fall läge etwas anders. „Amira war kein Schreibaby“, so die Richterin. Und der Vater habe in der konkreten Situation auch nicht etwa stundenlang versucht, das Kind zu beruhigen. Er habe auch nicht unter Schlafentzug gelitten. Dessen damalige Überforderung sei daher nur schwer einzuordnen. Der Angeklagte nahm das Urteil noch im Gerichtssaal an.

Hier lesen Sie mehr: Junger Vater schüttelt sein Baby tot – „Das Weinen war für ihn schwer auszuhalten“

August 2023: Freund in Rhein gestoßen – „Schnapsidee“ führt Kölnerin ins Gefängnis

Es war laut Richterin buchstäblich eine „Schnapsidee“, die einer 30-jährigen Kölnerin vor dem Landgericht eine Gefängnisstrafe von zwei Jahren eingebracht hat. Die Angeklagte hatte einen guten Freund in den eiskalten Rhein gestoßen. Sie hatte bis zu 3,6 Promille Alkohol im Blut. Die Staatsanwaltschaft hatte zu Beginn des Verfahrens sogar einen versuchten Mord angenommen. Letztlich waren sich die Prozessbeteiligten einig, dass eine gefährliche Körperverletzung verwirklicht wurde, die milder bestraft wird.

Die Angeklagte mit Verteidiger Ingo Lindemann und Verteidigerin Monika Troll beim Prozessauftakt im Kölner Landgericht.

Die Angeklagte mit Verteidiger Ingo Lindemann und Verteidigerin Monika Troll beim Prozessauftakt im Kölner Landgericht.

So habe die Beschuldigte in völlig betrunkenem und auch aufgrund einer Borderline-Erkrankung euphorisiertem Umstand die lebensgefährlichen Folgen nicht bedacht. Der Gestoßene konnte gerettet werden, war mit 29 Grad Körpertemperatur aber völlig unterkühlt. Die Freunde hatten zuvor zwei Flaschen Wodka zusammen geleert und waren gemeinsam auf die Idee gekommen, im Rhein zu schwimmen. Nach dem Übersteigen einer Brüstung am Rheinufer im Bereich Heumarkt hatte es sich der Mann aber wieder anders überlegt. Ohne groß Nachzudenken habe die Angeklagte dann kräftig nachgeholfen. „Vorschubsen“ hatte diese es im Prozess genannt.

Hier lesen Sie mehr: Mann landete im eiskalten Rhein – so äußert sich die Täterin

September 2023: Mildes Urteil für Apothekerin nach tödlicher Verwechslung

Vergiftete Glukose sorgte für den grausamen Tod einer Schwangeren und ihres per Notkaiserschnitt auf die Welt gebrachtes Baby. Das Landgericht sprach von einer tödlichen Verwechslung und verurteilte eine Apothekerin aus Longerich wegen fahrlässiger Tötung und unterlassener Hilfeleistung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung. Ein vergleichsweise mildes Urteil.

Die angeklagte Apothekerin mit ihren Anwälten beim Prozessauftakt im Landgericht Köln.

Die angeklagte Apothekerin mit ihren Anwälten beim Prozessauftakt im Landgericht Köln.

Bei einem achtlosen Umschütten, das die Richterin als „absolutes No-Go“ bezeichnete, sei es zu dem tödlichen Versehen gekommen. Denn es waren die Reste eines Narkosemittelbehälters, den eine Mitarbeiterin zur Entsorgung bereitgestellt hatte, die im neuen Glukoseeimer landeten. Die beiden Gefäße sahen identisch aus, den Fehler hätte die Apothekerin aber laut Urteilsbegründung leicht erkennen können. „Man hätte schlicht das Etikett lesen müssen“, konstatierte die Vorsitzende.

Die Apothekerin soll später die Vermutung gehabt haben, wie die Schwangere vergiftet worden sein könnte. Das habe sie den Ärzten verschwiegen, bei Kolleginnen sprach sie von der Angst des Verlustes der Approbation. Zu einer Rettung von Mutter und Kind hätte eine Meldung aber laut einem Gutachten nicht beitragen können. Die Angeklagte hatte die Vorwürfe stets bestritten, die Verteidiger Freispruch gefordert – es läuft die Revision zum Bundesgerichtshof.

Hier lesen Sie mehr: Bewährung, kein Berufsverbot – darum kam die Apothekerin milde davon

September 2023: Eskalation im Drach-Verfahren: Richter wirft Anwalt raus

Mit einem fast schon einzigartigen Beschluss warf der Vorsitzende Richter Jörg Michael Bern den Kölner Strafanwalt Wolfgang Heer als Pflichtverteidiger aus dem Verfahren um Thomas Drach.  Heer sei immer wieder mit beleidigenden Kommentaren in Richtung Richter aufgefallen, zuletzt sei er diesem „bei fast jeder sich bietender Gelegenheit ins Wort gefallen“, erklärte Bern.

Rechtsanwalt Wolfgang Heer flog als Pflichtverteidiger aus dem Drach-Verfahren.

Rechtsanwalt Wolfgang Heer flog als Pflichtverteidiger aus dem Drach-Verfahren.

Der Pflichtverteidiger habe daher grob prozessordnungswidrig gehandelt und eine geregelte Prozessführung fast unmöglich gemacht. Dies ginge auch zulasten des Mandanten, der nicht ordnungsgemäß verteidigt sei. Noch während der Richter den Beschluss verkündete, packte Heer seine Sachen und verließ wortlos den Gerichtssaal. Später tauchte er wieder im Verfahren aus, wurde aber erneut rausgeworfen – Heer legte keine Vollmacht als Wahlverteidiger für den mutmaßlichen Drach-Komplizen Eugen W. vor.

Hier lesen Sie mehr: Richter schmeißt Anwalt aus Kölner Drach-Verfahren und erhebt schweren Vorwurf

September 2023: Familienvater tötet Geliebten im Königsforst mit 96 Stichen

Für die Tötung seines Kölner Geliebten wurde ein Familienvater aus dem Raum Hannover zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Der Angeklagte hatte seinen Freund im Königsforst bei Rath/Heumar mit 96 Messerstichen getötet. Nachdem das Opfer herausgefunden habe, dass der Angeklagte Frau und Kinder hatte, sei der Ton in der Affäre rauer geworden. Der Kölner habe auch immer wieder gedroht, seinen Freund bei dessen Familie zu outen.

Der Angeklagte mit seinem Verteidiger Mario Geuenich beim Prozess im Kölner Landgericht.

Der Angeklagte mit seinem Verteidiger Mario Geuenich beim Prozess im Kölner Landgericht.

Nach rund einem Jahr Beziehung sei im November vergangenen Jahres alles eskaliert. Bei einem Spaziergang im Königsforst sei es zum Streit gekommen. Nicht ausschließen wollte es die Richterin, dass das Opfer zunächst den Angeklagten mit einem Messer bedroht hatte. Das hatte dieser in seiner Einlassung im Prozess behauptet. Er habe dem Geliebten die Waffe aber entreißen können. Bei Ausführung der tödlichen Messerstiche „befand er sich nicht mehr in einer Notwehrsituation“, erklärte die Richterin. Die Leiche des 30-jährigen Opfers wurde erst einen Monat später entdeckt – gefroren und von Tieren angefressen.

Hier lesen Sie mehr: Mit Outing gedroht – Familienvater tötet Geliebten im Königsforst

September 2023: „Cold Case“-Prozess um Karnevalsmord an Petra Nohl startet

Mehr als drei Jahrzehnte war der brutale Mord an der jungen Mutter Petra Nohl ungeklärt, bis ein Zeuge die Ermittler auf eine heiße Spur brachte – mit einem Anruf in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY…ungelöst“ belastete er einen früheren Bekannten. Ein DNA-Abgleich mit Spuren an der Leiche sorgte für einen Treffer und für die Festnahme eines 56-jährigen Kölners.

Porträtfoto von Petra Nohl

Die Kölnerin Petra Nohl wurde im Februar 1988 brutal getötet.

Norbert K. soll dem Opfer nach einem Disco-Besuch in der Kölner Innenstadt gefolgt sein, sie hinter einem Imbissstand getötet haben. Die Leiche wurde am nächsten Morgen von Anwohnern entdeckt. Skurrile Szenen spielten sich danach ab, denn direkt am Tatort zogen die Schull- un Veedelszöch 1988 vorbei. Der Leichenwagen musste sich einreihen.

Der Angeklagte bestreitet die Tat, die die Staatsanwaltschaft als Raubmord deklariert. Die Verteidiger argumentieren, die DNA-Spuren könnten auch bei zufälligen Berührungen in der Diskothek übertragen worden sein. Und mehr Beweise gebe es nicht.

Hier lesen Sie mehr: „Cold Case“-Prozess in Köln gestartet – Zeugen haben Erinnerungsschwierigkeiten

Oktober 2023: Wende in Fall um Vergewaltigung im Park

Eine von der Staatsanwaltschaft angeklagte Vergewaltigung im Mülheimer Stadtgarten war offenbar erfunden. Das ergab eine Wendung im laufenden Strafprozess vor dem Kölner Landgericht. Der 23-jährige Beschuldigte soll mit der Anzeigenerstatterin über ein Drogengeschäft in Streit geraten sein. Die Frau wollte laut dessen Aussage Kokain mit sexuellen Dienstleistungen bezahlen.

Der Angeklagte mit Verteidiger Ingo Lindemann beim Prozessauftakt im Landgericht Köln

Der Angeklagte mit Verteidiger Ingo Lindemann beim Prozessauftakt im Landgericht Köln

Eskaliert sei die Situation laut Urteil, als die Beteiligten im Park gemerkt hätten, dass niemand ein Kondom dabei gehabt habe. Die Frau soll den Sex daraufhin verweigert haben, woraufhin der Angeklagte ihr verärgert ins Gesicht geschlagen habe. Die Verletzte konnte flüchten und in einer nahegelegenen Tankstelle die Polizei rufen. Von einem Drogendeal war dann keine Rede mehr. In der Anklageschrift klang das ganz anders. Demnach soll der Beschuldigte die Frau mit einer Eisenstange bedroht und zum Oralverkehr genötigt haben. Der Richter bewertete die Aussage der Frau im Zeugenstand als insgesamt nicht glaubhaft.

Hier lesen Sie mehr: Anklage sprach von Vergewaltigung im Kölner Park – Wende beim Prozess

November 2023: Türsteher prügelt Mann zum Pflegefall und spricht von Notwehr

Wie von Sinnen soll ein Türsteher in der Nähe des Barbarossaplatzes auf einen Mann eingeschlagen und -getreten haben – nachdem der vor einer Diskothek Reizgas in eine Menge gesprüht hatte. „Als der Geschädigte sich aufrichten wollte, trat er ihm noch einmal gezielt gegen den Kopf“, so die Staatsanwältin beim laufenden Prozess über den Angeklagten. Ein paar Schritte habe das Opfer noch laufen können, sei dann aber zusammengebrochen.

Der Angeklagte mit seinen Verteidigern Christopher Posch (l.) und Tamer Yaikin im Kölner Landgericht

Der Angeklagte mit seinen Verteidigern Christopher Posch (l.) und Tamer Yaikin im Kölner Landgericht

Im Rettungswagen sei der 32-Jährige reanimiert worden. Nach zwei Monaten habe er die Intensivstation verlassen können. Seither sei der Mann in einer Spezialklinik untergebracht. Die Schädigung am Hirngewebe mache es dem Geschädigten unmöglich, sich sprachlich zu äußern. Aufgrund einer schweren Schluckstörung müsse er durch eine Magensonde ernährt werden.

Der Angeklagte sieht sich aber auch in der Opferrolle. So sei er bei dem Reizgasangriff erheblich an den Augen verletzt worden. Er habe den Angreifer nur festnehmen und der Polizei übergeben wollen. Doch bei der körperlichen Auseinandersetzung habe der Mann laut Posch erneut mit dem starken Tierabwehr-Spray gesprüht und den Mandanten auch übel beleidigt. Der Angeklagte habe nicht auf den Kopf seines Kontrahenten gezielt.

Hier lesen Sie mehr: Kölner zum Pflegefall geprügelt – jetzt äußert sich der Türsteher

Dezember 2023: Freispruch für Kölner Polizisten

Mit einem glasklaren Freispruch endete im Kölner Landgericht der spektakuläre Prozess gegen mehrere Polizeibeamte nach einem letztlich tödlich verlaufenen Einsatz im Kölner Stadtteil Bickendorf. Den Angeklagten wurde vorgeworfen, einen pöbelnden Anwohner mit übermäßiger Gewalt zu Boden gebracht und weiter misshandelt zu haben. Dem war laut dem Urteil nicht so. Im Gegenteil: Die Beamten hätten sich laut Richterin völlig rechtmäßig verhalten. Der 59-jährige Anwohner hatte Rippenbrüche erlitten und starb zwei Monate später, weil er auf eine weitere ärztliche Behandlung verzichtet haben soll.

Die Polizisten standen unter anderem wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung im Amt vor dem Kölner Landgericht.

Die Polizisten standen unter anderem wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung im Amt vor dem Kölner Landgericht.

Einer der angeklagten Beamten fing direkt nach der Urteilsverkündung hemmungslos an zu weinen, im Zuschauerraum kam es zu Jubel und Applaus. „Wir unterbrechen mal kurz“, sagte die Vorsitzende Richterin Sabine Kretzschmar. Auf dem Gerichtsflur fielen sich Angeklagte und Angehörige in die Arme, eine Riesenlast schien von diesen abzufallen. Seit zweieinhalb Jahren schwebte zu diesem Zeitpunkt das Damoklesschwert über den suspendierten Beamten.

Hier lesen Sie mehr: Freispruch für Polizisten nach umstrittenem Einsatz in Köln

Dezember 2023: Frau in Kölner WG zu Tode gequält

Ein schreckliches Martyrium überlebte eine junge Frau in einer Wohnung im Kölner Stadtteil Höhenberg nicht. Der Ex-Freund und weitere Mitbewohner sollen das Opfer immer wieder schwer misshandelt haben. Den vier Personen wird aktuell vor dem Landgericht der Prozess gemacht, ihnen wird Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen, zuletzt sprach die Richterin sogar von einer möglichen Verurteilung wegen Mordes.

Das Medieninteresse war groß beim Prozessauftakt im Kölner Landgericht.

Das Medieninteresse war groß beim Prozessauftakt im Kölner Landgericht.

„Sie musste um Erlaubnis bitten, wenn sie essen, trinken oder auf Toilette gehen wollte“, heißt es in der Anklage. Auch habe die junge Frau sich vor den Mitbewohnern niederknien und den Boden ablecken müssen. Das Opfer erlitt zuletzt Knochenbrüche, hatte großflächige Hämatome am ganzen Körper. Einen Arzt habe niemand gerufen.

Die Taten fielen erst auf, nachdem eine Bekannte des Opfers die Polizei eingeschaltet hatte. Polizisten suchten daraufhin die Wohnanschrift auf. Auf einem Sofa in der Wohnküche der Wohnung, unter einer Wolldecke liegend, fanden sie die schwer malträtierte Frau. Eine Polizistin: „Ich war total schockiert.“ Im Krankenhaus verschlechterte sich der Zustand der 21-Jährigen weiter, sie lag im Koma, verstarb wenige Wochen später.

Hier lesen Sie mehr: WG-Mitglieder sollen Mitbewohnerin gequält haben – wie Sklavin behandelt

Dezember 2023: Kölner mit Küchenmesser getötet und in Gully gesteckt

Es war eine Horrorszene, die ein Schüler am Dienstag in Saal 32 des Kölner Landgerichts beschrieb. Auf dem Weg nach Hause entdeckte der 19-Jährige vergangenen März an einer Straße einen offen stehenden Gully, aus dem die Füße eines Toten ragten – der Rest der Leiche war mit Kies bedeckt. Laut Staatsanwaltschaft wurde der Mann von seinem Mitbewohner erstochen.

Der Angeklagte mit seinem Verteidiger Peter Syben beim Prozessauftakt

Der Angeklagte mit seinem Verteidiger Peter Syben beim Prozessauftakt

Nach der Obduktion der Leiche war klar, dass der Mann mit 25 Messerstichen in Hals und Rücken getötet wurde. Verantwortlich dafür soll der damalige Mitbewohner des Verstorbenen sein. Laut Anklage soll dieser ausgerastet sein, nachdem sein Bekannter ihn aus dessen Wohnung im Porzer Stadtteil Langel werfen wollte. Zunächst habe der Täter sein Opfer geschlagen und ihm gegen den Kopf getreten. Der 46-jährige Wohnungsinhaber verlor laut Staatsanwältin das Bewusstsein, spätestens dann soll der Angeklagte (41) den Entschluss gefasst haben, seinen Bekannten zu töten. Der Prozess läuft aktuell noch.

Hier lesen Sie mehr: Kölner (46) getötet und in Gully gesteckt – das sagt der beschuldigte Mitbewohner

KStA abonnieren