AWB-Chef über Müllberge nach 11.11.„In Grünflächen müssen wir jede Scherbe einzeln aufheben“

Lesezeit 7 Minuten
Thomas Thalau ist Geschäftsführer der Kölner Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB).

Thomas Thalau ist Geschäftsführer der Kölner Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB).

Thomas Thalau ist Chef der AWB. Im Interview spricht er über die Sauberkeit rund um den Dom, die Karnevalsfolgen und die Pflicht-Biotonne.

Wie ist Ihr Eindruck von der Sauberkeit in Köln?

Thomas Thalau: Ganz objektiv betrachtet ist die Sauberkeit in Köln absolut in Ordnung. Erfahrungen anderer Städte zeigen, dass Bürger oftmals ihre eigene Stadt für besonders schmutzig halten, weil man dort besonders darauf achtet. Diesen kritischen Blick braucht es auch. Aber für eine Millionenstadt wie Köln mit einer hohen Verkehrsbelastung und starkem Besucheraufkommen, ist die Sauberkeit im Vergleich mit anderen Großstädten wirklich okay.

AWB-Chef über die Sauberkeit am Dom

Besonders was die Domumgebung anbelangt, hat es in diesem Jahr aber große Beschwerden über die Sauberkeit gegeben, zum Beispiel von Kölner Stadtführern und der ehemaligen Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner.

Alles zum Thema AWB

Ich habe mir die Berichterstattung im Kölner Stadt-Anzeiger dazu sehr genau angeschaut. Ziel der Kritik war weniger die Sauberkeit an sich, sondern die Erscheinung des Stadtbildes insgesamt. Dazu zählt das Baustellenmanagement, die Verkehrsführung, die Geruchsbelästigung, die Obdachlosigkeit, Graffitis. Das sind viele Punkte, die nicht unmittelbar die AWB betreffen. Es geht auch um Sauberkeit, ja. Wir sind rund um den Dom in einer hohen Reinigungsfrequenz unterwegs und schauen, was wir noch besser machen können.


Zur Person: Thomas Thalau (49) ist seit dem 1. Januar 2023 einer von zwei Geschäftsführern der Kölner Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB). Thalau wechselte von den Aachener Stadtbetrieben nach Köln. Zum 1. Februar 2024 wird auch die zweite Geschäftsführer-Position bei der AWB neu besetzt: Ulrich Gilleßen (63) geht in den Ruhestand, Thalau bekommt dann einen neuen Partner für die Doppelspitze. (awe)


Haben Ihre eigenen Mitarbeiter Sie nicht auf die Situation in der Altstadt aufmerksam gemacht?

Wir sind in 16 Schichten von 6.30 bis 22 Uhr rund um den Dom unterwegs, und trotzdem scheint das an Tagen mit hohem Besucheraufkommen nicht ausreichend zu sein. Dem möchten wir mit weiterer Technik wie Sauggeräten sowie mit einer dauerhaften Präsenz begegnen, um die Situation weiter zu verbessern. Wir prüfen auch, ob größere Papierkörbe und Unterflurcontainer möglich sind, die mehr Müll aufnehmen können. Am Ende bekämpfen wir damit aber die Symptome, und nicht die Ursache. Für die Sauberkeit in der Stadt ist jeder einzelne Mensch in der Stadtgesellschaft mitverantwortlich. Wir alle müssen den öffentlichen Raum sauber halten, denn immer mehr Reinigungsleistungen anzubieten wird das Problem nicht lösen. Dies führt bei den Menschen zu einem Gewöhnungseffekt, dass sich jemand anderes schon drum kümmert. Ordnungsrechtlich den Leuten habhaft zu werden, ist sehr schwierig.

Braucht es also höhere Strafen dafür, wenn Menschen Müll einfach auf den Boden werfen?

Wenn man sich Städte wie Singapur anschaut, in denen es empfindliche Strafen gibt, sind diese Städte deutlich sauberer. In so einer Stadt möchte ich aber auch nicht leben. Ich denke, Sauberkeit über Strafen zu regeln, ist nicht die Lösung. Für mich ist es viel nachhaltiger, einen Bildungsauftrag zu vermitteln, wie man mit dem öffentlichen Raum verantwortlich umgeht. Zumal es ein Kompliment für die Stadt ist, wenn sich die Leute gerne in ihr aufhalten und den Raum annehmen.

Rollende Müllcontainer könnten Lösung für Kölner Grünanlagen sein

Im Sommer ist das besonders in den Kölner Grünanlagen zu sehen. Wie kann die Situation dort verbessert werden?

Wir sind mit Grillscouts unterwegs und sprechen die Leute auf nette Art darauf an, wie sie ihre Asche entsorgen können. Das kommt gut an, ist gemessen an der Masse der Menschen aber nicht flächendeckend. Die Leute wollen draußen etwas unternehmen. Für diese Eventkultur brauchen wir die entsprechenden Entsorgungsmöglichkeiten. Brauchen wir feste Grillplätze? Mehr feste Container für Grillasche? Die Frage ist doch, wie viel ich davon in eine Grünfläche setzen möchte, ohne ihren eigentlichen Charakter zu stören. Wir überlegen daher auch neue und innovative Ansätze, vielleicht einmal sogar mobil mit einer rollenden und robotergesteuerten Tonne durch die Parks zu fahren, um die Entsorgungsmöglichkeit zu den Menschen zu bringen.

Apropos Eventkultur: Wie blicken Sie auf den 11.11. zurück?

Unsere Mitarbeiter haben einen super Job gemacht. Das Wetter war für uns maximal herausfordernd. Den Tag vor dem 11.11. hat es geregnet, der 11.11. war dann trocken und schön, den Tag danach hat es wieder geregnet. Die Zülpicher Straße haben wir sehr schnell gereinigt bekommen, die Uniwiesen durch die ausgelegten Bodenplatten auch. Dann kamen noch die Ringe, die Aachener Straße und der Weiher und das Belgische Viertel dazu. Wir waren mit der vollen Kapelle unterwegs.

Müll nach Karneval: Ohne Ausweichfläche keine bessere Reinigung möglich

Am Tag nach dem 11.11. haben vor allem Bilder der Brüsseler Straße für Aufsehen gesorgt, die noch nicht gereinigt war. Hunderte Flaschen standen auf den geparkten Autos, Scherben lagen um die Autos herum. Warum war die AWB dort nicht früher vor Ort?

Von der Stadt bekommen wir zu Karneval einen Sonderauftrag, bestimmte Veranstaltungsbereiche zu reinigen. Die Brüsseler Straße war nicht explizit in diesem Auftrag enthalten, gleichwohl haben wir aus Gründen der Verkehrssicherung am Sonntag dort vorrangig maschinell gereinigt und waren parallel am Aachener Weiher und im Belgischen Viertel. Anschließend waren wir dann, so etwa in den Mittagsstunden, in der Brüsseler Straße. Wenn Flaschen auf privaten Autos stehen, dürfen wir diese aus Haftungsgründen nicht ohne weiteres entfernen. Viele Flaschen lagen zudem unter den Autos, das ist sehr schwer zu reinigen. Dadurch gibt es einen zeitlichen Verzug.

Hat die Stadt also den falschen Reinigungsauftrag erteilt?

Es gab eine ausgewiesene Feierzone, die wir vorrangig gesäubert haben. Bei den Platten von der Uniwiese geht es dann auch um deren Abbau, so dass wir hier ebenfalls eine zeitnahe Reinigung durchgeführt haben.

Im Nachgang hat die AWB von 20 Prozent mehr Müll im Vergleich zum Vorjahr gesprochen. Kommen Sie bei dem Aufkommen überhaupt noch hinterher?

Ich denke die Besonderheit, dass es in diesem Jahr ein Samstag war, hat sich schon ausgewirkt. Im nächsten Jahr fällt der 11.11. auf einen Montag, dann werden es wieder weniger Menschen und auch weniger Müll sein. Die Frage ist für mich eher: Ist das Zülpicher Viertel für die Feiern der richtige Ort? Es gibt dort viele Anwohner, viele Zuwege, dazu die Grünanlagen. Ich weiß, dass die Suche nach Alternativflächen nicht einfach ist und die „Zülpi“ für die jungen Menschen der Ort ist, an dem sie feiern möchten. Wenn wir sehen, wie sich die Leute bis zum Aachener Weiher und ins Belgische Viertel hinein ihren Platz zum Feiern gesucht haben, scheint die Fläche aber einfach zu klein zu sein. Das ist so, als würde man das „Rock am Ring“-Festival in die Kölner Innenstadt legen. Solange es keine Alternativfläche gibt, ist die Reinigung, wie wir sie dieses Mal gemacht haben, schon sehr nah dran an dem, was überhaupt möglich ist.

Würden Sie aus einer Reinigungsperspektive heraus eine Feier auf versiegelter Fläche bevorzugen?

Definitiv. Befestigte Flächen können wir mit Maschinen befahren. In Grünflächen müssen wir jede Scherbe einzeln aufheben. Wir haben etwa 95 Prozent der Grünflächen gereinigt bekommen. Aber die Scherben in der Tiefe, die eingetreten sind, können wir nicht alle erwischen.

AWB-Chef begründet Gebührenerhöhung

Die AWB hat für 2024 eine Gebührenerhöhung angekündigt. Warum ist die notwendig?

Wir heben im Mittel um 1,63 Prozent die Gebühren an. Auf eine 20 Liter Tonne macht das knapp einen Euro pro Monat aus, was noch überschaubar ist. Zurückzuführen ist das vor allem aus den Tariferhöhungen für die Beschäftigten aus diesem Jahr, die sie sich sehr verdient haben. Für die AWB bedeutet das aber rund zehn Millionen Euro mehr Personalkosten im Jahr. Außerdem muss wegen des Brennstoffemissionshandelsgesetzes mehr für die Müllverbrennung bezahlt werden, was sich aktuell durch Stromerlöse nahezu kompensiert. Diese Abgabe wird in den kommenden Jahren jedoch steigen, was sich am Ende auch auf den Gebührenzahler auswirken wird.

Kommt in Köln die Pflicht-Biotonne?

Die Stadt hat in der vergangenen Woche ihr Zero-Waste-Konzept vorgestellt. Darin ist ein deutlicher Ausbau der Biotonne vorgesehen. Wie soll das gelingen?

Im Restmüll landen aktuell noch viele Bestandteile, die eigentlich besser verwertet werden könnten. Das ist in erster Linie der Bioabfall. Im nächsten Jahr beginnt unser Pilotprojekt, in dem in zwei Stadtteilen – Bickendorf und Buchforst – jeder Haushalt verpflichtend eine Biotonne bekommt. Aktuell haben wir mit der freiwilligen Nutzung der Biotonne eine enorm niedrige Fehlwurfquote, die Qualität des in der Kompostierungsanlage angelieferten Biomülls ist sehr gut. In dem einjährigen Versuch werden wir untersuchen, ob das auch im Testgebiet so bleibt. Danach werden wir überlegen, ob wie die verstärkte Nutzung der Biotonne für Köln sinnvoll und wünschenswert wäre.

Wie kann das Müllaufkommen in Köln weiter reduziert werden?

Wir haben in Köln eine große Eventkultur. Wenn wir allein dort komplett auf Mehrwegverpackungen umsteigen könnten, wäre schon viel gewonnen. Am Ende muss sich aber das Konsumverhalten der Menschen verändern. Ich denke nicht, dass sich das über die Gebühren allein verändern lässt.

KStA abonnieren