Nippeser Bürgermeisterin Diana Siebert„Wir haben vieles auf den Weg gebracht"

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Diana Siebert (Grüne) ist Historikerin, Autorin und Bezirksbürgermeisterin von Nippes. 

Frau Siebert, ein Jahr sind Sie nun Nippeser Bezirksbürgermeisterin, und das Fünferbündnis aus Grünen-Fraktion, FDP, Linken, Klimafreunden und Wählergruppe Gut ist in Amt. Wie schnell sind Sie in Ihrer neuen Tätigkeit angekommen?Siebert: Ich war bisher traditionell eine, die im Hintergrund gearbeitet hat, etwa als langjährige Geschäftsführerin der Kölner Grünen, oder in diversen Vereinen als Kassiererin. Jetzt bin ich erstmals mehr im Rampenlicht. Ich kam aber schnell herein, weil ich von anderen gesehen habe, wie sie das machen. Wegen Corona war es natürlich nochmal eine besondere Zeit – es gab etwa keine Einbürgerungen, Sportjubiläen in den Veedeln wurden verschoben, und wenn irgendwo mal etwas geplant war, fiel es dann oft wieder aus. Trotz der begrenzten Zeit konnte ich aber schon eine Menge an Akteuren kennenlernen: Mitwirkende von Bürgervereinen, Sport- und Karnevalsvereinen und sonstigen Institutionen, die etwas bewegen im Stadtbezirk. Ich habe zwar noch nicht alle getroffen, aber es werden immer mehr.

Meine Einblicke sind viel stärker als zuvor, auch im Vergleich zu der Zeit, als ich von 1994 bis 1999 Bezirksvertreterin in der Innenstadt war. Damals beispielsweise gab es für die Stadtteilarbeit das Internet noch kaum. Bei allem muss man sich bewusst machen, dass ich als Bezirksbürgermeisterin ein Ehrenamt ausfülle und keine Stelle bei der Stadt habe. Das versuche ich auch immer zu vermitteln.

Was auch ähnlich zur damaligen Zeit ist, sind die begrenzten Mittel – wenn auch das Bezirks-Budget mit inzwischen rund 150.000 Euro rund dreimal höher ist als noch vor einigen Jahren.

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Ja, wir haben zwar nur 156.300 Euro zur Verfügung, aber es ist viel besser als nichts. Man muss sich bewusst machen, dass wir im Stadtbezirk bereits mehr Einwohner haben als kleinere Großstädte wie Bottrop insgesamt. Eines unserer Projekte, was wir momentan verfolgen, ist beispielsweise, mehr Sitzmöglichkeiten zu schaffen – überall dort, wo Leute entlang gehen. Das gehört für uns einfach zur Lebensqualität dazu. Die Aufstellung einer Sitzbank kostet jedoch schon rund 2000 Euro. Man denkt zunächst, warum kann eine einzige Bank so teuer sein. Aber das eigentlich Teure sind die Boden- und Grundierungsarbeiten. Auch einige Karnevalsvereine haben wir unterstützt. Ich hoffe, dass zumindest der Straßenkarneval stattfinden kann, wenn schon die Sitzungen ausfallen. Vielleicht ist es möglich, einiges draußen stattfinden zu lassen und die Mittel hierfür umzuwidmen.

Zehn schnelle Fragen an Diana Siebert

Burger oder Halver Hahn? – Halver Hahn Gondel oder Bimmelbahn? – Gondel Beatles oder Bap? – Bap Reihenhaus oder Altbauwohnung? – Solardach Zoo oder Flora? – Flora Kölsch oder Wein? – Kölsch Fortuna oder FC? – Vorwärts Blücherpark Oper oder Loss mer singe? – Loss mer singe Sneaker oder Budapester? – Egal, Hauptsache kein Plastik Stunksitzung oder Prinzenproklamation? – Straßenkarneval

Das Bezirksbündnis hat sich viele Dinge in seiner Koalitionsvereinbarung vorgenommen – vieles scheint schon auf den Weg gebracht…

Ja, ich bin froh, dass wir in dem einen Jahr schon vieles erreicht haben – sei es der Beschluss für den Kreisel an der Ecke Neusser / Kempener Straße im Vorgriff auf die Umgestaltung der Neusser Straße, aber auch die von uns ins Spiel gebrachte Buslinie entlang der Inneren Kanalstraße. Auf der Neusser Straße in Nippes gilt jetzt Tempo 30, für das ich mich sehr eingesetzt habe. Oder der geplante Grünzug entlang der Hochbahn am Niehler Gürtel, für den die Öffentlichkeitsbeteiligung gestartet ist.

Wir wollen da etwas Zug hereinbekommen, dass wir die Eröffnung noch in diesem Leben erleben. Auch die Opposition hat übrigens ein paar gute Sachen vorgeschlagen, etwa die Kiss-and-Ride-Zone nahe der Grundschulen im Bilderstöckchen oder die Ökologisierung der Bezirkssportanlage in Weidenpesch. Wir lehnen nie etwas nur deshalb ab, weil es von der Opposition kommt. Manches haben wir als dringend beschlossen, aber es wurde noch nicht umgesetzt, wie die Entschärfung der Gefahrenzone an der Zufahrt zum Interimsquartier des Dreikönigs-Gymnasiums, die einen belebten Fuß- und Radweg durch den Park kreuzt. Wir hoffen, da bald mal etwas zu sehen. Ebenso hoffe ich, dass unser Beschluss, die historische VfL-Tribüne an der Rennbahn zu retten, zum Erfolg führt.

Welche Ärgernisse kommen Ihnen sonst noch in den Sinn?

An der Haltestelle Geldernstraße/Parkgürtel in Bilderstöckchen sind alle vier Rolltreppen der KVB seit dem Juli-Starkregen außer Betrieb. Es wurde uns gesagt, dass es noch ein Jahr dauern könnte und verstehen, dass es viel Aufwand ist, die Anlagen zu reparieren. Wir wollen aber, dass zumindest die Pläne eingehalten werden. Denn es ist so: Wir reden viel über die Verkehrswende, aber sie kann schon daran scheitern, dass einige Leute die Bahn an der Haltestelle nicht mehr erreichen können, denn Lifte gibt es dort ja nicht. Manchmal ist es eben schwer zu akzeptieren, dass bestimmte Sachen länger dauern.

Ein anderes Aufregerthema sind die geplanten Baumfällungen am Niehler Kirchweg, in Zusammenhang mit den Sanierungen von Realschule und Berufskolleg.

Hier war das Engagement der Nachbarschafts-Initiative sehr wertvoll. Speziell am Niehler Kirchweg scheint die Verwaltung nun direkt mit der Initiative zur Erhaltung der Bäume zusammenzuarbeiten. Wir wollen keinesfalls Schulbau oder -erweiterungs-Projekte verhindern, sind aber froh, dass die Initiative genau darauf geachtet hat, welche Bäume gerettet oder umgepflanzt werden können. Zum Thema Bäume allgemein hat das Grünflächenamt für März angekündigt, eine Liste zu bringen, welche Bäume wo im Stadtbezirk nach- und neu gepflanzt werden. Diese brauchen wir dringend, auch fürs lokale Klima.

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Ein Projekt, dem ich auch mit Spannung entgegen sehe, ist die geplante zweite Gesamtschule an der Schmiedegasse. Es ist zwar schade, dass wieder eine Wiese in Anspruch genommen wird – aber wenn man es schon macht, sollte man bald loslegen, zumal wir die Schulplätze dringend brauchen. In Zusammenhang mit Schulen hat mich der lange Leerstand des Hauptschulhauses an der Paul-Humburg-Straße in Longerich schockiert, der jetzt durch den dortigen Einzug der Förderschule aus Bickendorf fürs Erste Vergangenheit ist.

Wir hatten iḿmer angefragt, was mit dem Gebäude passiert, aber eher ausweichende Antworten bekommen. Generell gilt: Es gibt Ämter, die sehr gut informieren über das, was sie machen; andere wiederum nicht. Ich bin überzeugt davon, dass es für alles eine Erklärung gibt, warum bestimmte Sachen nicht klappen. Aber dann sollte man es auch kommunizieren.

Die Zusammenarbeit und die Kompetenzverteilung zwischen Bezirksvertretung, Rat und Verwaltung waren in der Vergangenheit oft kontrovers, aber zuletzt schien mehr Willen zur Zusammenarbeit eingekehrt…

Ich denke, dass die Stadt und die Oberbürgermeisterin inzwischen erkannt haben, dass die Dezentralität hilft, um den gesamtstädtischen Gremien Arbeit abzunehmen und Expertise vor Ort in Entscheidungen einzubeziehen. Es gibt jedoch manchmal Eigentümlichkeiten: Wenn wir etwa nichtöffentlich über die Erbpacht eines städtischen Grundstücks für einen Sportverein beschließen sollen, aber das Vertragswerk im Wortlaut gar nicht kennen dürfen, sondern nur die Eckdaten.

Deshalb hat die Bezirksvertretung jüngst einstimmig beschlossen, dass wir die Verträge einsehen wollen. In Zeiten knapper Grundstücke ist es wichtig, dass ein Sportverein, der kommunale Areale nutzt, für die Allgemeinheit da ist, und nicht beispielsweise exorbitante Mitgliedsgebühren erhebt, durch die er sich abschottet. Wichtig ist auch, dass Sportvereine keine rassistischen oder nationalistischen Tendenzen dulden, sondern sie im Gegenteil bekämpfen.

Was wäre Ihr größter politischer Wunsch bis Ende nächsten Jahres?

Da gibt es einige: Etwa, dass am Kriegerplatz in Longerich neben dem Denkmal unsere beschlossene Stele zur historischen Einordnung des Kriegergedenkens dann fertig ist, sowie das Quartiersparkhaus am Niehler Kirchweg und der breite Fahrradweg entlang des Mauenheimer Gürtels. Und wenn die Nippeser Alhambra-Parkanlage endlich schön wird, wäre das ein großer Gewinn. An den Geldern liegt es nicht, denn diese sind da. Ich würde mich zudem freuen, wenn das Atelierhaus im früheren "Glanzstoff"-Verwaltungsbau an der Neusser Landstraße bis dahin eröffnet wäre und der dortige Leerstand Vergangenheit ist.

Außerdem bin ich gespannt darauf, wie es mit dem von uns beschlossenen Tempo 30 als Regelgeschwindigkeit für den Stadtbezirk weitergeht. Köln insgesamt gehört ja zur „Städteinitiative Tempo 30“, die 30 km/h innerorts zum weitgehenden Standard machen will. Ich bin gespannt, ob die neue Bundesregierung in Berlin den Kommunen ermöglicht, das selbstständig zu entscheiden.

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