Mord im „No Name“Kölner Rocker-Prozess muss wiederholt werden – Anwalt übt Kritik

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In der Kneipe „No Name“ in Nippes wurde im November 2015 ein Mann erschossen.

Köln – Der äußerst aufwändig geführte Mordprozess um die tödliche Schießerei in der Nippeser Kneipe „No Name“ muss vor dem Landgericht Köln wiederholt werden. Der Bundesgerichtshof rügte das Urteil der Strafkammer von Richter Jörg Bern, der derzeit mit dem Reemtsma-Entführer Thomas Drach beschäftigt ist. Verteidiger Frank Hatlé fordert nun sogar die Haftentlassung eines Beschuldigten.

Köln-Nippes: Überfallkommando tötete 29-Jährigen

Wie ein Überfallkommando hatten mehrere Männer mit Rocker-Hintergrund im November 2015 das Lokal an der Neusser Straße gestürmt. Es fielen Schüsse, mehrere Personen wurden verletzt, ein 29-Jähriger fiel tödlich getroffen vom Barhocker. Wie sich später herausstellte, handelte es sich bei der Tat um einen Vergeltungsschlag für einen zuvor von den Opfern begangenen Einbruch.

Die mutmaßlichen Haupttäter hatten sich nach der Tat in die Türkei abgesetzt, darunter Erkan A., früherer Anführer der Kölner „Hells Angels“. Das Landgericht hatte daher nur gegen drei mögliche Komplizen verhandelt. Während einer der Angeklagten eine Haftstrafe von zwölf Jahren wegen Mittäterschaft akzeptierte, hatten zwei weitere Beschuldigte mit ihrer Beschwerde beim BHG Erfolg.

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Bundesgerichtshof sieht keine Beihilfe zum Mord

Wegen Beihilfe zum Mord hatte das Kölner Gericht einen damals 31-Jährigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren Gefängnis verurteilt, nachdem der Beschuldigte die eigentlichen Mörder bei deren Tatausführung unterstützt habe. Er soll am Eingang des „No Name“ einen Zeugen bewacht haben, sodass die Täter in der Kneipe ungehindert zuschlagen konnten.

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Beim Prozess hatte der Angeklagte über Verteidiger Hatlé aber vehement bestritten, in die mutmaßlichen Mordpläne eingeweiht gewesen zu sein. Er sei lediglich von einer Einschüchterung oder leichten körperlichen „Abreibung“ ausgegangen. Von einer Beteiligung am Mordkomplott sah sich der BGH nun auch nicht überzeugt, zumindest nicht anhand der Feststellungen des Landgerichts.

So habe der Angeklagte zwar durchaus Schüsse wahrgenommen, den tödlichen allerdings nur akustisch. Da der Überfall nur etwa zwei Minuten gedauert hat, habe der Komplize das Ausmaß der Tat auch nicht unbedingt rechtzeitig realisieren können. Der Sachverhalt muss nun neu verhandelt werden, möglich erscheint nun auch eine Verurteilung lediglich wegen Beihilfe zur Körperverletzung.

Angeklagter sitzt seit Anfang 2019 in U-Haft

Da die Straferwartung im neuen Prozess nun offenbar gesunken ist, kritisiert Verteidiger Hatlé in dem Zusammenhang, dass sein Mandant nicht aus der U-Haft entlassen wurde, in der dieser sich seit Anfang 2019 befindet. Ein weiterer Beteiligter am Überfall hatte lediglich fünfeinhalb Jahre Haft erhalten – doch auch diese Entscheidung hatte der BGH als fehlerhaft zurückgewiesen.

Das Landgericht muss den gesamten Komplex nun neu aufrollen. Wiederholt werden muss auch die Zeugenaussage von Ibrahim K., der in der Türkei wegen einer Schießerei mit vier Toten zu 43 Jahren Gefängnis verurteilt worden war. K. war nach Genehmigung der türkischen Behörden per Video zum Kölner Prozess zugeschaltet worden und hatte die Hauptschuld teilweise auf sich genommen.

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