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ModeszeneDie große Dame des Designs

Lesezeit 4 Minuten

Links: Auch Barbara Salesch gehört zu den Kunden von Moritz. Rechts: So sah die Karikaturistin Franziska Becker die Modeschöpferin.

Sie sitzt im Atelier und wirkt so klein und zart. Umgeben von Stoffen, Schnitten und Fotografien ihrer spektakulären Mode-Entwürfe sagt sie: „Das ist eine Tragödie.“ Mit Gesine Moritz, Modedesignerin und Mode-Ikone in Köln endet die Arbeit im Atelier an der Lochnerstraße am Rathenauplatz und im Geschäft in der Neumarkt-Passage, weil die Augen ihr den Dienst versagen. Grüner Star und eine trockene Makula-Degeneration schränken sie so sehr ein, dass sie schon seit Monaten nicht mehr arbeiten konnte. Mit Moritz verschwindet aus der Kölner Modeszene eine große Dame des Designs.

Zu ihren Kundinnen gehören Frauen der besonderen Art, denen das Konzept und die Philosophie der Designerin Moritz auf den Leib und die Seele geschneidert ist. „Ich mag die Frauen, und deshalb habe ich Mode für sie gemacht. Eine Mode, die die Frauen nicht in dick oder dünn, nicht in alt oder jung einteilt, sondern die sie Frauen sein lässt – in all ihrer Weiblichkeit“, sagt Moritz. Das brachte eine Doris Dörrie, Erfolgsregisseurin von Filmen wie „Mitten ins Herz“ und „Männer“ dazu, vor dem damaligen Geschäft von Gesine Moritz mitten im schnellen Schritt eine Vollbremsung hinzulegen, weil sie in der Auslage ein Kleid sah, das sie einfach anschrie. Dörrie kaufte das Kleid und Moritz stattete die Hauptdarsteller im Dörrie-Film „Keiner liebt mich“ aus. Moritz entwarf das Hochzeitskleid für die Schauspielerin Susanne Lothar, als diese den Kollegen Ulrich Mühe heiratete. Das Kleid trug den Titel „Reiß aus das Herz mir“ und war ein genähter Traum. Mit ihrem Design-Hit aus cremefarbenen Stoff mit großen schwarzen Punkten holte sie Alice Schwarzer in den Kreis ihrer Kundinnen. Mittlerweile trug nämlich in Köln jede Frau, die etwas auf sich hielt, dieses Kleid. Schwarzer kam zu Moritz und bestellte genau diesen Entwurf für sich.

„Dieses Kleid habe ich entworfen, nachdem meine zweite Ehe gescheitert war“, sagt Moritz, die aus beiden Ehen einen Sohn und zwei Töchter hat. Die älteste Tochter, die in Paris Modedesign studierte, sollte das Geschäft der Mutter übernehmen. Aber auch sie ist erkrankt und kann die Erfolgsgeschichte von Gesine Moritz nicht fortsetzen. „Wir warten auf junge talentierte Designer, die Interesse haben und auf das Label aufbauen wollen. Aber sie sind bisher nicht in Sicht“, sagt Angelika Kallwass. Sie ist mit Annemarie Kronen vor vielen Jahren als Partner und Investor in die Firma eingestiegen. Die TV-Moderatorin, Volkswirtin und Psychologin Kallwass und die Ärztin Kronen waren tollkühne Partnerinnen für die Designerin Moritz, deren Leben und beruflicher Werdegang trotz allen Erfolgs nicht gerade arm an Katastrophen war. Nicht nur die Ehen der Moritz, sondern auch der eine und andere schillernde Geschäftsführer hinterließ verbrannte Erde – privat, geschäftlich und finanziell.

Geboren in Berlin, wuchs Moritz im norddeutschen Husum auf und schlug wie vorbestimmt den Weg der Modedesignerin ein, „weil ich immer eine eigenes Produkt haben wollte“. Mehr als 40 Jahre lang arbeitete sie erfolgreich in diesem Gewerbe, das trotz all der schönen und bezaubernden Seiten hart und gnadenlos sein kann. Wer nicht untergehen will, muss ein Kämpfernaturell haben.

Gesine Moritz hat es. Das Label schaffte es bis ins renommierte Londoner „Liberty’s“. Trotzdem sagen Kallwass und Moritz rückblickend und selbstkritisch: „Wir haben in unserer Begeisterung für Mode und Design das Marketing vernachlässigt. Wir dachten, der Name, die Qualität, das Besondere an unserer Mode sind ausreichend.“ Als die Augenkrankheit von Gesine Moritz noch dazu kam, entschlossen sich die drei Frauen, einen Schlussstrich zu ziehen.

Für die Frauen und Kundinnen, denen das Gesine-Moritz-Design auf den Leib geschneidert ist, geht mit der Modeschöpferin auch deren Philosophie: „Mein Design ist für Frauen mit Ausstrahlung, für selbstbewusste Frauen, Frauen die auffallen wollen, und all jene, die mitten im Leben stehen, ganz bewusst, frei im Denken und Handeln.“ Dazu gehören Frauen wie die Schauspielerin und Autorin Renan Demirkan und die Juristin Barbara Salesch, die mit ihre TV-Serie „Richterin Salesch“ Schlagzeilen machte.

Für Frauen wie sie und andere entwarf die Moritz wunderschöne Kleider mit Namen wie „Dieses Mal für immer“, wenn es um die zweite Eheschließung ging, und hinreißende Entwürfe von Hochzeitskleidern in schwarz, die „Frau“ anziehen konnte, auch wenn sie vor dem Scheidungsrichter stand.

Für Gesine Moritz, ihre Partnerinnen und ihr engagiertes neunköpfiges Team ist der Design-Entwurf „Dieses Mal für immer“ zur bitteren Wahrheit geworden. Mit den Geschäften, die sie anfänglich an der Brüsseler Straße, später an der Lindenstraße, Pfeilstraße/Große Brinkgasse und jetzt zuletzt in der Neumarkt-Passage hatte, endet eine über 40 Jahre erfolgreiche Ära der Mode in Köln.