Dünnwald – Seit mehr als 22 Jahren ist der Pfadfinderstamm Mauritius mit seinem Vereinsheim in Dünnwald zu Hause. Der Gruppe steht eine Freifläche mit ausreichend Platz für gemeinschaftliche Aktionen im Freien zur Verfügung. Ende November müssen die 33 Pfadfinder ihr Gelände räumen. Die Deutsche Bahn (DB), bisherige Eigentümerin des 2000 Quadratmeter großen Landstücks, hat es an eine private Immobilienfirma verkauft. Es handelt sich um einen schmalen Grünstreifen zwischen der Güterzugstrecke Köln-Düsseldorf und der Straße Am Klosterhof, unmittelbar nördlich des Bahnübergangs Schweidnitzer Straße.
Für Sarah Streim, Mitglied in der Führung der Pfadfinder, kam die Kündigung überraschend. Ohne ein geeignetes Gelände fürchtet sie um die Existenz der Gruppe. „Über die Jahre ist hier ein Pfadfinderheim mit provisorischer Küche, Spielflächen, Lagerfeuerplatz und Schuppen für Geräte entstanden“, erläutert sie. Geschlafen wurde in Zelten. Außerdem gibt es noch immer den alten Bauwagen, in dem die Gruppe sich im Jahr vor der Übernahme des Grundstücks traf. „Vorher waren wir Gast der evangelischen Bodelschwingh-Gemeinde in Höhenhaus“, sagt Streim. „Wir würden gern hier in Dünnwald bleiben.“
Die Pfadfindergruppe Mauritius gehört zum Bund Europäischer Pfadfinder (BEP), der sich in vier Gruppen in Deutschland aufteilt. Neben Köln gibt es Stämme in Wuppertal, Frankfurt und Marburg. „Der Vermieter hat uns im September über den Verkauf der Fläche informiert – und darüber, dass er das Pachtverhältnis zum 30. November kündige“, sagt Nele Eichner, Leiterin der Pfadfindergruppe. Dabei handelt es sich um den Verein Bahn-Landwirtschaft, der im Auftrag der DB seine Flächen verpachtet. Reiner Oppermann ist der Vereinsvorsitzende, Er habe den Pfadfindern mitgeteilt, dass eine Firma das Grundstück gekauft hat, so Eichner – die Inter-Doga Projektentwicklung GmbH in Kalk. Seine Empfehlung für die Gruppe lautete, Kontakt zu dem Unternehmen aufzunehmen, um zu klären, ob sie das Gelände weiter nutzen dürfe. Der neue Eigentümer ist vorrangig im Immobiliensektor tätig. Eichler: „Es gab einen Termin mit Vertretern der Inter-Doga auf dem Gelände, anfangs konnten sie sich eine gemeinsame Nutzung vorstellen.“ Wenige Tage danach habe das Unternehmen jedoch mitgeteilt, dass es dazu doch nicht kommen werde und die Gruppe Mauritius ihr Eigentum bis zum Auslaufen des Pachtvertrags entfernen müsse.
Warum ein Mietvertrag im Interesse der Pfadfinder nicht möglich sei und was er für das Grundstück plane, dazu schweigt Ali Ümit, der Inhaber von Inter-Doga auf Anfrage: „Dazu äußern wir uns nicht. Keine Aussage.“
Kündigung kam überraschend
Nele Eichner ist verwundert, dass der Verein Bahn-Landwirtschaft erst von dem Kauf erfahren habe, als der bereits vollzogen war. „Eigentlich wollten wir selbst ein Vorkaufsrecht“, sagt sie. „Jetzt müssen wir räumen.“ Eine so kurzfristige Kündigungsfrist sei im Pachtvertrag festgelegt worden.
Doch die Bahn-Landwirtschaft wurde vor vollendete Tatsachen gestellt, weil der Verein selbst nur Pächter des bahneigenen Geländes ist. Er wurde vor etwa 100 Jahren von Eisenbahnern gegründet, die Brachflächen entlang der Gleise landwirtschaftlich zur Eigenversorgung nutzen wollten. Heute verpachtet er das Land an Kleingärtner und andere Interessierte.
„Die Flächen gehören auch heute noch größtenteils der Bahn. Wenn ein Grundstück verkauft wird, erfahren wir das meist erst im Nachhinein“, sagt Pia Joseph, Mitglied im Vorstand des Vereins-Bezirks Köln. Diesem sind Flächen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zugeordnet. Ein Sprecher der Bahn bestätigt den Verkauf: „Das fragliche Grundstück gehörte der Deutschen Bahn AG, DB-Immobilien. Die muss die Bahn-Landwirtschaft nicht über Verhandlungen informieren.“ Über einen abgeschlossenen Verkauf informiere die Bahn den Pächter jedoch, der wiederum den Untermieter in Kenntnis setzt.
Beim Abbau ihrer Hütten stehen die Mitglieder der Gruppe nicht ganz allein da. „Viele derzeit weniger aktive Mitglieder haben bereits ihre Hilfe angeboten“, sagt Streim. Auch die Gruppe aus Wuppertal um Bundesleiter Marc Bruch habe Unterstützung zugesagt. Der sagt: „Wir helfen den Kölnern bei der Finanzierung der Räumung.“ Er habe auch schon mit älteren, inaktiven Pfadfindern Kontakt aufgenommen – sie stellen Gartenhäuschen und Garagen für Geräte und Ausrüstung bereit.
Kirche bietet Räume an
„Ohne ein eigenes Gelände werden wir es schwer haben, weiterzumachen“, sagt Streim. Schließlich finde Pfadfinderei vorrangig im Freien und in der Natur statt. Für die Gruppentreffen gebe es aber schon ein Angebot: Die Katholische Kirchengemeinde Heilige Familie bot Räume im Jugendheim St. Hermann Josef an. Der Mauritius-Stamm sucht jetzt intensiv nach einem neuen Grundstück. Streim: „Bei dieser Suche sind wir für jede Unterstützung dankbar.“
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