Parkplatz als Oase?Kölner protestieren gegen geplanten Campus in der Südstadt

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Eingangssituartion

Der Entwurf des Kölner Architekten Kaspar Kraemer sieht einen für die Öffentlichkeit zugänglichen Platz auf dem ehemaligen Klostergelände vor. 

  • Das Gelände des ehemaligen Kartäuserklosters in der Kölner Südstadt soll neu bebaut werden.
  • Unter anderem soll dort Wohnungen für Studenten und Familien entstehen. „Die Karthäuser“ wollen die evangelische Kirche trotzdem an dem Bau hindern und bezeichnen den Plan als „aggressiv“.
  • Kölns Ex-Dombaumeisterin Barbara Schock-Werner hält dagegen. In ihrer Serie „Auf den Punkt“ legt sie regelmäßig den Finger in die Wunde.

Köln – Bürgerinitiativen gehören in unser Leben und sind aus der demokratischen Gesellschaft nicht wegzudenken. Bürger setzen sich für ihre Städte ein, für Baudenkmäler oder – wie in Köln – für den Erhalt des Grüngürtels (hier lesen Sie mehr). Das ist gut, denn es zeugt von einer Identifikation der Bürger mit ihrer Stadt und von der Bereitschaft, sich über eigene Belange hinaus für das Gemeinwohl zu engagieren. Doch gibt es nicht nur in Köln auch einen „Bürgerwillen“, den ich zunehmend ärgerlich finde.

Jüngstes Beispiel: eine „Interessengemeinschaft“ namens „Die Kartäuser“. Sie will die evangelische Kirche daran hindern, das Gelände des ehemaligen Kartäuserklosters in der Südstadt neu zu bebauen. Schon lange haben der Stadtkirchenverband und die Melanchthon-Akademie, eine angesehene Bildungseinrichtung, dort ihren Sitz. Ein großer Parkplatz und ein Magerrasen sowie alte Bäume befinden sich auch auf dem Areal und natürlich die alte Kartäuserkirche, an der nicht gerüttelt werden soll. Sonst aber sind die Gebäude in die Jahre gekommen, und es wird eine vielfältigere Bebauung gewünscht: Die Akademie soll moderne, behindertengerechte Versammlungsräume bekommen. Darüber hinaus sind Wohnungen für Studenten und Familien geplant. 

Kölner Architekturbüro geht auf Kritik ein

Ein Wettbewerb wurde ausgelobt, den das Kölner Architekturbüro Kaspar Kraemer gewann. Sein Entwurf sieht einen von Arkaden umstandenen Innenhof mit einem Brunnen vor. Die mäßig hohe Bebauung wird teilweise über einen Turm erschlossen. Die oberirdischen Parkplätze verschwinden. Unter den Plattenbelägen wird eine dicke Speicherschicht verbaut, die verhindern soll, dass das Regenwasser sofort in der Kanalisation läuft.

Alles zum Thema Barbara Schock-Werner

Luftbild

Blick von oben auf den Campus am Kartäuserwall

Solche Wettbewerbsentwürfe sind immer offen für Veränderungen und Weiterentwicklungen. Auf den Einwand, es fehle an Grün, hat Kraemer reagiert: Alle Dächer werden bepflanzt, im Innenhof sollen Bäume stehen. Im Ergebnis wird die Gesamtfläche grüner sein, als sie es vorher war. Es entsteht ein gut geplanter, für die Öffentlichkeit jederzeit zugänglicher Platz.

Dennoch laufen die Anwohner weiter ungehemmt Sturm gegen die Planung – und das mit wirklich hanebüchenen Argumenten. So kritisiert der Wortführer der Initiative – seines Zeichens selbst Architekt – die angeblich „aggressive“ und „historistische“ Architektur von Kraemers Entwurf. Hier stimmt mich als erstes die Art des Umgangs mit einem Kollegen nachdenklich. Im Schwäbischen würde man von einem „Geschmäckle“ reden. Zudem konnte ich auf Anhieb nicht ein einziges Bauprojekt des streitbaren Herrn finden, an dem sich dessen eigene architektonische Handschrift hätte ablesen lassen.

Schock-Werner: Das ist das Gegenteil von „aggressiv“

Kraemers Entwurf nimmt zum einen die Geschichte des Ortes mit dem ehemaligen Kartäuserkloster ernst. Zum anderen schafft er neue Räume, ein attraktives Zentrum im Quartier. Das ist das Gegenteil von „aggressiv“. Es sei denn, man ist Anwohner, hat bislang aus seinem Wohnzimmerfenster auf eine leere Fläche mit Parkplatz geschaut und wird nun künftig – in weitem Abstand – ein Gebäude vor sich haben. Da ahnt man, was die Leute treibt. Es ist diese Mentalität, „ich bin auf jeden Fall dagegen, weil es mich gerade stört“.

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Diese Art Platz-Egoismus kaschiert man dann mit markigen Worten und beklagt zum Beispiel das Verschwinden einer „Oase“. Die gibt es aber gar nicht, es sei denn, man jubelt einen Parkplatz mit Bäumen dazu hoch. Oder man schimpft über „historistische Architektur“. Das muss ja was ganz, ganz Schlimmes sein... Aber erstens bedient der Begriff dieses – falsches – Vorurteil. Und zweitens ist Kraemers Campus überhaupt nicht „historistisch“. Kraemer ahmt weder alte Formen nach noch rekonstruiert er nicht mehr vorhandene Bauten, sondern zitiert in moderner, abstrakter Form klassische Architekturelemente wie die Arkade, den Rundbogen oder auch den Glockenturm (Campanile). Endlich entsteht in Köln einmal ein Neubau, der nicht einfach Klötze übereinanderstapelt. Darüber sollten auch die Anwohner heilfroh sein, statt mit unsachlichen Argumenten darüber herzufallen.

Bäume müssen für Wohnungen in Köln weichen

Im Zeitalter der Baumreligion wird dann auch noch das Weltklima bemüht, nur weil für die Neubebauung ein paar Bäume gefällt werden müssen. Dieser Reflex kommt mir inzwischen ziemlich absurd vor. Auch ich bin dafür, so viele Bäume wie möglich zu erhalten. Aber dem Recht auf Wohnen in der Stadt sollte man auch Genüge tun. Sonst landet man schnell bei einem Totschlagargument wie dem „Klimanotstand in Köln“. Wenn für einen Neubau ein Baum gefällt werden muss, dann muss eben in der Nähe ein neuer gepflanzt werden.

Vollends daneben finde ich es, dass die Gegner des Campus Kartause auch noch mit Martin Luther kommen. „Was würde Luther sagen?“, las ich auf aggressiv-gelben Plakaten. Dass der Reformator sich kompetent zu Architekturentwürfen und Bebauungsplänen geäußert hätte, ist mir nicht bekannt. Für Bildung hatte er dagegen sehr viel übrig, und nicht umsonst haben seine Anhänger ehemalige Klöster zu Bildungseinrichtungen umgewidmet. Aber dafür reicht das historische Gedächtnis derer offenbar nicht aus, die mit – Entschuldigung – dummen Schlagworten um sich werfen.

Der angebliche „Luxuspalast“, den die evangelische Kirche sich am Kartäuserwall hinsetzen wolle, darf da natürlich auch nicht fehlen. Ich allerdings kann keinen Luxus darin erkennen, dass die Kirche ihrem Bildungsauftrag gerecht werden will und Wohnraum schafft, dessen Vermietung auch ein Stück zur Refinanzierung beiträgt. Das ist das Gegenteil von Luxus. Diese Begriffskanone gegen das Vorhaben aufzufahren, hat schon fast etwas Denunziatorisches. Ich glaube, der Südstadt wird das neue Areal gut tun – und den Familien und Studenten, die dort in einigen Jahren einziehen dürfen, sowieso.

Aufgezeichnet von Joachim Frank

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