Reul fordert DienstpflichtNur noch 20.000 Soldaten schützen Nordrhein-Westfalen

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Bundeswehr

Um die Verteidigungsbereitschaft von NRW ist es schlecht bestellt.

Düsseldorf – Durch den Krieg in der Ukraine ist auch in NRW die Diskussion über die Rückkehr der allgemeinen Wehrpflicht entbrannt. NRW-Innenminister Herbert Reul sprach sich jetzt für die Einführung eines verpflichtenden Gesellschaftsjahrs aus. „Ein Jahr für das Gemeinwohl, für junge Frauen und Männer - das wäre ein moderner und kluger Weg“, sagte der CDU-Politiker dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Sie würden davon ebenso profitieren wie wir als Gesellschaft insgesamt. Deshalb bin ich sehr für ein verpflichtendes Gesellschaftsjahr - egal ob bei Hilfsorganisationen, sozialen Diensten, der Bundeswehr oder im ökologischen Bereich.“

In der NRW-CDU hatte zuvor Innen-Experte Gregor Golland die Einführung einer Dienstpflicht ins Gespräch gebracht. „Die Abschaffung der allgemeinen Wehrpflicht war ein schwerer Fehler. Es wird Jahre dauern, die Bundeswehr wieder in die Lage zu versetzen, ihren Auftrag voll zu erfüllen“, sagte Golland dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Wo auch immer die Schließung weiterer Bundeswehr-Standorte geplant sei, müssten diese Pläne umgehend auf den Prüfstand gestellt werden. Der CDU-Politiker aus Brühl hatte ein Thesenpapier mit dem Titel „Sieben Forderungen für ein wahrhaftes Deutschland“ veröffentlicht.

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NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU)

Kaum noch Soldaten in Kampfeinheiten

Mit der Neuausrichtung der Sicherheitspolitik in Deutschland nach der Wiedervereinigung hat sich die Zahl der Soldaten in NRW erheblich reduziert. Nach Auskunft des Bundeswehr-Landeskommandos in Düsseldorf sind derzeit noch rund 20.000 Soldaten an 25 Standorten in NRW eingesetzt. Die meisten verrichten ihren Dienst allerdings in Stäben - und nicht in Kampfeinheiten.

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Helmut Michelis ist Oberst a.D., Fallschirmspringer und Fachautor für Sicherheitspolitik. „Die Abwehrbereitschaft der Bundeswehr ist Vergleich zu den 1980er Jahren teils auf ein Zehntel zusammengeschrumpft, die Heeresflugwehrtruppe wurde beispielsweise komplett abgeschafft“, erklärte der Verteidigungsexperte aus Mönchengladbach dieser Zeitung. Nach der Auflösung der 7. Division in Düsseldorf, die 1983 noch 18.000 Soldaten befehligte, sei in NRW mit der Panzerbrigade 21 „Lipperland“ lediglich ein nennenswerter Heeres-Kampfverband mit bis zu 5500 Soldaten verblieben.

„In Augustdorf hätten nach alter Gliederung mindestens 90 Kampfpanzer vom Typ Leopard stationiert sein müssen, jetzt sind maximal noch 44 vor Ort, wozu es bezeichnenderweise keine offiziellen Angaben gibt“, sagte Michelis.

Helmut

Buch-Autor Helmut Michelis

Die Bundeswehr sei in den vergangenen Jahrzehnten nicht mehr dazu aufgestellt gewesen, die Heimat zu verteidigen, erläuterte der Oberst a.D.. Stattdessen sei es der politische Auftrag gewesen, sich in Auslandseinsätzen zu bewähren. „Wenn es jetzt wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine zu einem Kurswechsel kommt, liegt ein langer Weg vor uns“, ist sich Michelis sicher.

Zunächst sollte der Bund versuchen, noch vorhandene Infrastruktur bei den Immobilien wieder aufzubauen, empfiehlt der Buch-Autor. Im Raum Mönchengladbach stehe beispielsweise die Niederrheinkaserne leer. In Rheindahlen werde das Gelände des ehemaligen Nato-Hauptquartieres derzeit als Flüchtlingsunterkunft genutzt.

Grüne gegen Wehrpflicht, SPD will gut ausgestattete Bundeswehr

Mona Neubaur, Landeschefin der Grünen, sprach sich gegen eine allgemeine Wehrpflicht aus. „Die Debatte über eine Wiedereinführung der Wehrpflicht ist reiner Aktionismus und hätte in der momentanen Lage keinerlei Effekte“, sagte die Politikerin unserer Zeitung.

„Ich sehe nicht, wie kurz- bis mittelfristig die Grundlagen für einen neuen Pflichtdienst geschaffen werden könnten ohne Chaos zu verursachen. Weder wäre die Bundeswehr strukturell darauf vorbereitet, noch verfügt sie über ausreichend Equipment, Ausbildungs- und Unterbringungsmöglichkeiten für neue Rekrutinnen und Rekruten“, so Neubaur. Wer die Bundeswehr personell stärken wolle, müssen sich um eine angemessene Ausstattung, eine gute Bezahlung und Fürsorge kümmern.

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SPD-Chef Thomas Kutschaty forderte eine gut ausgebildete Bundeswehr mit hochmoderner Ausstattung. Die sei allerdings durch die Wiedereinführung einer pauschalen Wehrpflicht nicht zu bekommen. „Gleichwohl sollten wir die Diskussion darüber, wie wir auch durch die Stärkung des sozialen Engagements die Grundfähigkeiten des Zivil- und Katastrophenschutzes stärken, offen führen", so der SPD-Politiker.

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