Neue Antigen-Tests an Schulen„Damit finden wir die infizierten Kinder nicht mehr“

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Lolli-PCR-Pooltest positiv und die Schnelltests alle negativ.

Köln – Bislang war es nur eine Befürchtung. Aber der Blick auf den Testalltag in den Kölner Grundschulen zeigt nun in der Praxis, dass die vom nordrhein-westfälischen Schulministerium neu beschafften Schnelltests aus China augenscheinlich weniger zuverlässig sind. So taucht etwa an der Maternus-Grundschule in Nippes in diesen Tagen regelmäßig das gleiche Problem auf: Angesichts steigender Infektionszahlen sind regelmäßig die PCR-Pooltests in einzelnen Klassen positiv.

Damit ist sicher, dass ein oder mehrere Kinder gerade Corona haben und infektiös sind. „Aber wir finden sie nicht mehr. Und das ist eine Katastrophe“, sagt Schulleiter Stefan Waasem.

„Imaginäre Testung“

Denn seit die Pooltests wegen PCR-Knappheit nicht mehr einzeln aufgelöst werden, müssen die betroffenen Kinder durch Antigen-Schnelltests ermittelt werden. Aber die schlagen nun regelmäßig nicht mehr an. „Wir testen dann sofort alle Kinder und alle Schnelltests sind negativ. An den folgenden Tagen testen wir weiter. Und alle Ergebnisse bleiben über Tage weiter negativ.“ Alle Kinder sitzen also die ganze Zeit über weiter in der Klasse. „Diese Tests ermitteln bei uns schlicht die Omikron-Infizierten nicht“, sagt Waasem, der sogar von einer „imaginären Testung“ spricht.

Alles zum Thema Jochen Ott

Und das ausgerechnet jetzt, da die Infektionszahlen an den Schulen wegen Omikron durch die Decken gehen. Waasem steht auch im Austausch mit anderen Grundschulleitungen: Die berichteten über genau die gleichen Probleme ergebe. „Mit den Siemens-Tests war das eindeutig besser“, meint er und fragt sich, was die Lolli-Pooltests unter diesen Bedingungen überhaupt noch bringen sollen - außer Psychostress für alle.

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Das Problem: Zum Jahresende war der Lieferantenvertrag des Schulministeriums für die Siemens-Schnelltests ausgelaufen. Da es noch keinen neuen Lieferantenvertrag gab, waren die Schulen im Dezember aufgefordert worden, mehr Schnelltests zu bestellen und diese zu horten. Daher hatten die Schulen noch für den Januar die Keller voll mit Siemens-Schnelltests. Erst jetzt – da bei den ersten Schulen die Siemens- Tests aufgebraucht sind – kommen die neuen chinesischen Selbsttests der Hersteller „Anbio (Xiamen) Biotechnology“ und „Safecare Biotech (Hangzhou)“ nach und nach zum Einsatz.

Bereits Mitte Januar war in der Landespolitik eine Diskussion um die Zuverlässigkeit der Tests aus China entbrannt. In einer Evaluierung des Paul-Ehrlich Instituts war den beiden Produkten nämlich eine Gesamt-Sensitivität von nur 58 bzw. 62 Prozent attestiert worden. Zum Vergleich: Der bisher eingesetzte Test des deutschen Herstellers „Siemens Healthcare“ war mit einer Gesamtsensitivität von 76 Prozent offenbar deutlich empfindlicher.

Schulministerium weist Vorwürfe zurück

Sowohl SPD wie auch Grüne und Piratenpartei im Landtag hatten daraufhin Aufklärung darüber verlangt, ob die Tests tatsächlich nicht so sensitiv sind. Gerade an den Schulen – zumal an den Grundschulen, wo viele ungeimpfte Schülerinnen und Schüler sitzen - müsse ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleistet sein, hieß es. Der Verdacht stand im Raum, dass womöglich bei der Beschaffung Kosten eingespart worden seien. Das Schulministerium bestritt nun auf Anfrage, dass es mit den neuen Tests ein Problem gibt.

Beide Tests seien in Deutschland zugelassen und hätten beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukten ein Konformitätsverfahren erfolgreich durchlaufen. Sie seien vor allem geeignet, um Schüler mit hoher Viruslast zu finden und zu isolieren. Bei sehr hoher Viruslast betrage die Sensitivität bei beiden Testarten 100 Prozent. Die Diskrepanz erklärt das Ministerium damit, dass der PCR-Test schon sehr geringe Viruslasten finde, ohne dass der Getestete ansteckend sei. Daher könne die Auflösung eines positiven Pools durchaus bei geringeren Viruslasten negative Schnelltests hervorrufen.

Verschluss schwer zu öffnen

Neben der geringen Sensitivität machte auch das Handling der neuen Tests den Schulen zu schaffen: Bei einer der beiden Testsorten hatte das Teströhrchen eine so fest verschraubte Verschlusskappe, dass gerade jüngere Schüler diese nicht eigenständig öffnen können. „Unsere Fünftklässler schaffen das nicht. Selbst ältere Schüler scheitern daran“, erläutert der Schulleiter der Katharina-Henoth-Gesamtschule, Martin Süsterhenn.

SPD will im Landtag darüber diskutieren

An seiner Schule gab es seit dem Ende der Weihnachtsferien 250 Corona-Fälle allein unter den Schülerinnen und Schülern. Das Problem mit den Verschlusskappen konnten die Hersteller nach Angaben des Ministeriums inzwischen beheben. Schulen, die sich wegen eines solchen Problems an den Lieferanten gewendet hätten, hätten außerdem unmittelbar eine Ersatzlieferung erhalten.

Die SPD will nun als Folge dieser Praxiserfahrungen eine aktuelle Viertelstunde im Landtag  beantragen. Wenn die Tests nicht ausreichend sensitiv seien, müsse die Entscheidung korrigiert werden, sagte deren schulpolitischer Sprecher Jochen Ott. Der Vertrag der Landesregierung mit dem neuen Lieferanten läuft noch bis zu den Osterferien.

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