Kölner angeklagtNeue Vorwürfe nach Reise zur somalischen Terrormiliz

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Gerichte Köln

Das Land- und Amtsgericht Köln an der Luxemburger Straße.

Köln – Jede Woche zum Gespräch mit Polizisten ins Kölner Polizeipräsidium zu gehen, das war Omar D., 36, irgendwann zu lästig. Er will dem Staatsschutz keine Fragen mehr zu seiner politischen Gesinnung beantworten, dabei war er als Beinahe-Mitglied einer Terrormiliz doch so knapp am Gefängnis vorbeigeschrammt. Die Missachtung der Bewährungsauflagen bringt den Kölner in die JVA Ossendorf, im März muss er sich vor dem Amtsgericht noch einer weiteren Anklage stellen.

Ursprung in der Bonner Islamistenszene

Omar D., Deutscher mit somalischen Wurzeln, entstammt der Bonner Islamistenszene. Bereits im September 2008 versucht er erfolglos, nach Uganda auszureisen, um sich dort einer Vereinigung von Dschihadisten anzuschließen. Er wird am Flughafen Köln/Bonn festgenommen, zusammen mit seinem Kumpel Abdirazak B. – der sich sieben Jahre später als Selbstmordattentäter der Al-Shabaab in Somalia in die Luft sprengen und 18 Menschen mit in den Tod reißen sollte.

Mitglied der Al-Shabaab in Somalia zu werden, das soll auch das Ziel des jetzigen Kölners Omar D. gewesen sein. Im Kampf um die Kontrolle des Landes verübt die islamistische Terrormiliz bis heute immer wieder Anschläge. Hunderte Menschen starben im vergangenen Jahrzehnt durch Geiselnahmen, Erschießungen und Sprengstoffattentate auf Marktplätzen, in Bussen und Hotelanlagen, auch im benachbarten Kenia. Ziel der Terrorangriffe sind auch immer wieder Politiker.

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Terrormiliz dachte, er sei ein Spion

Im April 2013 gelingt Omar D. die Ausreise von Deutschland über Kenia nach Somalia. Wie das Oberlandesgericht Frankfurt später feststellen sollte, will sich D. dort am bewaffneten Kampf der Al-Shabaab beteiligen. Er begibt sich in ein sogenanntes „Clearinghouse“, in dem Bewerber auf ihre körperliche und vor allem ideologische Eignung für eine Aufnahme in die Organisation geprüft werden. Doch Omar D. verlässt das Camp immer wieder eigenmächtig und stellt zu viele Fragen.

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Aufgrund seiner renitenten Verhaltensweise gerät Omar D. in den Verdacht, ein ausländischer Spion zu sein; der er aber gar nicht ist. Er wird in ein Gefängnis der Al-Shabaab verbracht und dort über Monate misshandelt und gefoltert. Fürsprecher in Somalia sorgen letztlich für seine Freilassung, Omar D. gelangt nach Kenia, wird dort im April 2014 festgenommen und kurz darauf nach Deutschland abgeschoben. Er bleibt zunächst auf freiem Fuß und schreibt sich für ein Studium ein.

Bewährungsstrafe vor dem Oberlandesgericht Frankfurt

In Frankfurt steht Omar D. ein Jahr später vor Gericht. Mit fünf weiteren Rückkehrern, die es als aktive Mitglieder in die Terrormilz geschafft hatten. Das Oberlandesgericht verurteilt sie wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung zu Haftstrafen zwischen dreieinhalb und fünf Jahren. Omar D. wird nur des Versuchs für schuldig befunden, er kommt vergleichsweise milde davon. Lediglich zwei Jahre Haft auf Bewährung, so lautet das Urteil am 7. Juli des Jahres 2016.

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Rechtsanwalt Mutlu Günal verteidigt den Angeklagten Omar D.

Wären da nicht die Bewährungsauflagen gewesen, die Mutlu Günal, Anwalt von Omar D., als „Schikane“ bezeichnet. Jede Woche muss Omar D. zum Staatsschutz, über sich und seinen Alltag berichten, „bis man sich nichts mehr zu erzählen hatte“, so sagt es Günal. D. soll Treffen geschwänzt, Kölner Polizisten als „Pisser“ und „Volldeppen“ bezeichnet haben. Das bringt ihm den Widerruf der Bewährung ein, D. sitzt seit Oktober 2019 in Haft. Dazu kommt die neue Anklage wegen Beleidigung.

Neuer Prozess im Kölner Amtsgericht

Am 10. März soll unter dem Aktenzeichen 523 Cs 19/20 in Saal 22 des Kölner Amtsgerichts gegen Omar D. verhandelt werden, inzwischen gibt es neue Vorwürfe. D. soll in der JVA mit Bediensteten aneinandergeraten sein. „Mein Mandant braucht Hilfe, keine Strafe“, sagt Anwalt Günal, zu den konkreten Vorwürfen will er sich aber nicht äußern. Omar D. sei traumatisiert, die Erinnerungen an die Folterhaft in Somalia, eingepfercht in einer winzigen Zelle, nagten an dem 36-Jährigen.

Der Lebenslauf von Omar D., den eine deutsche Konvertitin auf islamistische Abwege geführt haben soll, verwundert. Sein Vater, so schrieb es das Magazin „Der Spiegel“ kürzlich, gilt als einer der Helden von Mogadischu im Jahr 1977. Ahmed D. kommunizierte als Flughafenmitarbeiter mit den Entführern der Lufthansa-Maschine „Landshut“, die RAF-Terroristen in Deutschland freipressen wollten. Ahmed D.  soll vom Tower aus dabei geholfen haben, die Terroristen bis zum erfolgreichen Zugriff der Eliteeinheit GSG 9 hinzuhalten.

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