„Deutliche Zweifel“Verurteilte Teilnehmerin einer Kölner Corona-Demo geht in Berufung

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Demonstrationsteilnehmer einer Demonstration gegen die Corona-Schutzmaßnahmen.

Die Angeklagte hatte im Jahr 2020 an einer Demonstration wie diese in Köln gegen die Corona-Schutzmaßnahmen teilgenommen. (Archivbild)

Eine 49-Jährige hat 2020 gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert und wurde verurteilt. Die Polizei-Beweise könnten jedoch zum Problem werden.

„Mehrere Hundert Menschen haben am Samstagnachmittag unangemeldet und lautstark gegen die Corona-Schutzmaßnahmen demonstriert“, teilte die Kölner Polizei am 9. Mai 2020 mit. „Ohne den Mindestabstand einzuhalten und ohne Mundschutz, dafür aber teilweise mit ihren Kindern, liefen die Teilnehmer gegen 17.15 Uhr von der Schildergasse aus zum Neumarkt, weiter zum Rudolfplatz und über die Ringe bis zum Bahnhofsvorplatz und Roncalliplatz.“

In der Folge wurden zwei Teilnehmerinnen, heute 49 und 26 Jahre alt, wegen des Vorwurfs angeklagt, sie hätten gegen das Versammlungsgesetz verstoßen. Im Juli 2021 fand vor dem Amtsgericht der Prozess statt. Die Ältere wurde zu 300 Euro Geldstrafe auf Bewährung verurteilt, die Jüngere freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein, ebenso die 49-Jährige.

Corona-Demo in Köln: Rolle als „Versammlungsleiterin“ fragwürdig

Am Mittwoch begann im Landgericht vor zahlreichen Zuschauern, von denen offenbar die meisten den Angeklagten die Daumen drückten, die Verhandlung. Begonnen hatte es an jenem Samstag mit einer Kundgebung auf dem Roncalliplatz. Aus der Mitte der Versammlung rief ein Mann zum spontanen Umzug durch die Innenstadt auf.

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Die Frauen wurden angeklagt, weil sie sich, versehen mit Plakaten, auf denen unter anderem „Keine neue Normalität“, „Kein Impfzwang“ und „Grundrechte schützen“ stand, an die Spitze des Zuges gesetzt haben sollen. Kam ihnen deshalb die Funktion „faktischer Versammlungsleiterinnen“ der unangemeldeten Demonstration zu?

Köln Corona-Demo: Waren die Videos der Polizei rechtmäßig?

Im Fall der jüngeren Angeklagten verneinte Thomas Quast, Vorsitzender der 3. Kleinen Strafkammer, in seiner ersten Einschätzung die Frage. Was die Ältere angeht, sprach er von „deutlichen Zweifeln“. Gravierender sei das Problem, ob die polizeilichen Videoaufzeichnungen von der Demonstration rechtmäßig gewesen sind.

Das Versammlungsgesetz legt fest, dass die Polizei Bild- und Tonaufnahmen von Teilnehmern bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen nur anfertigen darf, „wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen.“

Nach seiner Überzeugung sei es seinerzeit nicht so gewesen, sagte Quast; treffe dies zu, folge daraus ein Beweisverwertungsverbot. Oberstaatsanwalt Christian Mülfarth sagte zum einen, die leitende Rolle der Angeklagten bei der Demonstration sei nicht auszuschließen. Zum anderen müssten die „konkreten Umstände“ der Videoaufzeichnungen „erforscht“ werden.

An einer Beweisaufnahme führe kein Weg vorbei. Der Anregung Quasts, die Berufung im einen Fall zurückziehen und im anderen das Verfahren ohne Auflagen einzustellen, mochte er nicht folgen. Quast gab zu bedenken, man habe es hier „nicht mit Mord und Totschlag“ zu tun, sondern mit etwas, das „an der untersten Skala der Strafbarkeit angesiedelt“ sei. Zunächst soll nun die Staatsanwaltschaft klären, warum das Geschehen gefilmt wurde. An die Angeklagten gewandt sagte Quast: „Seien Sie geduldig.“

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