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Missbrauchsfall Priester Ue.Mehr als 30 Anzeigen gegen Kölner Kardinal Woelki

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Woelki vor Kreuz

Kardinal Rainer Woelki

Köln – Gegen den Kölner Erzbischof, Kardinal Rainer Woelki, und weitere Kirchenfunktionäre sind bei der Staatsanwaltschaft Köln im Zusammenhang mit dem Fall des Priesters und Missbrauchsserientäters Hans Ue. mehr als 30 Strafanzeigen eingegangen.

Wie Behördensprecher Ulrich Bremer dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagte, kommen die Anzeige-Erstattenden aus dem gesamten Bundesgebiet. Die meisten hätten denselben Wortlaut. Sie beziehen sich auf möglicherweise strafbare Versäumnisse der Bistumsleitung bei der kirchlichen Sanktionierung und Kontrolle des Täters. Das Landgericht Köln hatte Ue. Ende Februar wegen sexuellen Missbrauchs von neun minderjährigen Mädchen in 110 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwölf Jahren verurteilt.

Nie ein striktes Kontaktverbot

In der Urteilsbegründung hatte das Gericht deutlich gemacht, dass die Kirche nie ein striktes Kontaktverbot zu Kindern und Jugendlichen verhängt und selbst die gegen den Täter ausgesprochenen Auflagen nicht kontrolliert hatte. Nach Erkenntnissen aus dem Prozess setzte Ue. seine Missbrauchsserie bis mindestens 2019 fort.

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Im Prozess zeigten sich mehrere kirchliche Dienstvorgesetzte entgeistert, dass die Bistumsleitung sie über den Missbrauchsverdacht gegen Ue. vollkommen im Unklaren gelassen hatte. „Ich bin mehr als je zuvor davon überzeugt, dass Verantwortliche weitere Taten … hätten verhindern können“, schrieb der frühere Wuppertaler Pfarrer Torsten Kürbig Anfang Februar an die Staatsanwaltschaft. Kürbig war ab 2012 als Leitender Pfarrer für den Einsatz Ue.s in der Seelsorge verantwortlich.

Bei seinem Amtsantritt habe ihn das Erzbistum glauben lassen, in seinem Sprengel sei alles in bester Ordnung, klagte Kürbig. Dass er für Opfer Ue.s hätte Verantwortung nehmen sollen, „was ich aber mangels Kenntnis nicht getan habe“, das „belastet mich nach wie vor“, so Kürbig weiter.

Vier Kirchenfunktionäre im Fokus

Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ richten sich die Anzeigen gegen Woelki selbst sowie gegen seinen Generalvikar Markus Hofmann und dessen Vorgänger Stefan Heße (heute Erzbistum von Hamburg) und Dominik Schwaderlapp (Weihbischof in Köln) sowie gegen den früheren Offizial (Leiter des Kirchengerichts) Günter Assenmacher. Ihnen werden vorsätzliche Beihilfe durch Unterlassen und strafbare fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen.

Bremer wollte diese Details nicht bestätigen. Er kündigte aber die Prüfung eines Anfangsverdachts gegen Bistumsfunktionäre von Amts wegen an. „In diese noch andauernde Prüfung wird die Staatsanwaltschaft bei den hier in Rede stehenden Anzeigen auch die schriftliche Urteilsbegründung des Landgerichts Köln einbeziehen, die allerdings noch nicht vorliegt“, so Bremer weiter.

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Ein förmliches Ermittlungsverfahren komme erst nach Bejahung eines Anfangsverdachts und der Entscheidung über die Einleitung von Ermittlungen in Gang, betonte er.

Gutachten beurteilen Verantwortung unterschiedlich

Auffallend sind die in Teilen abweichenden allgemeinen rechtlichen Beurteilungen in verschiedenen Missbrauchsgutachten*.

Die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW), deren Kölner Studie Woelki im Jahr 2019 verworfen und nicht publiziert hatte, bejaht in ihrem Münchner Missbrauchsgutachten für ein Fehlverhalten der Bistumsleitung im Sinne der Anzeigen-Erstatter eine Garantenstellung aus der sogenannten Geschäftsherrenhaftung. Das 2021 veröffentlichte Ersatzgutachten des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke verneint diese, unter anderem, weil die Beziehung zwischen dem Bischof und seinen Priestern nicht als öffentlich-rechtliches, hierarchisches Verhältnis der Über- bzw. Unterordnung im staatlichen Sinne oder als abhängiges Arbeitsverhältnis anzusehen sei.

Allerdings kommen grundsätzlich auch bei Gercke strafrechtlich relevante Versäumnisse in den Blick. So könnten Bistumsverantwortliche ihre Pflicht zur Garantenstellung „aus Ingerenz“ verletzen. Damit ist die Pflicht gemeint, eine aus vorangegangenem Verhalten geschaffene Gefahrenquelle in ihren schädlichen Folgen möglichst weit zu begrenzen.

*Die folgende Darstellung weicht von der ursprünglich veröffentlichten Version ab.

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