Sterne, Promis, GastromeileWie sich die Südstadt neu erfunden hat

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Gastronom Thomas Wippenbeck (l.) mit Stammgast Frank Schätzing im „Frau Mahér“

Gastronom Thomas Wippenbeck (l.) mit Stammgast Frank Schätzing im „Frau Mahér“ am Ubierring

Die Südstadt war gegen Ende der 90er Jahre tot. Doch mittlerweile erlebt sie eine Wiederauferstehung.

Die Südstadt hat eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht. In den 80er Jahren wurde sie zum bundesweit bekannten Feierhotspot, 2000 war sie out. Mittlerweile erlebt sie eine Renaissance und hat sich zum Ausgehviertel mit feiner Gastronomie gewandelt. Wir zeichnen den Weg nach.

Die Südstadt hat noch viele Altbauten und intakte historische Häuserzeilen. Das macht sie besonders attraktiv.

Die Südstadt hat noch viele Altbauten und intakte historische Häuserzeilen. Das macht sie besonders attraktiv.

Ende der 90er Jahre war die Südstadt out. Das Feierpublikum war durch Lärmvorschriften vertrieben worden, man ging nun nach Ehrenfeld oder in die Friesenstraße. Viele Lokale verschwanden, die Südstadt wurde leerer. „Wir haben hier quasi überwintert“, sagt Gastronom Thomas Wippenbeck. Sein gleichnamiges Restaurant hatte er 1992 im schönen Jugendstilhaus am Ubierring eröffnet und konnte noch von seiner kulinarischen Reputation zehren. Er wechselte aber mehrmals das Konzept, um das Publikum zu locken.

2003 bis 2013 hieß sein Restaurant „Fonda“, angeboten wurden Tapas. Danach gab es Fusion-Küche im „Wippn’bk“. Seit 2020 heißt das Restaurant „Frau Mahér“, benannt nach seiner Lebensgefährtin Nadja Mahér, mit dem Schwerpunkt Nachhaltigkeit und Fairtrade. „Wir haben im Laufe der Jahrzehnte sicherlich zehnmal umgestrichen. Das jetzige Grün lieben wir sehr.“

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Kollege Costa Fotiadis von „Filos“ in der Merowingerstraße erinnert sich: „Fünf, sechs Jahre hatten wir viel weniger Einnahmen. Das Rauchverbot 2013 hat uns dann den Rest gegeben.“ Doch auch er rappelte sich wieder hoch. „Wir haben uns mehr zu einem Restaurant entwickelt.“ Heute kämen 60  bis 70 Prozent Einnahmen durch die Speisen. Und die Stammgäste sind geblieben. „Die sind natürlich mit uns älter geworden.“

Das „Chlodwig Eck“ hat den Generationswechsel geschafft

Robert Hilbers (63) von „Chlodwig Eck“ feiert in diesem Jahr Jubiläum: Er führt das Lokal seit 35 Jahren, hat hier also mehr als die Hälfte seines Lebens verbracht. „Das Publikum ist nicht mehr so wie früher. Nur einfach trinken gehen, das macht man nicht mehr.“ Jetzt kämen auch wieder Gäste ab 18 Jahre aufwärts zum Doppelkopfspielen oder Würfeln. „In den 90er Jahren war das verpönt, wie alte Opas in die Kneipe zu gehen und zu spielen.“ Und Hilbers setzte erfolgreich auf einen ganz persönlichen Generationswechsel.

Seine drei Söhne arbeiteten oder arbeiten im Lokal hinter dem Tresen. „Sie zogen Freunde und jüngeres Publikum an.“ Alles geht etwas ruhiger zu. „Ab 22 Uhr darf es nicht mehr so laut sein und ab 24 Uhr dürfen die Gäste nicht mit dem Glas vor die Tür. Am Wochenende haben wir dafür extra Türsteher, die nennen wir Schallwächter.“ Die Gäste hätten Verständnis.

Wolfgang Niedecken übergab 2016 eine Goldene Schallplatte an Robert Hilbers vom Chlodwig Eck.

Wolfgang Niedecken übergab 2016 eine Goldene Schallplatte an Robert Hilbers vom Chlodwig Eck.

Neben den Klassikern hat sich aber in den letzten Jahre vor allem eines in der Südstadt etabliert: gehobene Gastronomie. Costa Fotiadis erzählt, dass er vor kurzem mit einem seiner ehemaligen DJs über die Alteburger Straße ging und der ganz erstaunt sagte: „Das sieht ja hier aus wie auf der Zülpicher Straße, nur für Ältere.“ In der Tat reiht sich in der Alteburger Straße ein Restaurant an das andere und besonders bei gutem Wetter sind die Bürgersteige vollbesetzt mit Gästen. „Massimo“,  „Capricorn i Aries“, seit kurzem „Da‘s Lupo“, die nostalgische „Alte Wettannahme“, die „Speisekammer“, das „Geschnitten Brot“,  das „Dialog“ der Familie Doulidis, die zu den Pionieren im Veedel gehörten – hier gibt es alles. Um die Ecke in der Darmstädter Straße ist das „Pottkind“, das einen Stern hat, und nicht weit entfernt im Rheinauhafen das „Ox & Klee“, derzeit Kölns einziges Restaurant mit zwei Sternen.

Das „Brauhaus Johann Schäfer“ in der Elsaßstraße

Das „Brauhaus Johann Schäfer“ in der Elsaßstraße

Auch die Elsaßstraße ist hochkarätig besetzt. Till Riekenbrauk, selbst Kind der Südstadt, hat hier 2017 das „Brauhaus Johann Schäfer“ mit feiner Brauhausküche eröffnet. „Die Südstadt hat sich in den letzten zehn Jahre sehr entwickelt“, sagt er. Es sei nicht so ein Feierviertel wie das Belgische Viertel, stattdessen fände man hier viele schöne Plätze, an denen man gutes Essen bekäme. Das Publikum sei durchaus gut verdienend, aber nicht „schickimicki“. „Obwohl mancher wohl damals für eine halben Sack Möhren Wohnungen hier gekauft hat und ich nicht wissen möchte, wie viel Kohle in der Ubierschänke an der Theke steht. Aber das lässt keiner raushängen“, sagt er lachend.

Feines Brauhaus und moderner Grieche auf der Elsaßstraße

Es seien auch viele Familien und junge Leute unter den Gästen, vor allem mittags. Studenten von der Fachhochschule am Ubierring kämen und auch Mitarbeiter der Firmen im Rheinauhafen. „Wir werden hier nicht so schnell zum Altersheim.“ Warum ausgerechnet die Südstadt so lebendig sei? „Sie hat noch viele Altbauten und schöne Straßenzüge und ist von allen Seiten gut erreichbar“, sagt Riekenbrauk. Das Agnesviertel sei ähnlich schön, sei aber kleiner und habe eine Insellage durch Ebertplatz und große Straßen.

Kleiner Wermutstropfen: Das „Brauhaus Johann Schäfer“ muss um 22 Uhr schließen, weil die Nachbarschaft als Wohngebiet geschützt ist. Die älteren Restaurants drumherum haben Bestandsschutz und dürfen länger Gäste bewirten. „Aber wir sind optimistisch, dass das langfristig zu ändern ist.“

Kosta Tzikas in seinem Restaurant „Phaedra“

Kosta Tzikas in seinem Restaurant „Phaedra“

Ebenfalls in der Elsaßstraße gibt es seit 2019 das „Phaedra“. „Ein Grieche jenseits der Norm“ schwärmte Carsten Henn, Restaurantkritiker des „Kölner Stadt-Anzeiger“, und empfahl das Restaurant schon mehrmals dringend für einen Michelin-Stern. Chef Kosta Tzikas ist Sohn einer Kölnerin und eines Griechen. Er lebte mit der Familie lange in der Alteburger Straße und erinnert sich noch genau an das legendäre griechische Lokal „Tavernaki“, einem der Pioniere in der Südstadt, das 2016 schließen musste, weil das Haus einem Neubau weichen musste. „Da gab es viele Studenten, Live-Musik und ein Spielzimmer für Kinder, das fand ich als kleiner Junge faszinierend.“

In der Südstadt trifft man mit Sicherheit Prominente 

Nach Stationen bei den Spitzenköchen Franz Keller und Christoph Paul suchte er ein eigenes Lokal und bekam durch Zufall den Raum in der Elsaßstraße, den er schon immer so schön fand. Seine Spezialität sind Fischgerichte. Auf seiner Karte stehen  550 Weine, davon 150 aus Griechenland. „Man muss schon etwas Besonderes bieten, die Konkurrenz ist groß.“ Er liebt die Südstadt, hier sei die Gastro-Mischung sehr gut. „Nippes und Ehrenfeld, das sind für mich andere Welten.“

Was alle Gastronomen bestätigen: In wohl keinem anderen Veedel kann man so sicher sein wir hier, kölsche Prominenz zu treffen. „Die sitzen hier wirklich alle. Da sind die Leute immer ganz begeistert“, sagt Costa Fotiadis vom „Filos“. Bei ihm zum Beispiel kann man auf die Musiker von Köbes Underground, Kabarettist Jürgen Becker und Ex-Pfarrer Hans Mörtter treffen, der letztens bei der Nubbelverbrennung am Lokal ankündigte, dass er als Oberbürgermeister kandidieren will. Stammgast bei Thomas Wippenbeck ist unter anderem Schriftsteller Frank Schätzing. Und Wolfgang Niedecken kommt auch noch immer im „Chlodwig Eck“ vorbei.

Wirt Robert Hilbers findet: „Die Südstadt ist eigentlich zu schnuckelig für diese Welt.“ Alles sei ein bisschen brav geworden, Lastenfahrräder und politisch korrekte Diskussionen und so. Aber er ist hier sehr glücklich. Seinen Mietvertrag will er bis 2039 verlängern, dann hätte er ein halbes Jahrhundert geschafft.

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