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„Mister Summerjam“Dieser Mann hat keine einzige Ausgabe des Kölner Reggae-Festivals verpasst

4 min
Moderator und Reggae-Musiker Andrew Murphy ist ein Urgestein des Summerjam.

Moderator und Reggae-Musiker Andrew Murphy ist ein Urgestein des Summerjam.

Andrew Murphy ist das Gesicht des Summerjam: Er moderiert das Festival und schließt es jedes Jahr mit Marleys „Redemption Song“ an der Gitarre ab. Wir haben mit ihm über die Anfänge gesprochen.

Jedes Jahr trifft sich Andrew Murphy am Donnerstagabend vor Festivalstart mit ein paar Freunden am Parkplatz 2, kurz P2, und macht mit seiner Gitarre Musik für die ersten Gäste, die mit ihren Zelten anreisen. Willkommen beim Summerjam am Fühlinger See. „Ich möchte damit Hallo sagen, und dass ich mich freue, sie zu sehen. Ich bin es gewohnt, mit dem Publikum Spaß zu haben. Dieses Jahr spiele ich aber auch auf der großen Bühne mit meinem Bruder und meiner Band Reflection“, sagt Murphy im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Zu sagen, ohne Murphy wäre das Festival nicht dasselbe oder gar ein ganz anderes, ist nicht übertrieben. Längst hat er den Spitznamen Mister Summerjam: Müsste man für das größte Reggaefestival in Europa stellvertretend ein Gesicht auswählen, dann wäre es zweifelsfrei das des 71-Jährigen. Sein Markenzeichen sind die dicken Rasta-Zöpfe, die mittlerweile über den Boden schleifen und die er nur kürzer schneidet, wenn er wirklich muss.

Bühnenmoderator Andrew Murphy beim Summerjam 2022.

Bühnenmoderator Andrew Murphy beim Summerjam 2022.

Erstes Summerjam in St. Goarshausen mit Murphy als Eröffnungsact

„Jetzt ist es wieder so weit: ich muss sie abschneiden, denn es geht gar nicht mehr.“ Als Urgestein des Summerjam war er 1986 bei der allerersten Ausgabe in St. Goarshausen dabei. Damals fand das Festival an der Loreley noch mit wenigen Tausenden Besuchern statt, Murphy spielte mit seiner damaligen Band The Rhapsody als erster Act. Seitdem hat er keine einzige Ausgabe verpasst – in 39 Jahren nicht. Noch immer markiert er deren Anfang und Ende. Denn: seit 1989 moderiert er das Summerjam und schließt es mit dem „Redemption Song“ von Bob Marley an der Gitarre ab, um das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen zu feiern. Aber nun von vorne.

Andrew Murphy kam 1978 nach Deutschland, er wurde in Barbados in der Karibik geboren. Zuerst machte er Halt im westfälischen Nottuln, lebte dann mehrere Jahre in Heidelberg, bis es ihn schlussendlich ins Sauerland verschlug, wo er heute noch lebt und, wie er sagt, die Ruhe und das Grün genießt. Damals habe es kaum Reggae-Musiker in Deutschland gegeben, erzählt er. Er nennt Jamaica Papa Curvin, jamaikanischer Musiker, der den Reggae nach Hamburg brachte. Die Hochburg aber lag in England. Murphy erinnert sich, dass das Nachtleben brummte.

„Ich fand, die Leute haben mehr gelebt, die Städte waren voll, die Kneipen waren voll, es gab viel Live-Musik.“ Die Agentur Contour aus Stuttgart betreute ihn. „Der damalige Chef kam auf die Idee, ein Reggaefestival zu organisieren. Alle dachten erst, das wird ein Flop. Es kamen aber 5000 Menschen. Und innerhalb von zehn Jahren wurde es so groß, dass an der Loreley kein Platz mehr war.“

Es folgte ein kleiner Abstecher auf einen Militärflugplatz bei Wildenrath im Kreis Heinsberg und nach zwei Jahren, seit 1996, schließlich der Fühlinger See. „Der passt perfekt zum Summerjam: Musik von einer Insel auf einer Insel. Für mich ist das Summerjam nie mehr aus Köln wegzudenken. Und wenn es vorbei ist, sehnt man sich wieder danach. Für viele ist dieses Wochenende im Juli wie Urlaub“, sagt Murphy, der sich auch nach 37 Ausgaben nicht langweilt, wieder dabei zu sein. „Ich bin sehr dankbar, so viele große Künstler von überall her kennengelernt zu haben. Das Summerjam hat auch immer das Beste, was schwarze Musik zu bieten hat, gezeigt: Jill Scott, Curtis Mayfield, Johnny Clegg und Savuka aus Südafrika, der sich gegen das Apartheid-Regime stellte.“

Andrew Murphy im Jahr 1982 bei einem Konzert in der ehemaligen DDR auf Tour mit der Band Rhapsody. Laut Murphy war es die erste Reggae-Band in Ostdeutschland.

Andrew Murphy im Jahr 1982 bei einem Konzert in der ehemaligen DDR auf Tour mit der Band Rhapsody. Laut Murphy war es die erste Reggae-Band in Ostdeutschland.

Kritik an Summerjam und Öffnung zu Deutschrap winkt Murphy ab

Einer der besten Acts, die er je gesehen habe, sei der südafrikanische Reggae-Künstler Lucky Dubee gewesen, der in seiner Heimat bei einem Raubüberfall ermordet wurde. Viele seiner Kindheitshelden sind bereits gestorben. Murphy bedauert, dass der „Hochpriester des Reggae“, Bob Marley, nicht persönlich habe beim Summerjam sein können. „Doch viele seiner Kinder waren schon hier: Julian, Ziggy, Stephen, Damian.“ Sein Traum wäre, wenn seine Landsfrau Rihanna einmal auf dem Summerjam auftreten könnte.

„Das wäre mein Highlight, auch wenn es unrealistisch ist.“ Dass das Festival in den vergangenen Jahren auch immer wieder für seine Öffnung Richtung Deutschrap von eingefleischten Reggae-Fans kritisiert wird, kann er so nicht verstehen. „Man kann die Zeit nicht zurückdrehen, jede Generation interpretiert Musik anders. Dass Summerjam sich breiter aufstellen musste, um für die Jungen attraktiv zu bleiben, ist klar. Ich habe drei Kinder, die hören auch ganz andere Dinge, und ich versuche, als einer der Älteren neutral zu bleiben.“

Als er mit Jimi Hendrix kam, habe seine Mutter diese Musik als Blödsinn abgetan. Außerdem: Deutsche Musik gehöre zum Summerjam einfach dazu, findet Murphy. „Es ist ein deutsches Festival, auch wenn die jamaikanischen Stars es groß gemacht haben. Aber Summerjam hat auch Acts wie Seeed hervorgebracht: eine der besten Reggae- und Dancehall-Acts Deutschlands. Warum sollten Sido oder Nina Chuba nicht dort auftreten dürfen? Ich bin froh, diese Leute gesehen zu haben.“