Aufruf zu „bewaffnetem Widerstand gegen Israel“So lief die gestoppte Palästina-Kundgebung in Köln-Mülheim

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Polizisten beobachten die Kundgebung in Köln-Mülheim.

Polizisten beobachten die Kundgebung in Köln-Mülheim.

Die Kölner Polizei sah sich gezwungen, die Demonstration zur Freilassung politisch Gefangener in Palästina auflösen.

„Free, Free Palestine“ tönt es Samstagnachmittag aus einem Megafon über die Frankfurter Straße in Köln-Mülheim. Mitglieder des umstrittenen Bündnisses „Samidoun“ hatten zu einer Kundgebung zur Verteidigung aller palästinensischen Gefangenen“ aufgerufen. Die Polizei war mit einer Hundertschaft in Alarmbereitschaft vor Ort und löste die Kundgebung letztlich auf, weil gegen Auflagen verstoßen worden sei.

Menschen protestieren in Köln-Mülheim.

„Samidoun“-Anhänger bei der Demonstration in Köln-Mülheim

Bereits an Karsamstag waren bei einer von „Samidoun“-Anhängern organisierten Großdemonstration in Berlin antisemitische Parolen gerufen worden. Eine weitere geplante Berliner Kundgebung war infolgedessen untersagt worden, stattdessen hatte das Bündnis zur Teilnahme an der Demo in Köln aufgerufen. Dem Aufruf folgten allerdings nur 25 Personen, die sich gegen 16 Uhr auf dem Vorplatz des Mülheimer Bahnhofs versammelten.

Man distanziere sich von den in Berlin „angeblich“ getätigten antisemitischen Äußerungen, erklärt vor Ort ein Mitglied des Samidoun-Bündnisses. „Es gibt Dinge, von denen auch wir glauben, dass sie an keinem Ort gesagt werden dürfen.“ Die Stimme in Berlin sei nur „eine unter Tausenden“ gewesen und entspräche nicht „dem Standpunkt des Bündnisses“, sagt der Mann, der seinen Namen nicht nennen will. Um seinen Kopf gewickelt trägt er eine „Kufiya“, ein weiß schwarz kariertes Pali-Tuch. Er spricht schnell und aufgeregt. Man dürfe nicht einen ganzen Marsch wegen einer einzigen Person verurteilen.

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Demonstranten in Köln-Mülheim: „Unser Recht, Widerstand zu leisten“

Zum Auftakt der Kundgebung fordert die Polizei den Versammlungsleiter auf, Vorgaben für die Teilnehmenden zu verlesen, unter anderem seien jegliche Akte von Gewalt und Hass sowie böswillige Aussagen zu unterlassen. Auf den vorgegebenen Text reagiert der Verantwortliche mit eigenen Worten: „Sinn unserer Kundgebung ist es, die Rechte des palästinensischen Volkes zu fordern. Wir werden deshalb heute Israel ganz klar kritisieren“, ruft er entschlossen durch sein Megafon. Man führe einen „antikolonialen Kampf“. Jerusalem und das Westjordanland seien „besetzte Gebiete“, deshalb fordere man „Freiheit für Palästina“. Den Ruf wiederholt er mehrmals, mal auf Deutsch, mal auf Englisch. Es folgen Rufe auf Arabisch, gerichtet an die Teilnehmenden. Die Protestierenden schwenken palästinensischen Flaggen.

An Bändern aufgereiht tragen sie Fotos palästinensischer Gefangener. Die Polizei agiert wachsam. Das Gesagte wird durchgehend von einem Dolmetscher an einen der Beamten übersetzt. Bevor sich die Demonstranten in Richtung Wiener Platz in Bewegung setzen, nimmt ein Polizist den Versammlungsleiter zur Seite, um ihn darauf hinzuweisen, dass nicht zum Widerstand aufgerufen werden dürfe. Diese Warnung wird durch das Megafon an die Teilnehmenden weitergegeben, jedoch im weiteren Verlauf ignoriert. Während des Demonstrationszuges über die Frankfurter Straße weist der gleiche Polizeibeamte ein weiteres Mal darauf hin, die bereits zuvor kritisierte Aussage zu unterlassen. „Es ist unser gutes Recht, Widerstand zu leisten“, ruft der Versammlungsleiter verärgert ins Megafon. Erneut sind Rufe auf Arabisch zu hören.

Als die Teilnehmenden den Wiener Platz erreichen, entscheidet sich die Polizei dazu, die Versammlung aufzulösen. Mehrere Beamte ziehen in Formation einen Mann heraus, der ein Schild in einer großen grauen Plastiktüte mit sich trägt. Sie nehmen seine Personalien auf. Er habe zu Beginn der Demonstration das Schild sichtbar getragen, auf dem in arabischer Schrift zur Gewalt gegen Israel aufgerufen worden sei, erklärt ein Polizeibeamter. Gegen den Mann werde ein Ordnungswidrigkeitenverfahren gestellt.

Der Versammlungsleiter muss mit einem Strafverfahren rechnen, weil gegen die Auflagen verstoßen worden sei. Trotz Unterlassungsaufforderung hätten Teilnehmende zum „bewaffneten Widerstand gegen Israel“ aufgerufen. Als die Auflösung verkündet wird, bleibt die Lage ruhig, keine Beschwerden werden laut. Die Menschen rollen ihre Fahnen zusammen und gehen im Nieselregen auseinander. Die Polizeiwagen bleiben noch eine Weile auf dem Platz stehen, bis keiner der Teilnehmenden mehr zu sehen ist.

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