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„Hochgefährliches Geschehen“Kölner stürzte vor Linie 9 – Wende in Prozess um versuchten Mord

Lesezeit 3 Minuten
Im Bereich Zülpicher Platz ereignete sich der Vorfall mit der Linie 9.

Im Bereich Zülpicher Platz ereignete sich der Vorfall mit der Linie 9.

Der Lehramtsstudent war wegen versuchten Mordes angeklagt, ihm drohten viele Jahre Gefängnis.

Mit einer überraschenden Wendung endete am Montag im Kölner Landgericht der Prozess gegen einen Studenten, der laut Anklage einen Mann am Zülpicher Platz vor eine einfahrende Straßenbahn geschubst hatte. Statt einer langjährigen Haftstrafe wegen versuchten Mordes verhängte die Schwurgerichtskammer nur eine Verwarnung – da letztlich auch ein versehentlicher Rempler des Angeklagten nicht ausgeschlossen werden konnte.

Köln: Mann fast von einfahrender Straßenbahn überfahren

Im November vergangenen Jahres hatte sich der Lehramtsstudent vor der DM-Filiale am Zülpicher Platz aufgehalten. Als die Linie 9 einfuhr, stürmte der 30-Jährige in Richtung Bahnsteigkante und erwischte einen dort wartenden Mann. Der stürzte auf die Gleise – und hätte vermutlich nicht überlebt, wenn der KVB-Fahrer nicht geistesgegenwärtig eine Vollbremsung eingeleitet hätte.

Die Staatsanwaltschaft hatte Zeugenaussagen so gewertet, dass der Student den Mann absichtlich vor die Bahn geschubst habe. Davon rückte der Ankläger in seinem Plädoyer ab. So hatte ein Zeuge im Prozess seine Aussage relativiert. Der hatte bei der Polizei berichtet, der Angeklagte habe den Mann mit beiden Händen gestoßen. Gesehen habe er das aber doch nicht, sondern lediglich vermutet – aufgrund der Wucht, mit der der Mann auf die Gleise befördert worden sei.

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Köln: Student stand unter Drogen- und Alkoholeinfluss

„Wir können am Ende nicht ausschließen, dass sich der Angeklagte auch einfach den besten Platz zum Einsteigen sichern wollte“, so der Staatsanwalt. Auch deshalb könnte der Mann zum Bahnsteig gerannt sein und noch einen Bogen um weitere wartende Fahrgäste gemacht haben.

Nach dem Vorfall hatte sich der Angeklagte sofort entschuldigt, dann sei er in die Bahn gestiegen, „um zum Mittagessen in die Mensa zu fahren“. Auch das lasse eher auf ein Versehen und keinen vorangegangenen Mordversuch schließen, so der Staatsanwalt. Das Verhalten des Mannes sei auch mit seinem geschilderten Drogenkonsum vereinbar, etwa im Hinblick auf seine Unachtsamkeit oder Realitätswahrnehmung. Der 30-Jährige habe sich nach der Trennung von seiner Freundin in einer Lebenskrise befunden und täglich Alkohol, Cannabis und illegal erworbene Medikamente konsumiert, hatte der Angeklagte ausgesagt.

Köln: Gericht belässt es bei einer Verwarnung mit Auflage

Der Staatsanwalt und auch das Gericht gingen letztlich von einer fahrlässigen Tatbegehung aus, zumal auch gar kein Motiv für ein absichtliches Stoßen zu erkennen gewesen sei. Die Kammer sprach eine Verwarnung aus und setzte eine Geldstrafe zur Bewährung aus – auch, um die Möglichkeit zu haben, eine Therapieauflage zu erteilen. Verweigert der Angeklagte eine Drogen- und Psychotherapie, muss er die vorbehaltene Geldstrafe von 1350 Euro (90 Tagessätze zu je 15 Euro) bezahlen.

Die Vorsitzende Richterin Sibylle Grassmann sprach von einem „hochgefährlichen Geschehen“, das Opfer leide darunter sehr. Der Staatsanwalt hatte zuvor von einer Nahtoderfahrung gesprochen. Im Rahmen eines Täter-Opfer-Ausgleichs hatte der Angeklagte bereits 2000 Euro Schmerzensgeld an den Geschädigten gezahlt. Der Beschuldigte wurde nach dem Urteil aus der Untersuchungshaft entlassen. Für die Haftzeit wird er entschädigt.