Chefin des Schokoladenmuseums„Nur noch 5,5 Prozent unserer Gäste sind aus Köln“

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Annette Imhoff

Annette Imhoff

  • Annette Imhoff, die Geschäftsführerin des Schokoladenmuseums im Rheinauhafen, über ihre Pläne für das Haus, das in diesem Jahr 25. Geburtstag feiert

Frau Imhoff, mit jährlich 550.000 Besuchern ist Ihr Schokoladenmuseum das erfolgreichste Museum der Stadt – was ist das Geheimnis des Erfolges?

Zunächst besitzt Schokolade einfach eine unglaubliche Zugkraft und wir sind glücklich, dass wir das Thema bespielen dürfen. Dazu kommt die wunderbare Lage in der Nähe zum Zentrum, zum Dom. Wenn wir in Porz oder in Braunsfeld am Maarweg säßen, hätten wir es deutlich schwieriger. Man kann meiner Mutter nur danken, dass sie damals diesen Platz ausgesucht hat.

Aber wir haben eben auch eine unheimlich moderne Ausstellung und eine richtige Schokoladenfabrik – die letzte in Köln, die jeden Tag Schokolade herstellt. Bei uns kann man aus dem Schokoladenbrunnen naschen, im Tropenhaus aber auch das Klima beim Kakaoanbau körperlich nachempfinden. Und wir zeigen 5000 Jahre Kulturgeschichte der Schokolade. Die Mischung stimmt.

Ein Selbstläufer ist es aber trotzdem nicht, oder?

Man darf nicht vergessen: Als das Schokoladenmuseum vor 25 Jahren gegründet wurde, gab es kein Odysseum, gab es kein Sportmuseum, gab es keine Handys, die Anforderungen an ein Freizeiterlebnis waren völlig andere – und wenn wir uns nicht jedes Jahr anstrengen und uns neu erfinden, nach vorne marschieren, wenn wir uns ausruhen und nicht besser werden wollen, wird es uns genauso hinwegfegen, wie viele andere auch. Wir müssen das Bestehende erhalten und pflegen und uns auch neuen Gegebenheiten anpassen. Anders geht es nicht. Das gilt für Museen wie für jedes Unternehmen.

Man hat den Eindruck, jeder Kölner und auch die Menschen aus der Region waren schon einmal im Schokoladenmuseum. Wie wollen Sie neue Besuchergruppen erschließen?

Es geht nicht nur um neue Besucher – in unserem Geburtstagsjahr wollen wir die Kölner und die Menschen aus dem Umland auffordern, das Schokoladenmuseum neu zu entdecken. Auch wenn viele vor 15 oder 20 Jahren schon mal bei uns waren, sind wir ja nicht abgehakt. Es gibt inzwischen sehr viel Neues und so viel zu entdecken, dass man auch zehnmal kommen kann und es ist noch immer spannend.

Zu wenige Kölner kommen ins Museum

Wie stark sind Kölner unter den Besuchern vertreten?

Es kommen nur noch 5,5 Prozent aller Gäste aus dem Stadtgebiet, das hat unsere Besucherbefragung ergeben. Diese Zahl ist zu niedrig, aber wir wollen sie erhöhen.

Wie wollen Sie das schaffen?

Indem wir unser großartiges Angebot wieder bekannter machen. Wir wollen als echte Freizeitalternative wahrgenommen werden und haben dafür auch neue Angebote entwickelt: Familien können etwa am Wochenende Führungen mit Verkostungen buchen, ohne in einer großen Gruppe unterwegs zu sein. Das gibt es in keinem der anderen Kölner Museen. Wir haben aber noch viel mehr zu bieten: Wir haben einen Maître Chocolatier eingestellt, dem man bei der handwerklichen Schokoproduktion zuschauen kann. Es gibt einen kleinen Roboter, der Besuchern direkt vom Band die frische Schokolade reicht. Und unser Schokobrunnen zieht weiter die Menschen an. Übrigens: Es ist ein Mythos, dass man nur einmal gehen darf. Nein, wer will, darf sich auch gerne zehnmal beim Brunnen anstellen.

Wie wichtig ist das Eventgeschäft für Sie?

Wir sind gut gebucht für Geburtstage, Hochzeiten, Firmen- und Familienfeste, das ist großartig. In der Regel sind es dann doch Kölner, die bei uns feiern. Wir haben damit eine besondere Verbindung in die Kölner Stadtgesellschaft: Im Schokoladenmuseum zu feiern, zaubert den Menschen ein Lächeln ins Gesicht. Wir sind eben ein besonderer Ort.

Hat das Schokoladenmuseum auch eine digitale Strategie?

Wir beschäftigen uns sehr intensiv damit. Die Terminals in der Ausstellung sind inzwischen nicht mehr die neuesten, jetzt fragen wir uns, auf welche Technik wir setzen sollen: Führen wir Audio-Guides ein, sollen die Besucher ihre eigenen Smartphones nutzen, zeigen wir Filme, soll die Ausstellung interaktiver werden? Aber man darf es auch nicht übertreiben: Wenn ich ein Erlebnis so gestalte, dass ich es letztendlich auch zu Hause vor dem Rechner genießen kann, brauche ich nicht mehr ins Museum zu gehen. Wir setzen auf unsere Stärken: Wer bei uns reinkommt, riecht schon die Schokolade.

Das gibt es im klassischen Kunstmuseum nicht.

Und beim Riechen hört es ja nicht auf – wir bedienen alle Sinne. Die Maschinen rattern, im Tropenhaus fühlen unsere Gäste die Feuchtigkeit auf der Haut. Man muss verdammt aufpassen, dass man nicht zu sehr auf digitale Medien setzt und sich darüber vergisst. Wir haben ein sehr sinnliches Verständnis unseres Museums, wollen aber auch immer wieder Neuerungen einbringen.

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Sie haben inzwischen montags geöffnet. Wie wird das angenommen?

Der Montag ist weiterhin ein Hemmschuh und ist schlechter besucht als die anderen Tage. Wir haben im vergangenen Jahr in den Schulferien damit begonnen und sind neben Kolumba das einzige Kölner Museum, das jetzt fast das ganze Jahr an Montagen geöffnet hat. Viele Deutsche rechnen nicht damit, dass Museen montags geöffnet haben.

Woher kommen Ihre Besucher, wenn nicht aus Köln?

Gut 45 Prozent kommen aus dem Ausland, 2017 kamen die meisten ausländischen Gäste aus den Niederlanden – insgesamt haben uns 160 Nationen im letzten Jahr besucht. Spannend ist auch, dass etwa 25 Prozent unserer Besucher aus NRW kommen.

Es gibt noch andere Schokoladenmuseen. Wie heben Sie sich hervor?

Der Begriff Schokoladenmuseum ist leider nicht geschützt. Manche bezeichnen so schon ihre 40 Quadratmeter Ausstellungsfläche hinter dem Werksverkauf. Da gibt es dann eine Plastik-Kakaofrucht und es wird erklärt, wie der Produktionsprozess funktioniert – schon nennt man sich Schokoladenmuseum. Wir aber haben 4000 Quadratmeter und wirklich tolle Exponate. Keiner außer uns zeigt die 5000-jährige Kulturgeschichte von Kakao und Schokolade, nach dem Anbau der Kakaofrucht und den Erläuterungen zum Produktionsprozess hört es eigentlich bei allen anderen auf. Das sind ja in der Regel auch Firmenmuseen, die nichts erzählen, was über das eigene Produkt hinausgeht. Obwohl mein Papa ja auch eine Schokoladenfirma hatte, hat er da eben nicht aufgehört – er wollte die gesamte Geschichte erzählen. Großartig.

Denken Sie manchmal: Was würde mein Vater machen? Er war ja wirklich eine prägende Figur in Köln.

Nein, überhaupt nicht. Ich habe Ostern sein Buch „Auf der Schokoladenseite“ nach langer Zeit noch einmal gelesen. Da geht es ja um die Zeit bis etwa 1989, da war ich 18. Als ich es nun erneut gelesen habe, war ich wiederum sehr beeindruckt von meinem Vater. Ich bin aber viel stärker mitarbeiter- und teamorientiert. Meinem Vater ist es leider nicht gelungen, eine Führungsmannschaft aufzubauen, die mit der Größe des Unternehmens mitgewachsen ist. Das war schlussendlich auch der Grund, warum ich es nicht übernehmen wollte. Ich habe mir als junge Frau nicht zugetraut, diese verkrusteten Strukturen aufzubrechen, und wollte daran nicht scheitern. Ich habe viel Kraft, aber bei weitem nicht die meines Vaters. Er hatte eine unglaubliche Energie. Sein unbedingter Wille zum Erfolg hat ihn getrieben und hat ihn dann auch den Aufbau des Unternehmens vorantreiben lassen.

Die Stadt Köln muss unternehmerischer denken

Für Köln ist Ihr Museum ja auch ein Aushängeschild. Fühlen Sie sich von den Verantwortlichen der Stadt gut behandelt?

An vielen Stellen läuft es gut: Wir haben mit Kölntourismus Messe-Kooperationen abgeschlossen, sind aktuell auf einigen City-Lights-Plakaten zu sehen – ein Geschenk der Stadt zum 25. Geburtstag – und die Zusammenarbeit mit der KVB bei unserer eigenen Schoko-Bahn war auch großartig. Wir arbeiten bei Führungen und Publikationen gut mit dem Museumsdienst zusammen und wollen das noch intensivieren. Ich halte die Zusammenarbeit mit der Stadt für ausgesprochen wichtig. Gelegentlich gibt es noch Vorbehalte, aber daran arbeiten wir.

Wo gibt es Potenzial nach oben?

Die Stadt und ihre herausragenden Sehenswürdigkeiten könnten deutschlandweit und international stärker herausgestellt werden. Es wird oft sehr drauf geachtet, was eine städtische Einrichtung ist und was nicht. Diese Unterscheidung wird in der Außendarstellung viel zu häufig getroffen, ist für die Besucher aber völlig irrelevant.

Gibt es Dinge, mit denen Sie richtig unzufrieden sind?

Wir sind eine der größten Touristenattraktionen der Stadt, haben 550.000 Besucher, viele davon kommen extra wegen uns in die Stadt. Dass wir trotzdem für die Flyer-Auslage bei Kölntourismus Geld bezahlen müssen, ist für mich unverständlich. Wir sind ja nicht irgendein x-beliebiges Hotel.

Muss die Stadt unternehmerischer denken?

Ja, total. Es muss Aufgabe der Stadt sein, sich immer wieder zu fragen: Wie schaffen wir Erfolge? Wie kann ich größtmögliche Öffentlichkeit im positiven Sinne herstellen?

Wären Sie lieber in einer anderen Stadt als in Köln?

Nein. Niemals. Ich finde einfach, dass viele Chancen vergeben werden. Wir müssten auch vorausschauender sein: Dass wir viel zu wenige Schulplätze haben, kann ich nicht verstehen. Die Kinder sind doch hier geboren; da ist es das einfachste, vorherzusehen, dass sie auch hier zur Schule gehen werden. Da herrscht bei mir großes Unverständnis, aber ich habe auch Respekt davor, so einen Moloch zu steuern. Ich habe selbst große Unternehmen geführt und weiß, wie schwierig es ist, Veränderungen in Organisationen zu bewirken. In kommunalen Zusammenhängen ist das ja noch unendlich schwieriger und kostet viel Kraft. Die Menschen, die bereit sind, sich darauf einzulassen, verdienen großen Respekt.

Und was mögen Sie besonders an Köln?

Die Entspanntheit, mit der die Kölner mit den Unwegsamkeiten dieser Stadt umgehen.

Hat diese Millionenstadt Eigenheiten wie die Bimmelbahn nötig, die ja auch vor Ihrem Museum hält?

Ob man die Bimmelbahn schön findet oder nicht: Sie ist Teil des öffentlichen Nahverkehrs und wichtiges Transportmittel. Wir sind zwar nur 15 Minuten vom Dom entfernt, aber dafür muss ich laufen können und es gibt Leute, die nicht gut zu Fuß sind. Und versuchen Sie mal, anderweitig mit öffentlichen Verkehrsmitteln vom Dom zu uns zu kommen.

Da müssen erst einmal die Fahrpläne studiert werden.

Eben. Wir freuen uns auch, dass wir einen Schiffsanleger haben. Die Touristen können von uns direkt mit dem Schiff bis nach Rodenkirchen zu fahren und das Rheinpanorama genießen. Ansonsten ist der Verkehr in dieser Stadt ja unsäglich.

Was halten Sie von dem Vorschlag, mehr Verkehr auf den Rhein zu verlagern, etwa mit einem Wasserbus?

Warum nicht? Alles, was Menschen von A nach B transportiert, ohne dass sie im Stau stehen, ist gut. Die Stadt wird weiter wachsen – irgendwann kommt keiner mehr irgendwohin, weil wir uns alle nicht mehr bewegen können.

Zur Person

Annette Imhoff, 1969 geboren, Tochter des 2007 verstorbenen Schokoladenunternehmers Hans Imhoff, führt seit 2016 mit Ehemann Christian Unterberg-Imhoff die Geschäfte des Schokoladenmuseums. Das Paar hat zwei Töchter.

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