Cocktailbar im Kwartier Latäng„Die Qualität der Gewalt an der Zülpicher ist neu“

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Rosebud Betreiber Schwaiger 2

Die Rosebud-Bar Betreiber Philipp Hainke (l.) und Alex Schleeweiß im Kölner Kwartier Latäng.

  • Die Rosebud Bar in der Heinsbergstraße gibt es seit rund 30 Jahren und ist eine Institution im Kwartier Latäng. Philipp Hainke und Alex Schleeweiß haben die Bar Ende 2018 übernommen.
  • Ein Gespräch über Cocktailtrends, Zero Waste in der Gastro und die Zülpicher Straße.

Köln – Abseits der berüchtigten Partymeile gedeiht seit rund drei Jahrzehnten ungehindert auch gehobene Cocktailkultur in der Heinsbergstraße: Die Rosebud Bar ist eine Institution im Veedel. Die Betreiber locken mit anspruchsvollen Drinks und einem grünen Innenhof. Wir haben mit Philipp Hainke und Alexander Schleeweiß gesprochen.

Herr Hainke, Herr Schleeweiß, Ihre Vorgängerin hat die Rosebud Bar 30 Jahre lang betrieben, als Sie sie 2018 übernommen haben. Wie schafft man den Spagat zwischen Kontinuität und Neuanfang?

Hainke: Wir waren beide daran interessiert, dass die Geschichte der Rosebud Bar weitergeht. Wir wollten das Lockere von uns und von unserem Alter auch hier reinbringen, aber gleichzeitig die älteren Gäste mitnehmen, die das Klassische gewohnt sind: also intensive Beratung und eine größere Auswahl bei den Getränken. Wir machen gedanklich eine Mischung aus Kneipe vom Gefühl, ohne aber die Qualität des früheren Rosebud zu verlieren. Unsere Cocktails haben weiterhin einen hohen Standard, wir haben aber das Auftreten verändert: Es ist nahbarer, jünger, frischer, aber nicht weniger fachlich. Wir duzen zum Beispiel die Gäste.

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Hat es denn bisher geklappt, die alten Gäste zu halten und neue dazuzugewinnen?

Schleeweiß: Ja, es ist richtig schön, wir haben Gäste zwischen 25 und 65: vom Graffiti-Dude und Punker bis hin zum Banker und Investor. Die kommen an der Theke zusammen und unterhalten sich auf Augenhöhe, so wie es in einer Bar auch sein sollte.

Auch die Einrichtung ist eine Mischung aus schick, alt-gediegen und hippen Elementen.

Hainke: Genau, die sollte nicht einschüchtern.

Schleeweiß: Es hat sich sehr viel verändert, ohne dass die Leute es groß merken sollten. Alles was nach unten geht, ist gleich geblieben, und alles nach oben haben wir verändert. Bilder, Lampen, die Sitzecken. Früher waren schwere Möbel drin, schwere Sessel, Sitzecken und eine dunkle Bar mit viel Gold. Wir haben das mit den Pflanzen ein wenig aufgelockert.

Hainke: Original sind der Holztresen und der Marmorboden. Und gerade am Tresen orientieren sich alle und denken: ist doch alles wie vorher.

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Der begrünte und gemütliche Innenhof der Rosebud Bar im Kölner Kwartier Latäng.

Sie haben die Bar kurz vor Ausbruch der Pandemie übernommen und sind damit direkt in eine Achterbahnfahrt aus Schließungen, Öffnungen und sich ständig ändernden Corona-Auflagen geraten. Ist das Barleben mittlerweile wieder wie vorher?

Hainke: Das Barleben an sich auf jeden Fall. Aus gastronomischer Sicht ist es noch nicht vorbei, wir arbeiten den entstandenen Schaden immer noch ab. Wir haben jeden Cent, den wir in einem Jahr ansammeln konnten, aufgebraucht: Personal aufstocken und halten über die Zeit. Der Bedarf bei den Leuten ist da. Die drehen völlig durch. Wir merken das auch unter Woche. Tage, die vorher bisschen schwächer waren, so ein Dienstag, sind mittlerweile gefühlt wie ein Samstag.

Jetzt ist noch viel Euphorie, aber die spannende Zeit im Herbst kommt noch. Die Lieferschwierigkeiten wegen Corona machen uns Probleme und auch die Auswirkungen des Ukraine-Kriegs merken wir: Das größte Glaswerk Europas ist einfach nicht mehr da. Manches kann man nur in PET-Flaschen bestellen.

Wir stehen vor dem nächsten verlängerten Wochenende, die Leute gehen wieder viel aus. Was ist so ein beliebtes Feierabend-Getränk der Gäste?

Hainke: Die sogenannten High-Balls. Das ist ein kleiner Cocktail, der aufgegossen wird: eine Spirituose, zwei bis drei geschmackliche Zusätze und dann etwas Sprudeliges wie Ginger Beer oder Tonic Water. Das sind die typischen Feierabenddrinks, von denen die Leute ein bis zwei, manchmal auch drei bis vier trinken. Nichts, womit man sich schwer belastet, es ist kein Martini oder Negroni. Da wir hier auch diesen nachbarschaftlichen Kneipengedanken pflegen, kann es auch einfach mal ein Kölsch sein. Oder eine Weinschorle.

Rosebud Bar: Getränketrends und Zero Waste

Gibt es bestimmte Trends? Beim Barsymposium Cologne war die Rede davon, dass milch-basierte Cocktails, sogenannte Milk-Punches, beliebt sind. Schlägt sich das in der Nachfrage im Rosebud nieder?

Hainke: Wir haben die schon eine Weile. Das ist das Schwierige an Trends, man fährt diese Richtungen, aber manchmal ziehen sie auch an uns vorbei. Den Milk-Punch fragen die Leute bei uns aber definitiv nach: Wir haben eine Dill-Apfel-Mischung auf Milchbasis, wobei wir Soja-Milch verwenden, weil wir ohne tierische Produkte, also komplett vegan, arbeiten. Bei dem Milk-Punch geht es vor allem um das leicht Cremige. Auch mit Champagner aufgegossen wird er bei uns echt nachgefragt – ob er auf der Karte steht oder nicht.

Zu den Personen

Philipp Hainke ist 35 Jahre alt und in der ehemaligen DDR geboren und in Würzburg aufgewachsen. Um in der Gastronomie Fuß zu fassen, ist er vor acht Jahren nach Köln gekommen. Er arbeitete zwei Jahre als Barchef Barchef im Seiberts am Friesenwall und wechselte dann in die Rosebud Bar, die er zusammen mit Alex Schleeweiß Ende 2018 von Julia Christidou übernommen.

Alexander Schleeweiß ist 31 Jahre alt, kommt aus München und lebt seit zehn Jahren in Köln. Er war hier vier Jahre Betriebsleiter der Bar Sixpack, hat schon Partys veranstaltet und war zuletzt in der Getränkeindustrie tätig. (gam)

Sie arbeiten hier nach dem „Zero Waste“-Prinzip, also versuchen, Müll zu vermeiden – ebenfalls eine starke Tendenz in der gehobenen Cocktailszene. Ist das nicht widersprüchlich, an einem Ort, wo es um Genuss und Konsum geht, Müll zu vermeiden?

Hainke: Nein, überhaupt nicht. Wir sind diejenigen, die den Genuss produzieren. Bei der Grundproduktion unseres Gin-Basil-Smash stellen wir eine Grundmasse aus Gin, Basilikum und Ingwer her. Das Ganze wird mit Basilikum-Gin gemixt. Es entsteht eine Paste. Wenn wir das filtriert haben, könnten wir sie einfach wegschmeißen, aber wir streichen sie aus, lassen sie luftrocknen und stechen sie aus – das wird dann die Deko von dem Getränk.

Aber klar, weggeschmissen wird immer – wir sind in der Gastro und die Deko darf ich ja zum Beispiel auch nicht wiederverwenden. Wir versuchen aber, so viel wie geht rauszuholen. Wir vermeiden Plastik, indem wir etwa Strohhalme aus Glas verwenden. Wir verzichten auf To-Go-Getränke, weil wir keinen Weg finden, das nachhaltig zu gestalten.

Schleeweiß: Auch in der Corona-Zeit haben wir darauf verzichtet, weil es überall eine Müllverschmutzung gab. Das ist zwar lukrativ. Bei einem guten Pfandsystem, wären wir gern dabei. Aber dann müssten alle Gastronomen Geld in die Hand nehmen.

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Seit Jahren nachgefragt in der Bar: Der Rosebud Special, bestehend aus Gin, Himbeercordial, Limettensaft, Rosensirup, Lycheelikör und Soda

Ein weiterer Trend ist doch auch, dass die Gäste immer öfter zu alkoholfreien Varianten tendieren. Stellen Sie das auch fest?

Hainke: Ja, und nein. Ich würde sagen, dass die Nachfrage schon immer da war, dass die Bereitschaft der Bars aber gestiegen ist, alkoholfreie Cocktails anzubieten. Das stelle ich bei mir selbst fest: Früher dachte ich: Nimm‘ doch eine Limo. Jetzt trinke ich selbst schon eine Weile keinen Alkohol mehr und da merke ich, wie schwer es für Leute ist, die in einer Gruppe kommen, etwas Schönes zu trinken, das den Wert des Abends widerspiegelt. Also müssen wir mehr machen. Und die Leute freuen sich riesig.

Es ist also keine Bedrohung des Bartender-Berufes?

Schleeweiß: Ganz und gar nicht, eher eine Bereicherung. Es kommen auch Gäste, die einfach Lust auf Atmosphäre haben.

Hainke: Was wir nicht machen ist, alkoholfreie Ersatz-Spirituosen anzubieten, weil die Produkte nicht ihr Geld wert sind, finde ich. Wir arbeiten zum Beispiel lieber mit alkoholfreien Bitters, Martini hat zum Beispiel ein tolles Produkt herausgebracht, was viel Körper hat. Ich habe schon alkoholfreie Spirituosen probiert, die wie etwas gewürztes Wasser schmecken. Dafür zahlt man dann 35 Euro den halben Liter.

Kölner Rosebud Bar: Betreiber über Zülpicher Straße

Sie schwärmen von Ihrer Nachbarschaft, von den Gästen aus dem Veedel, die der Rosebud Bar auch nach dem Betreiberwechsel treu geblieben sind. Wie lebt es sich so unmittelbar in der Nähe der berüchtigten Partymeile? Was bekommen Sie von dem nächtlichen Treiben hier mit?

Hainke: Alles. (lacht). Erstens natürlich die Veränderung des Veedels, und das Rosebud war schon immer hier. Das Rosebud und das Bagutta nebenan waren schon immer die kleine Schweiz, das Feierpublikum läuft eher an uns vorbei. Wir strahlen nichts aus, was die suchen, deswegen kommen hier eigentlich auch selten welche rein. Wenn die sehen, dass die Getränke auch ein bisschen mehr kosten, schreckt sie das eher ab. Die Entwicklungen der Zülpicher Straße in den letzten beiden Jahren sind nicht schön.

Viele Jugendliche hängen in den Hauseingängen ab. Wir kümmern uns aber auch: Wir kennen viele Nachbarn und wissen zum Beispiel, wo sich Kinderzimmer befinden und sagen denen dann, sie sollen weiterziehen, zum Beispiel in den Park. Denn die Kids hier haben mittlerweile Angst, abends aus dem Haus zu gehen.

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Wirkt sich das negativ auf Ihr Geschäft aus?

Hainke: Uns schadet das Image zwar geschäftlich nicht, aber wir machen uns um das Veedel sehr viele Sorgen. Auch um die eigenen Angestellten, weil man nicht weiß, was abends noch passieren kann. Es gibt aggressive Leute, so gab es das früher nicht. Das Veedel war immer Studenten- und Feiermeile, es gab immer Lärm, Leute, die bis in den Morgen gesungen und gefeiert haben – ja, aber diese Qualität der Gewalt ist neu.

Was ist das Kurioseste, was Ihnen in Sachen Getränkewunsch begegnet ist?

Schleeweiß: Fanta 43er.

Hainke: Likör 43 mit Fanta, sehr eklig. Oder wenn Gäste Klassiker zucker- oder alkoholfrei wollen. Zum Beispiel den Old Fashioned, Whiskey mit Zucker. Eine Dame wollte den alkoholfrei. Also wollen Sie Zucker, fragte ich sie? (lacht)

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