Stichwahl um Kölns OB-AmtSo kämpfen Reker und Kossiski auf der Straße um Stimmen

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Henriette Reker auf der Neusser Straße in Nippes.

  • Am 27. September findet in Köln die Stichwahl zwischen Henriette Reker und Andreas Kossiski statt.
  • Henriette Reker suchte in Nippes die Nähe zu den Wählern. Andreas Kossiski sprach mit Bürgern auf dem Maternusplatz in Rodenkirchen.
  • Welche Strategien verfolgen die beiden Kandidaten für die Stichwahl? Der Endspurt im Wahlkampf.

Köln – „Und gehen Sie wählen“ – diese Bitte gibt Henriette Reker jeden auf den Weg, den sie auf der Neusser Straße in Nippes trifft. Dass sie Oberbürgermeisterin ist, ist fast allen bewusst, die sie dieser Tage auf etlichen Terminen in der ganzen Stadt trifft. Dass sie derzeit daran arbeiten muss, es auch weiter zu bleiben, offenbar nicht. „Es kommt darauf an, die Menschen zu mobilisieren und sie an die Wahlurne zu bringen. Man muss darauf aufmerksam machen, das es überhaupt eine Stichwahl gibt. Manchen ist das nicht so klar“, hat die parteilose Amtsinhaberin, die von Grünen und CDU unterstützt bemerkt.

Sehr klar ist den Menschen auf der wuseligen Neusser Straße, wer sich hinter dem blauen Mund-Nase-Schutz verbirgt. Reker muss nicht lange nach Gesprächspartnern suchen, und die Unterhaltungen laufen in Nippes zumeist harmonisch. Bessere Bedingungen für den Radverkehr, Klimawandel, Umweltschutz, das ist hier vielen Menschen wichtig, und das sind auch die Themen mit denen Reker hier glänzen möchte. In Nippes haben die Grünen bei der Ratswahl fast 39 Prozent der Stimmen geholt. Bei der OB-Wahl kam Reker hier zwar wie im Stadtdurchschnitt auf rund 45 Prozent. Aber andere OB-Kandidaten für das Spitzenamt, die ebenfalls für Klima-Themen standen, haben überdurchschnittlich abgeschnitten. Diese Wähler möchte Reker auf ihre Seite ziehen. „Ich habe immer Rechtfertigungsdruck. Aber mir geht das alles auch nicht schnell genug“, sagt Reker einem Passanten, der sich darüber beklagt, dass es im Veedel und in Köln zu wenig Fahrradstraßen gibt. Ein anderer schlägt in dieselbe Kerbe. „Bitte setzen Sie endlich die Verkehrswende um“, ruft er Reker zu.

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Nach einem Besuch des Stands der Grünen an der Neusser Straße, schlendert sie gemütlich in Richtung autofreier Siedlung, die nur wenige Minuten entfernt ist. Dort wird sie klassischen Wahlkampf an der Haustür machen: klingeln, sprechen, werben, sagt ihr Team. „Mir macht es Spaß, jetzt noch mal Straßenwahlkampf zu machen. Das habe ich sehr wenig machen können, weil ich ja auch für die Geschicke der Stadt verantwortlich bin“, sagt die Oberbürgermeisterin. Angst habe sie dabei keine, nachdem sie beim OB-Wahlkampf vor fünf Jahren auf dem Wochenmarkt in Braunsfeld von einem Rechtsextremisten niedergestochen wurde. „Es ist ja im Grunde nicht schlimmeres passiert. Ich bin ja wieder gesund“, erklärt sie. Enger Kontakt zu fremden Menschen, Passanten, die um sie herum eilen, all das mache ihr nichts aus. Die Polizei ist dennoch genau über den Tagesablauf Rekers informiert.

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Derweil winkt sie Gästen zu einer Kneipe herüber, ab und an kommt jemand auf sie zu und möchte ein Foto mit ihr machen. Wenn es ihr gelänge, die Menschen zum Wählen zu bewegen, „bin ich guter Dinge, dass ich die Wahl gewinnen werde“.

Andreas Kossiski im Straßenwahlkampf – Möglichst viele Menschen erreichen

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Andreas Kossiski auf dem Maternusplatz in Rodenkirchen.

Das freundlich knappe „Morgen“ zur Begrüßung wird Andreas Kossiski innerhalb einer Stunde an die 150 Mal gesagt haben auf dem Maternusplatz in Rodenkirchen. Der OB-Kandidat der SPD möchte mit den Passanten ins Gespräch kommen. Er hat wenige Tage vor der OB-Stichwahl eine klare Botschaft zu überbringen, die er immer wieder betont: „Es ist noch nichts entschieden. Alles steht wieder auf Null.“

Im Wahlkampf, den Kossiski kurz vor der Stichwahl am kommenden Sonntag betreibt, liegt die Betonung auf der zweiten Silbe: Kampf. „Wir möchten nochmal in möglichst vielen Stadtteilen möglichst viele Menschen erreichen“, sagt der Sozialdemokrat. „Wir waren an Orten, da haben uns die Leute gesagt: »Hier war noch nie ein Politiker«“, so Kossiski. Auf Rodenkirchen trifft das nicht zu. Aber auch hier zeigt sich, dass der Kandidat das Rennen um die Stadtspitze längst nicht aufgegeben hat. Denn Rodenkirchen ist für ihn schwieriges Terrain. Grüne und CDU, die Henriette Reker unterstützen, sind hier bei der Ratswahl auf fast 58 Prozent der Stimmen gekommen, die SPD auf knapp 19,54 Prozent. Also fast zehn Prozent mehr als im stadtweiten Durchschnitt haben für Reker als Oberbürgermeisterin gestimmt.

„Haben Sie Fragen zur OB-Wahl?“, spricht Kossiski freundlich ein älteres Paar am Rand des Markts an. „Absolut nein“, blafft die Frau zurück und zieht ihren Mann mit sich. Aber er kommt auch immer wieder ins Gespräch mit den Passanten, spricht über die Gesamtschulsituation in Rondorf, die Sanierung von Oper und Schauspielhaus, den Öffentlichen Nahverkehr. Eine Seniorin spricht Kossiski direkt an. „Ich wollte einfach mal hin, weil ich dachte, »Dat isser doch«“, sagt sie, da sei sie sich nicht ganz sicher gewesen. Kossiskis Gesicht ist auch jetzt noch nicht jedem geläufig, was ein nicht zu unterschätzender Nachteil gegenüber der Amtsinhaberin ist. Vielleicht hat er in Rodenkirchen auch deshalb auf einen Mund-Nase-Schutz verzichtet.

Neben dem Markt stehen die Stände von SPD, Grünen und CDU nur fünf Meter nebeneinander. Es werden Broschüren verteilt, Kugelschreiber, Luftballons – Straßenwahlkampf der alten Schule, der in Corona-Zeiten kaum stattfand. Kossiski plaudert an jedem Stand mit Parteimitgliedern, vor allem aber sucht er unablässig das Gespräch mit den Leuten, er bleibt kaum eine Sekunde stehen, wenn er nicht spricht. Irgendwann streift er über den Wochenmarkt, redet mit Händlern wie Einkäufern.

Nach dem Markt in Rodenkirchen besucht er eine Kundgebung für Artenschutz, geht nach Lindenthal auf die Dürener Straße und zu einem Kneipen-Talk in Niehl. „Wir sind jeden Tag, von morgens bis abends unterwegs“, sagt Kossiski. „Wir müssen die Menschen eben an die Urne bringen“, sagt er, „unser Wahlprogramm steht“.

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