„Der Dom bleibt als Motiv ein Favorit“Lindenthaler Kunstmeile feiert Jubiläum – das ist für die Street Gallery im Herbst geplant

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Bettina Spillmann und Krzysztof Swider vom Ring Lindenthaler Geschäftsleute planen eine opulente Kunstwoche. Foto: Thomas Dahl

Bettina Spillmann und Krzysztof Swider vom Ring Lindenthaler Geschäftsleute planen eine opulente Kunstwoche.

Bettina Spillmann und Krzysztof Swider vom Ring Lindenthaler Geschäftsleute sprechen im Interview über den Status der Kunstmeile und ihre Historie.

Bettina Spillmann (64) ist Inhaberin des Bekleidungsladens Cologne Couture und betätigt sich seit 2007 im Ring Lindenthaler Geschäftsleute (RLG). Krzysztof Swider (59) ist selbstständiger Betreiber eines Hausmeisterservices sowie Vorstandsmitglied im Ring Lindenthaler Geschäftsleute. Thomas Dahl hat mit ihnen gesprochen.

Frau Spillmann, als langjähriger Beobachter der Street Gallery würde ich der Veranstaltung das Attribut „brav“ verleihen. Mut zum Experiment oder der Reflexion gesellschaftlicher Entwicklungen wie etwa Krieg, Rassismus, Armut oder sexuelle Identität sind kaum wahrnehmbar, demgegenüber steht eine inflationäre Präsentation von gemalten, fotografierten oder konstruierten Gefälligkeiten, beispielsweise der ewige Dom, Liebeleien in Herzform und das „Kölsche Vita“ im Allgemeinen. Wie sehen Sie das?

Bettina Spillmann: Der Wunsch nach mehr Gesellschaftskritik oder Kontroversität ist da angebracht, wo Kunst auch in diesem Rahmen gezeigt wird, also in den Galerien und Museen. Wir hatten das auch schon mit Caspar Reuter und seinen Fleischlappen in der Metzgerei Eckart. Bei der Street Gallery streben wir eine Symbiose aus kommerziellen Geschäften und den Kunstschaffenden an. Man kann einer Parfümerie nicht vorschreiben, kontroverse Kunst auszustellen. Die möchten das haben, was ihnen persönlich gefällt und zu ihnen passt. Wenn man 50 Läden hat, die davon leben, Unterwäsche, Pullover oder Schmuck zu verkaufen und ihnen zu intensive Sachen vorschlägt, würden die meisten ablehnen. Ich finde, wir zeigen schöne Kunst.

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Gefällige Kunst.

Spillmann: Ja, gefällige Kunst. Macht ja nichts. Das ist hier ja auch ein gefälliges Pflaster. Im Endeffekt ist unser Ziel eine Win-win-Situation. Die Künstler und die Geschäfte sollen davon profitieren. Das soll nichts Einseitiges sein. Der Anspruch ist nicht, hochkarätige Kunst zu zeigen.

Gibt es Erhebungen zu der von Ihnen erwähnten Win-win-Situation für die Künstler?

Spillmann: Aus meiner Erfahrung verkaufen sich kleine Formate immer gut. Auch, wenn Ihnen das nicht so gefällt, bleibt der Dom als Motiv stets ein Favorit.

Welche Kriterien müssen die teilnehmenden Künstler der Street Gallery eigentlich erfüllen?

Krzysztof Swider: In Bezug auf die Kunst keine. Wir benötigen Angaben zur Größe der Werke oder zu technischen Notwendigkeiten. Natürlich stellen wir nichts Extremistisches aus. Kein Rassismus, kein Sexismus, keine rechten Positionen. Diese Leute fallen bei der Bewerbung sofort durch.

Ich habe den Eindruck, dass viele Händler das zugrundeliegende Konzept auch nach einem Vierteljahrhundert noch nicht verinnerlicht haben. Oftmals verschwinden die Kunstwerke im Hintergrund oder zwischen den üppigen eigenen Auslagen.

Spillmann: Das ist in Bezug auf den Wandel der Zeit und der wirtschaftlichen Entwicklung zu sehen. Es gibt beides, Händler, die ihr Geschäft für die Kunst möglichst leerräumen und andere, die die Werke eher zwischen den Waren platzieren. Das geschieht in Absprache zwischen Künstlern und Geschäftsinhabern. Ich kenne niemanden, der sich in all den Jahren darüber beschwert hätte. Man muss bedenken, dass hier viele Geschäfte seit dem Boom der Onlinekonzerne schwer zu kämpfen haben. Wir wollen ihnen daher nicht vorschreiben, wie sie die Arbeiten präsentieren.

Welche Neuerungen planen Sie im Zuge der Jubliäumsausgabe im kommenden Herbst?

Spillmann: Wir präsentieren in Anlehnung an den Pariser Montmartre unser ‚Lindenthaler Künstlerviertel‘. Dafür stellen wir am 15. Oktober zwischen Classen-Kappelmann-Straße und Herbert-Lewin-Straße ein Areal mit Live-Bühne zur Verfügung. Wir möchten die Leute zur Teilhabe aufrufen. Das kann in Form von Musik, Bildhauerei, Tanz, Literatur oder Malerei sein. Eventuell bekommen wir dort ja einen Poetry Slam zu hören. Das fände ich spannend. Die Inhalte sind dabei nicht an das Thema der Street Gallery gebunden. Vielleicht haben wir auch eine Drag-Queen dabei. Alles ist möglich.

Wie können sich die Interessenten dafür bewerben?

Spillmann: Einfach per Mail an info@wirsindlindenthal.de. Wir benötigen ein hochaufgelöstes Foto im Querformat mit mindestens 300 dpi und einen aussagefähiger Text.  Einsendeschluss ist der 10. August. Wir würden uns freuen, wenn viele mitmachen, denn die Darbietungen laufen von 11 bis 18 Uhr.

Einen Tag nach dem Ende der Street Gallery startet am 22. Oktober in den Nachbarstadtteilen Sülz und Klettenberg die dortige Kunst im Carrée mit einem ähnlichen Konzept. Wäre es nicht sinnvoll, die Termine weiter auseinander zu legen, um eine Übersättigung seitens der Besucher zu vermeiden?

Spillmann: Es gab sogar Zeiten, da liefen die Veranstaltungen parallel. Das liegt an den verkaufsoffenen Sonntagen, die wir nach Antragstellung von der Stadt bewilligt bekommen. Davon gibt es nur drei im Jahr.

Swider: Außerdem müssen diese umfangreichen Anträge lange im Voraus gestellt werden. Jedes Viertel versucht, die besten Termine für sich zu erhalten. Aber die Street Gallery war immer im Herbst.

Gibt es noch Möglichkeiten, an der einwöchigen Hauptveranstaltung teilzunehmen?

Spillmann: Die rund 50 Ausstellungsplätze abseits des Lindenthaler Künstlerviertels sind bereits besetzt. Das spricht für die Attraktivität des Events und stellt alleine in seiner Beständigkeit schon eine Kunst dar.


Infos zur Street Gallery

Die Kunstmeile entlang der Dürener Straße wurde 1998 von ansässigen Geschäftsleuten ins Leben gerufen, um fehlende Ausstellungsräume im Stadtteil mittels Ladenflächen zu kompensieren. Anfangs nur akademisch ausgebildeten Künstlern vorbehalten, öffnete sich die Veranstaltungsreihe im Laufe der Jahre für Teilnehmer unabhängig von deren Bildung.

Seit 2014 organisieren Bettina Spillmann und Krzysztof Swider das einwöchige Herbst-Event, zu dem spezielle Kunstführungen stattfinden und ein Ausstellungskatalog veröffentlicht wird. Das Format wird jährlich von 40 bis 50 Geschäften getragen, die Künstler aus einem Bewerbungspool wählen. Anlässlich des 25-jährigen Jubiläums wurde erstmals ein Leit-Thema vorgegeben, „Lindenthal“. Die Street Gallery findet vom 13. bis 21. Oktober statt. www.lindenthal.info

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