Oldtimer in KölnKalifornien unter der Zoobrücke

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Der Wackel-Elvis fährt immer mit, wenn dieses Oldsmobile auf Tour geht. In diesem Fall ging es unter die Kölner Zoobrücke.

Der Wackel-Elvis fährt immer mit, wenn dieses Oldsmobile auf Tour geht. In diesem Fall ging es unter die Kölner Zoobrücke.

Deutz/Mülheim – An der schnell zusammengezimmerten Bar gibt es Würstchen, Bier und Analysen. Ziemlich kalifornisch sei der Abend, sagt Grillmeister Alexander Ziegler, Koteletten tragender Künstler aus Schweinfurt, der sich selbst Mr. California nennt: „Die Leute zeigen gerne, was sie haben, bleiben dabei aber immer locker.“ Immer locker bleiben, das ist das Credo beim „Motorhaubensitzen“, einem der skurrilsten Oldtimertreffen im Jahresverlauf.

Gegen 19.30 Uhr hat sich die Abendsonne schon verabschiedet, jetzt sind es die Laternen auf der Zoobrücke, die das Szenario aus lockeren Typen und ihren coolen Karren in fahles Licht tauchen. Mehr als 150 betagte Autos und Motorräder fast aller nur erdenklicher Marken verteilen sich um diese Zeit auf dem öffentlichen Parkplatz unter der Brücke. Amerikanische Muscle-Cars, gebaut in den 1960-er und 1970-er Jahren als satt motorisierte Groß-Coupés mit verschwenderischen Formen, knuddelige Käfer mit Surf-Brettern auf dem Dach und biedere Mittelklasse-Limousinen mit Kultcharakter stehen Seite an Seite auf holprigem Grund. Seit zehn Jahren ist das Motorhaubensitzen imstande, selbst einen schattigen Nichtort wie diesen in eine angesagte Partylocation zu verwandeln.

„Das war eine Idee in der Kneipe“, sagt Lars, einer der Initiatoren, der seinen Nachnamen lieber für sich behält. Eine Clique von Old- und Youngtimer-Enthusiasten wollte sich mit anderen Autofans zum entspannten Austausch treffen. Anders als bei vielen anderen Oldie-Veranstaltungen sollte der Zustand der Wagen keine Rolle spielen. „Uns war wichtig, dass die Leute sich kennenlernen.“ Schon das erste Treffen war ein Erfolg: Etwa 50 Oldtimerbesitzer folgten 2004 der Einladung, die die Initiatoren damals auf Flugblättern verteilten. Heute läuft alles über das Internet.

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Ein Programm gibt es nicht, eine offizielle Anmeldung bei den Behörden auch nicht, und „Scheiss Pokale“ sowie so nicht, wie es die Facebook-Einladung versichert. Alles kann, nichts muss, Spontaneität und Improvisation sind Trumpf. Wer sitzen will, bringt sich einen Klappstuhl mit – oder lehnt sich easy an die Motorhaube. Dazu gibt es mitgebrachtes Flaschenbier und Würstchen von Mr. California. Andere holen ihren eigenen Grill aus dem Kofferraum. „Relativ einzigartig“ sei dieses Treffen, sagt Lars, der Mann mit Bart und Kappe, obendrein friedlich und – mangels direkter Anwohner – umfeldverträglich. Wie gut, dass die schäbige Kulisse bestens zum alternativen Charme der PS-Party passt.

Ab 17 Uhr stoßen die ersten Old- und Youngtimer ins Grenzland zwischen Deutz und Mülheim vor, die Kennzeichen stammen auch aus dem Kölner Umland und dem Ruhrgebiet. Nicht wenige Autos werden von großvolumigen V-8-Motoren angetrieben, die die Unterseite der Zoobrücke mit sattem Bass beschallen. Eng tätowierte Arme baumeln aus herunter gekurbelten Fenstern.

Auch richtige Ranzkarren

Holger Hilden und David Malinowski kommen aus Düren und sind zum ersten Mal dabei. Fahrer Sven hat sie in seinem roten Dodge Challenger unter die Brücke chauffiert. Etwa 300 PS hat das amerikanische Coupé von 1970, breite Schlappen und eine ziemlich lange Motorhaube. Wenn Sven den Gang wechselt, tut er es mit einem Schaltknauf, der wie ein Pistolengriff geformt ist. „Total geil“ findet der 28-jährige Kölner das Motorhaubensitzen: „Vor allem, dass alles durchmischt ist und auch richtige Ranzkarren dabei sind.“ Kumpel Holger, Dreitagebart, riesige Sonnenbrille, Flaschenbier, schwärmt nicht weniger von dieser „Arbeiterveranstaltung“, bei der sich der Banker mit dem Schlosser unterhalte.

Berührungsängste gibt es tatsächlich nicht. Deshalb ist auch Paddy Hülstrunk aus Holweide von Anfang an guter Dinge. Auf anderen Oldtimer-Treffen seien er und sein 29 Jahre alter Mercedes 190 E 2.3-16 von den anderen Teilnehmern schlicht ignoriert worden. Jetzt steht er mit den Jungs aus dem Dodge Challenger wie selbstverständlich im Dämmerlicht und quatscht. Die Autos sind verschieden wie Tag und Nacht, die Begeisterung ist dieselbe: „Was uns vereint: Wir schwärmen noch für richtige Autos“, sagt Paddy und macht einen ziemlich kalifornischen Eindruck.

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