VandalismusKölner Graffitibeauftragter Artur Mildner jagt illegale Sprayer

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Artur Mildner ist jeden Tag auf der Suche nach neuen Graffiti in Köln.

Artur Mildner ist jeden Tag auf der Suche nach neuen Graffiti in Köln.

Köln – 2015 hatte Artur Mildner am meisten zu tun. Damals nahm die neue Nord-Süd-Stadtbahn ihre Fahrt auf, und der Graffitibetreuer der Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) ließ 9000 Quadratmeter Kölner Grund, also in etwa so viel wie die Freifläche auf dem Neumarkt, von Graffiti befreien.

Die KVB und die Stadt stellten über 250 Strafanträge, 98 Prozent davon gegen unbekannt. Dieses Jahr hat KVB-Graffitibetreuer Mildner bereits 6500 Quadratmeter gereinigt oder reinigen lassen. Allerdings fehlen noch die letzten beiden Monate in der Statistik. „Da kommt sicher noch etwas drauf“, weiß er aus Erfahrung.

Zuständig für Anzeigen

Zu Fuß, mit der Stadtbahn oder mit dem Auto fährt Mildner durch die Stadtteile auf der Suche nach neuen Farbschmierereien an KVB-Haltestellen. Der Fachmann ist dafür zuständig, dass die Graffiti schnell wieder verschwinden und angezeigt werden. Denn sobald öffentliches oder privates Eigentum ohne Auftrag des Eigentümers bemalt wird, ist das Sachbeschädigung.

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Mit der Kamera in der Fototasche am Gürtel und einem Stift in der Brusttasche macht er sich auf dem Weg. „Ich weiß morgens nicht, was der Tag so bringt, aber lange suchen muss ich nie“. Auf der Ringstrecke seien immer viele Graffiti zu finden, auch an abgelegenen Haltestellen wie der Slabystraße. Seit kurzem seien die Amsterdamer Straße und Neusser Straße am Gürtel häufig betroffen. „Die Lärmschutzwand am Ollenhauer Ring machen wir schon gar nicht mehr sauber, das lohnt sich gar nicht, so schnell, wie die wieder bemalt ist“, sagt Mildner.

Seit er vor fünf Jahren mit seiner Arbeit begonnen hat, sei die Anzahl der Graffiti auf einem konstant hohen Niveau. Sein Job wurde geschaffen, weil die Reinigungsfirmen der KVB und Stadt alleine nicht mehr hinterherkamen. „Wir sahen die Notwendigkeit, weil Graffiti das Stadtbild verunstalten. Sie sind ein großes Ärgernis und die aufwendigen Reinigungsarbeiten gehen auf Kosten der Allgemeinheit“, sagt KVB-Sprecher Matthias Pesch. Die jährlichen Kosten für die KVB von rund einer Million Euro, könnten schließlich für etwas Besseres ausgegeben werden.

Aufklärungsrate ist gering

Die Aufklärungsrate bei Graffiti lag in Köln im vergangenen Jahr allerdings bei gerade einmal rund 10 Prozent. Die Polizei konnte 177 Tatverdächtige ermitteln, aber fast immer bleiben die Eigentümer auf den Kosten sitzen. An Graffiti im öffentlichen Stadtbild scheiden sich die Geister. Street-Art-Künstler wie Banksy haben inzwischen Weltruhm erlangt. Gleichzeitig handelt es sich selbst bei ästhetisch anspruchsvolleren Werken juristisch um Sachbeschädigung. Für die Wahrnehmung von Graffiti als künstlerische Ausdrucksform mit sozialräumlicher und integrativer Funktion setzt sich der Kölner Verein Artrmx ein: Street Art ist für ihn eine der wichtigsten Kunstrichtungen der Gegenwart.

„Street Art hat seine Wurzeln in Grafitti, die seit den 70er Jahren zu einer modernen Stadt dazugehören“, sagt Iren Tonoian von Artrmx und Leiterin des City-Leaks-Festival. Zur Festival-Idee gehört es, leere Häuserwände von Graffiti-Künstlern bemalen zu lassen. Dafür fragen die Organisatoren bei Hausbesitzern an, ob diese ihre Wände zur Bemalung freigeben. Allerdings zieht auch Tonoian eine Grenze zu Schmiererei und Vandalismus. „Uns ist klar, dass ein Großteil der Flächen illegal bemalt wird. Es ist Ausdruck der Jugendkultur, die sich ihre Stadt zurückerobern will. Aber es gibt neben vielen Könnern auch viele Nicht-Könner“, sagt sie.

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Was Mildner bestätigen kann: Etwa drei Tage dauert es im Regelfall bis ein von ihm gefundenes Graffito verschwunden ist. Einen Quadratmeter zu reinigen, kostet die Reinigungsfirma etwa drei bis vier Stunden Arbeit. Wenn es um heikle Flächen, also mit einem empfindlichen Untergrund geht, legt Mildner selbst Hand an. Auch wenn es schnell gehen muss, also Hakenkreuze oder rassistische Schmierereien auftauchen. Mildner ist gelernter Maler und Lackierer, also Fachmann für Farben und ihre Entfernung. In zwei Boxen verstaut er seine Lappen, Schwämme, Handschuhe und speziellen Reinigungschemikalien, Gels oder Flüssigkeiten. Auch Schutzfarben und -lacke trägt er auf, je nachdem, was der Untergrund verträgt.

Viel Arbeit für die Stadt

Die Stadt Köln musste 2015 und 2016 rund 20 000 Quadratmeter wegen Graffiti reinigen lassen. Während 2015 die meisten Flächen (rund 10 000 Quadratmeter) an Brücken, Tunneln und Unterführungen gereinigt wurden, waren es 2016 meist Graffiti an Schulen.

„Über die Jahre habe ich viele Entfernungstechniken selbst entwickelt. Schlimm ist der neueste Trend, Flusssäure in die Farbe zu mischen. Da geht es um den reinen Zerstörungswillen“, sagt Mildner. Auch Vandalismusschäden nimmt sich der Graffitibetreuer an. Häufig sind es zerkratzte oder gesprungene Glaswände. Für seine Arbeit bekommt Mildner durchweg positive Reaktionen der Bürger. „Sie sagen, dass es klasse ist, dass wir alles entfernen“.

Gefährlicher Trend

Bauchschmerzen bereitet Mildner gerade der fragwürdige Trend, Bahnsteigkanten mit Tags, also Signaturen, zu versehen. „Die Sprayer sind noch immer nachts unterwegs und es ist so gefährlich, wenn vier Tonnen Bahn angefahren kommen. Das geht auch auf die Nerven der Kollegen, wenn sie die Haltestelle im Dunklen anfahren“, sagt Mildner, der selbst 20 Jahre lang Straßenbahnfahrer war.

Manchmal dürfen Graffiti-Künstler auch legal bei der KVB aktiv werden: Künstler Marcus Krebs hat einen Stromkasten am Barbarossaplatz bunt besprüht, die Künstlerin Katharina Grosse die Haltestelle Chlodwigplatz großflächig in Regenbogenfarben getränkt. Tonoian wünscht sich mehr solcher legaler Flächen für Sprayer. „Graffiti wegzudrängen oder zu verbieten, schafft keine Stadt. In Köln wird rigoros entfernt, dabei kann die Stadt wirklich mehr Farbe vertragen“, meint sie. Wie Mildner das sieht? „Ich finde ein bisschen Farbe in einer grauen Stadt gut. Es muss nur ansehnlich bleiben.“

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