Am Dienstag wird der Grundstein für den Erweiterungsbau des Wallraf-Richartz-Museums gelegt. Dazu wäre es ohne die Ausdauer eines Kölner Unternehmers nie gekommen.
Der alte Plagegeist und die Bürokratie86-Jähriger Kölner setzt Anbau für Wallraf-Richartz-Museum durch

Peter Jungen (86) in seinem Haus in Marienburg
Copyright: Alexander Schwaiger
Das Schauspiel um die Erweiterung des Wallraf-Richartz-Museums (WRM) gleicht einem Boxkampf, bei dem der eine, ein 86-jähriger Unternehmer, ausdauernd und unberechenbar im Ring tänzelt und immer wieder zuschlägt, während der andere, die Kölner Bürokratie, sich träge wegduckt und gequält weiterlächelt, obwohl er ziemlich alt aussieht. „Wer hat Angst vor Peter Jungen?“, könnte der Titel des Schauspiels heißen. Untertitel: „Der alte Plagegeist und die Bürokratie.“
Besonders eindrücklich von den Widersprüchen der Kölner Stadtverwaltung und den Eigenschaften jenes Mannes, der der Bürokratie den Erweiterungsbau nach bald 25 Jahren schließlich abgetrotzt hat, erzählt der vorläufig letzte Akt. Er habe am Morgen noch mit der Oberbürgermeisterin telefoniert, sagt ein aufgeräumter Peter Jungen an einem milden Oktobertag zehn Tage vor der geplanten Grundsteinlegung für den Erweiterungsbau des Museums in seinem Marienburger Haus. „Ich habe Frau Reker gesagt, dass wir keine Grundsteinlegung machen können, solange die giftigen Schwermetalle, die wir im Boden gefunden haben, nicht entsorgt sind.“ Immerhin, sagt Jungen, habe sich die Verwaltung „in den vergangenen zehn Tagen mehr für den Baufortschritt interessiert als in den vergangenen zehn Jahren“.
Mit 14 abonnierte er das Handelsblatt, mit 17 war er einer der besten Mittelstreckenläufer des Landes
Es war der Stifterrat, damals noch unter Vorsitz von Verleger Alfred Neven DuMont, der vor zwölf Jahren einen Architektenwettbewerb für die Erweiterung durchführte und finanzierte. Auch der „Kölner Stadt-Anzeiger“ wird von dem Verlag herausgegeben. „Ohne unsere Initiative wäre nie etwas geschehen. Die Stadt hatte ja nie die Absicht, zu bauen“, sagt Jungen. „Es ist ein kleines Wunder, dass es jetzt zur Grundsteinlegung kommt.“ Dafür brauchte es einen Boxer, der die Stadt durch den Ring treibt.
Wer ist dieser Mensch, der als Weltbürger und Strippenzieher mit großem Einfluss gilt, beste Kontakte nach China, Saudi-Arabien und in die USA pflegt, der in seiner Villa Fotos seiner Enkel neben jenen von Ministern und Präsidenten auf dem Steinway drapiert?

Am 30. September 2025 erhielt Peter Jungen die Jabach-Medaille von Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker (r.) und NRW Kulturministerin Ina Brandes
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Peter Jungen wurde am 21. August 1939 geboren – zehn Tage, bevor die deutsche Wehrmacht Polen überfiel. Die „hartnäckige, starke Mutter“, die die Firma für Backrohstoffe am Leben hielt, als der Vater an der Front und später in Kriegsgefangenschaft war, habe ihn „sicher stark geprägt“, sagt er. Mit 14 oder 15 abonnierte er das „Handelsblatt“ – da wusste er schon, dass er was werden will in der Wirtschaft. Mit 17 war Jungen einer der besten Mittelstreckenläufer des Landes, fünf- bis sechsmal pro Woche hartes Training, Willensschulung. Seine Ausdauer und Hartnäckigkeit – „vielleicht kommen sie auch vom Laufen“.
Anfang der 60er Jahre investierte er bei der Privatisierung von Volkswagen so erfolgreich in da boomende VW-Aktien, dass er darüber sein Studium der Volkswirtschaft finanzieren konnte. 1966 wurde er persönlicher Assistent von Otto Wolff von Amerongen, Chef des Otto-Wolff-Konzerns, der als einer der einflussreichsten deutschen Unternehmer nach 1945 galt. Nach wenigen Jahren hatte Jungen es in den Vorstand einer Tochtergesellschaft geschafft.
Die träge Bürokratie beim WRM-Anbau triggert Peter Jungens Unruhe seit 24 Jahren
Der Mann, der zum royalblauen Anzug pinke Krawatte und Joggingschuhe trägt, ist ein Getriebener: Er habe ausgerechnet, dass er „etwa 230-mal um die Welt geflogen“ sei, sagt er beim Gespräch in seinem Salon und zeigt einen vollgekritzelten Zettel, von denen sich Dutzende auf einem langen Tisch im Salon stapeln. Sein ökologischer Fußabdruck ist also gewaltig? „Ja, natürlich!“ Seine größte Schwäche? „Vermutlich die Ungeduld.“
Die träge Bürokratie beim WRM-Anbau triggert Jungens Unruhe seit 24 Jahren. Als der Schweizer Mäzen Gérald Corboud der Stadt Köln im Jahr 2001 seine Kunstsammlung mit mehr als 170 bedeutenden Werken des Impressionismus und Neoimpressionismus als Dauerleihgabe anbot, versprach die ihm im Gegenzug einen Erweiterungsbau. Nach ewigem Stillstand und immer wieder öffentlich ausgetragenem Streit, dem Abzug eines Teils der Bilder durch Corbouds Witwe Marisol und nicht nachlassender Kritik Jungens an der „Kölner Wurschtigkeit“, gab es erst im Jahr 2020 eine Ratsmehrheit für den Erweiterungsbau.
Wer hat Angst vor Peter Jungen? Respekt haben gewiss nicht wenige
Mehr als 15 Jahre habe die Stadt nun Zeit gehabt, um Bodenproben auf dem Gelände nehmen zu lassen – veranlasst habe die Untersuchung schließlich der externe Projektmanager Jürgen Marc Volm, den der Stifterrat durchgesetzt hatte (und der sich als Projektmanager inzwischen auch um die Kölner Oper kümmert). Die Grundsteinlegung am Dienstag fällt nun auf Henriette Rekers letzten Arbeitstag nach zehn Jahren als Oberbürgermeisterin.
„Es geht nicht darum, dass die Stadt uns einen Gefallen tun muss“, sagt der. „Es geht lediglich darum, dass sie sich nicht schon wieder selbst erwürgt.“ Zwei Tage, nachdem Jungen Ende September die Jabach-Medaille für besondere Verdienste um die Kölner Museen erhielt, gab der Stifterrat eine Pressemitteilung mit dem Quecksilberfund heraus und schrieb, die Stadt beweise damit erneut, „wie sie in der Lage ist, sich selbst Schaden zuzufügen“.
Wer hat Angst vor Peter Jungen? Respekt haben gewiss nicht wenige. Immerhin ist der Unternehmer dafür bekannt, „auch zehn- oder 20-mal bei den Verantwortlichen anzurufen und denen auf den Wecker zu gehen, bis die ihm ein Zugeständnis gemacht haben“, wie ein alter Bekannter von Jungen sagt. „Er ist eine Nervensäge und guckt nicht nach links und rechts, wenn er seine Ziele erreichen will“, sagt ein anderer.
Wenn es einen Ort gibt, wo man nicht stehen will, dann ist es zwischen Peter Jungen und seinem nächsten Projekt
Wer hat Angst, sein Leben ohne Illusionen zu leben? Die Frage, die auch im Drama „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“ hinter der Angst-Frage steckt, beantwortet Jungen ohne zu zögern: Es sei die Stadtverwaltung mit ihrem „unnachahmlichen Hang zur Selbsterwürgung“. Der Kampf um den Erweiterungsbau sei nur ein Beispiel dafür, „das Desaster der Opernsanierung“ ein zweites.
„Wenn es einen Ort gibt, wo man nicht stehen will, dann ist es zwischen Peter Jungen und seinem nächsten Projekt“, hatte Laudatorin Ina Brandes, NRW-Kulturministerin anlässlich der Jungens-Ehrung mit der Jabach-Medaille gesagt. Bei der Umsetzung des Projekts helfe sie gern, „auch wenn Sie mir manchmal auf die Nerven gehen“. Oberbürgermeisterin Reker und Baudezernent Markus Greitemann hatten die Erweiterung immer befürwortet. Öffentlich lobten sie Jungens Engagement und bewiesen Nehmerqualitäten, wenn der ihnen wieder einen mitgab. Über Jungen und seine Rolle als Plagegeist sprechen wollen sie lieber nicht. Beide sagen eine entsprechende Anfrage ab.

1991 sprach Peter Jungen, damals Vorstandsvorsitzender des Baukonzerns Strabag, mit Diktator Saddam Hussein, um als Geiseln festgesetzte Mitarbeiter aus dem Irak freizubekommen.
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Beharrlichkeit hatte Jungen schon 1991 ausgezeichnet. Da war er Vorstandsvorsitzender des Baukonzerns Strabag und rettete nach drei Reisen in den Irak und einem persönlichen Gespräch mit Diktator Saddam Hussein 500 als Geiseln festgesetzte Mitarbeiter des Unternehmens aus zehn Ländern. Der Machthaber im Irak wusste, dass Jungen beste Kontakte zu Kanzler Helmut Kohl pflegte. Nach der Wende kaufte Jungen mit der Deutschen Bank den größten Baukonzern der ehemaligen DDR. Seit Mitte der 1990er Jahre investiert er in Start-ups und reüssiert als Business Angel. Das Preisvergleichsportal Idealo, dass er mitgründete und später an den Springer-Konzern verkaufte, finanzierte gewiss manche seiner Kunstwerke in der Marienburger Villa.
Kurz-Fragerunde, um dem gern als janusköpfig beschriebenen Peter Jungen näher zu kommen. Plagegeist, einverstanden? „Im Bezug auf die Stadt Köln auf jeden Fall ein Kompliment.“ Die wichtigsten drei Eigenschaften, um erfolgreich zu sein? „Resilienz, Neugierde, Aufstehen nach Rückschlägen.“ Seine Motivation, mit 86 weiter mitzumischen, sei es bei den New Yorker Philharmonikern im Board oder als Vorsitzender des Stifterrats fürs WRM? „Wenn ich sehe, dass es nicht weitergeht, was mir wichtig erscheint, ich aber eine Vorstellung habe, wie es zu machen sein könnte, packt es mich. Ein Beispiel ist die Rettung der Wallraf-Bibliothek.“ Seine Vorstellung von gesellschaftlichem Engagement? „Das Wort ist mir zu hoch gegriffen: Dinge machen, die man machen kann. Das reicht.“ Sein Verhältnis zur Stadt Köln? Grundsätzlich sei das intakt. „Die Stadt sollte immer daran denken, dass alle Kölner Museum aus privaten Initiativen und Sammlungen entstanden sind.“
Die Verwaltung weiß bis heute nicht, wie Projektmanagement funktioniert. Die Grundsteinlegung ist ein gutes Zeichen — weil die städtische Gebäudewirtschaft jetzt endgültig raus ist aus dem Projekt
Auf einem Tisch in Peter Jungens Bibliothek mit „geschätzt 13.000 bis 15.000 Büchern“ liegt ein Kunstband mit dem Titel „Cologne – New York – 1984-1989“. Damals galt Köln als Metropole der Kultur. Geht es nach Henriette Reker, dann könnte Köln im Jahr 2030 mit Blick auf die dann fertiggestellte Historische Mitte und die Via Culturalis an einstige Höhen anknüpfen. „Davon ist nicht auszugehen“, meint Jungen dazu. „Heute ist es so, dass eine neue Halle für die New Yorker Philharmoniker (in deren Board Jungen ist), in zweieinhalb Jahren geplant und gebaut ist, während ein Anbau für das Wallraf-Richartz-Museum am Ende fast 30 Jahre dauert.“
Peter Jungen setzt jetzt nochmal ein paar Jabs, im Boxen sind das schnell geschlagene Geraden mit der Führhand, die den Gegner zermürben. Bis heute habe die Stadt Köln keine Instandhaltungsstrategie für seine Kulturbauten, nur deswegen müssten viele von ihnen über Jahre geschlossen werden, um dann mühsam und wie bei der Oper unverhältnismäßig teuer instandgesetzt zu werden. Römisch-Germanisches Museum, Stadtmuseum, MAK – bald dann vermutlich das Ludwig und die Philharmonie. „Die Verwaltung weiß bis heute nicht, wie Projektmanagement funktioniert.“
Die Grundsteinlegung für den Erweiterungsbau sei „natürlich ein sehr gutes Zeichen“, sagt er. Als Symbol, dass es jetzt endlich mit dem Bauen losgeht. Und auch weil — letzter schneller Aufwärtshaken —, „die städtische Gebäudewirtschaft jetzt endgültig raus ist aus dem Projekt“. Letzte Frage an Peter Jungen: Boxen oder Laufen, was mag er mehr? „Laufen, ich würde mich immer fürs Laufen entscheiden. Boxen ist nicht so meins.“