Köln – Voller Stolz stehen die beiden älteren Herren in der kleinen Werkhalle im Gewerbegebiet Longerich und freuen sich ein Loch in den Bauch. „Einem Kölner kann nichts Schöneres widerfahren, als den Dom zu retten.“ Willi Schumacher (65) muss ein wenig schmunzeln, als er das sagt. Sein Geschäftspartner Hermann Ortwein (68) sieht die ganze Angelegenheit eher mit der Gelassenheit eines Erfinders, der in mehr als 30 Jahren das ein oder andere Stück Eisenbahngeschichte geschrieben hat.
Wir dürfen vorstellen: Das sind die beiden Herren, die dem Dom einen Dämpfer verpassen. Mit ihrem gemeinsamen Unternehmen OSC Railtec, das innovative Schienensysteme entwickelt, haben sie die Ausschreibung der Kölner Verkehrs-Betriebe gewonnen. Und sie garantieren, dass sie den Vibrationen, die im U-Bahn-Tunnel von den Zügen der Linie 5 zwischen den Stationen Dom und Rathaus verursacht und auf die Kathedrale übertragen werden, auf einen Schlag ein Ende bereiten können.
In einem Brief an Oberbürgermeister Roters berichten die Dom-Verantwortlichen von Erschütterungen, die in der Kathedrale bei Durchfahrten von Zügen zu spüren sind. Sie sind sogar in der Erdbebenstation Bensberg messbar. Die KVB reagiert: Die Züge dürfen nur noch mit Tempo 20 fahren.
Dombaumeister Michael Hauck weist Vorwürfe als „Mist“ zurück, wonach der Dom selbst an den Vibrationen schuld sei, weil die im Jahr 2000 eröffnete Schatzkammer zu nahe an den Tunnel gebaut worden sei. Die Röhre in diesem Abschnitt stammt aus den 1960er Jahren.
Die KVB beginnt mit Messungen am Dom und kommt zu dem Ergebnis: Alles deutet auf eine Schallbrücke hin.
Die Ergebnisse der Messungen sind ausgewertet. Stadt, Domverwaltung und KVB beschließen, dass die Schienen im Tunnel abgefedert werden sollen. Wer die Kosten dafür tragen soll, bleibt offen. Sie werden auf 250 000 Euro geschätzt.
Das Ergebnis eines von der Stadt beauftragten Gutachtens liegt vor. Danach bestehen „mehrere bauliche Verbindungen“ zwischen dem Dom und dem KVB-Tunnel. Dadurch seien Schallbrücken entstanden, die von den Bahnen erzeugte Erschütterungen in die Kirche weiterleiten.
Der Streit um die Kostenübernahme zwischen Stadt, KVB und Kirche geht weiter. Kurzfristig wird erwogen, die U-Bahn auf dem Abschnitt dauerhaft Tempo 20 fahren zu lassen.
Stadt und KVB entscheiden, die Puffer vor Inbetriebnahme des U-Bahn-Abschnitts vom Rathaus bis zum Heumarkt im Dezember einzubauen. Die KVB tritt in Vorleistung. Der Streit über die Kosten von 130 000 Euro ist damit nicht vom Tisch. (pb)
Ortwein und Schumacher – da treffen mehr als dreißig Jahre Erfinder-Geist auf knapp einhundert Jahre Eisenbahn-Bautechnik in vierter Generation. Das sollte reichen, um ein Problem in den Griff zu kriegen, das die Kölner seit knapp einem Jahr beschäftigt und weltweit für Aufsehen sorgte. „Ich war in Australien, als das losging und habe im Internet gelesen, dass der Dom angeblich kurz vor dem Einsturz steht“, sagt Ortwein, der als junger Mann mal eine Ausbildung als Maschinenschlosser bei der KVB genossen hat, im Jahre 1978 das Kölner Ei erfand und damit zu den Pionieren in der Entwicklung von Schienendämpfungssystemen zählt. Seinem Geschäftspartner Schumacher war schon an dem Tag, als der Chef der Dombauhütte Alarm schlug, weil er das Weltkulturerbe bedroht sah, völlig klar: „Wir haben doch eine Lösung für das Problem. Ich habe den Hermann gleich angerufen.“
Während sich die Experten bei der Stadt, dem Dom und der KVB noch die Köpfe zerbrachen, ob man die Trasse dämpfen kann oder ob man die Schienen herausreißen und komplett neu verlegen müsse, haben Schumacher und Ortwein einfach abgewartet. Weil Ortweins patentierte Lager, in denen die Schiene, vereinfacht gesagt, in einem Gummi-Mantel lagert und bis zu sechs Millimeter einfedert, sobald ein Zug drüber fährt, schon seit Jahren auf dem Markt sind. Sie haben sich bei Stadt- und U-Bahnen in Budapest und Prag, in Stuttgart und Berlin, in Bochum und Düsseldorf immer bewährt. In Köln übrigens auch: auf den Hochbahn-Abschnitten der Linie 13 oder der Linie 1 nach Bensberg. Der einzige Unterschied zur Linie 5 unter dem Dom: Die Lager wurden bisher noch nie auf Holzschwellen, sondern immer nur auf Beton oder Stahl montiert. „Für uns war klar, dass das für die Vibrationen keinen Unterschied macht. Die Schwellen dienen nur der Schienenbefestigung.“
Um das auch wissenschaftlich zu untermauern, hat Ortwein eigens ein Gutachten bei der Studiengesellschaft für unterirdische Verkehrsanlagen in Auftrag gegeben. Der Rest waren Kleinigkeiten. Die Bohrungen für die neuen Schienenlager mussten so verändert werden, „dass wir die alten Bohrlöcher in den Schwellen nutzen können“, sagt Schumacher. Auch das ist erledigt, zumal die Anzahl der Lager, die zwischen dem frühen Samstagmorgen des 23. November und dem frühen Montagmorgen des 25. November auf den beiden 90 und 60 Meter langen Gleisabschnitten eingebaut werden müssen, überschaubar ist. „Wir müssen 500 Lager austauschen“, sagt Ortwein. Das sei nichts zu den mehr als 115 000, die in ganz Europa verbaut sind, fügt er hinzu und beschreibt die einzelnen Arbeitsschritte. Alte Lager lösen, Schiene anheben, neue Lager montieren und festschrauben. „Das hätten wir auch in mehreren Betriebspausen in der Nacht machen können, doch so wird es billiger, weil wir durcharbeiten.“
130 000 Euro wird der Umbau kosten, und anschließend soll wieder Ruhe im Dom herrschen – und das mindestens 25 Jahre lang. Das haben die Belastungstest ergeben. Aus dem Streit darüber, wer den Schaden verursacht hat, haben sich die beiden Herren wohlweislich herausgehalten. Ihr Auftraggeber ist die KVB. „Vielleicht schenken wir Dompropst Norbert Feldhoff ein Schienenlager – als kleine Erinnerung“, sagt Schumacher. „Dieser Auftrag ist uns eine Herzensangelegenheit.“ Der Dämpfer könnte eine kleine Episode in der langen Geschichte der Hohen Domkirche werden. Das Kölner Ei hat es schon vor Jahren ins Kölnische Stadtmuseum geschafft. Weil Hermann Ortwein es persönlich dort abgegeben hat.