Pest, Cholera, Corona in KölnFrüher wie heute ist mangelnde Hygiene ein Problem

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Händewaschen ist wichtig – nicht nur in Zeiten von Corona.

  • 1349 erreichte Köln die erste große Pestwelle. Die jüdische Gemeinde wurde schnell als Schuldige ausgemacht.
  • Im 19. Jahrhundert wurde Köln von zwei großen Choleraepidemien heimgesucht.
  • 2020 hat die Corona-Krise das Leben in Stadt so gut wie lahmgelegt. Wer sich mit den Pandemien beschäftigt, stößt auf einige Analogien.

Köln – Dass Gott die Menschen zuweilen strafte, die Gestirne in eine ungünstige Konstellation eintraten, so dass die Welt aus den Fugen geriet, über Jahrhunderte hinweg ist das ein selbstverständlicher Glaube, auch im „Hilligen Köln“. Monika Frank, Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte und Ethik der Medizin an der Universität zu Köln hat sich mit den Zeiten der Pandemien beschäftigt und kennt die Maßnahmen, die in Vorzeiten dagegen ergriffen wurden: Prozessionen und Gebete. Denn sonst blieb nichts, denn weder gegen Pest noch Cholera gab es ein Mittel.

Der größte Faktor für die Ausbreitung der Pandemien heute und damals: mangelnde Hygiene. Der heutige Begriff davon war in Antike und Mittelalter schlicht inexistent. Dass die allgegenwärtigen Flöhe die Erreger über die Ratten in die Häuser schickten? Wer hätte das verstanden? Damals galt: Gestank macht krank. „Also ließ der Kölner Rat ausrufen, man solle die Schweine von den Straßen holen und, immerhin, keinen Unflat vor dem Gürzenich abladen“, erzählt Frank.

Tücher mussten auch früher vor Mund und Nase gehalten werden

Eine Analogie zu heute gibt es: Der Rat der Stadt Köln ordnete an, dass zu Pestzeiten die Mitglieder der Krankenpflegeorden – das waren die Alexianer, Celliten und Cellitinnen, Kapuziner und Jesuiten – sich zu isolieren und von Gesunden fernzuhalten hatten. Sie durften außer ihren Ordenskirchen keine Kirchen besuchen. Mönche und Passanten sollten sich zum Schutz vor den so genannten ansteckenden Dünsten Tücher vor Mund und Nase halten. Weil viele Erkrankte von ihren engsten Angehörigen im Stich gelassen wurden, alle erkrankten Reisenden hilflos waren, sahen sich die Krankenpflegeorden in der Nachfolge Christi verpflichtet.

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Doch es gab auch in Zeiten des Hochmittelalters Kreise, die die Fake News von den „Brunnenvergiftern“ wenn nicht in die Welt setzten, sich zunutze machten. „Wir können heute davon ausgehen, dass die Ängste der Menschen gezielt instrumentalisiert wurden“, erklärt Monika Frank. Wochen bevor die erste große Pestwelle Köln 1349 erreichte, wurde die jüdische Gemeinde als Schuldige ausgemacht. Wie in anderen europäischen Städten standen auch in Köln Teile der Führungsschichten hinter dem Pogrom, in dem am 24. August 1349 viele Juden ermordet wurden.

Ratsherr Stefan Lochner war eines der prominentesten Opfer 

Auch im 15. Und 16. Jahrhundert wütete die Pest in der Stadt. 1451 baten die Kirchmeister der Pfarrei St. Alban den Stadtrat, einen Pestfriedhof auf einem der Kirche gegenüberliegenden Grundstück anlegen zu dürfen. Der reguläre Kirchhof war überfüllt. Nur notdürftig konnten Massengräber die durchschnittlich 10 Leichen aufnehmen, die in einer der 19 Kölner Pfarreien täglich anfielen. Der Maler und Ratsherr Stefan Lochner, der gleich neben dem Ersatzfriedhof wohnte, war sicherlich eines der prominentesten Opfer jenes Jahres. 

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Der berühmte Chronist Hermann von Weinsberg schreibt: „1518 war in Köln ein schreckliches Sterben, viele Tausende Menschen starben. Als das Sterben Tag für Tag größer wurde, flohen die Leute aus der Stadt, und es war keine Nahrung mehr da.“ Wohlhabende Familien wie die Weinsberg verließen die Stadt etwa nach Knechtsteden oder in ihre Landhäuser. Die Armen aber hatten keine andere Wahl als in den engen, stinkenden Städten zu bleiben.

Erst in der Franzosenzeit wurde der Friedhof Melaten vor den Toren der Stadt eingerichtet. Dazu brauchte es offenbar die Franzosen. „Aber die haben’s nicht erfunden und erst recht nicht die revolutionären Franzosen. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gibt es in vielen aufgeklärt-absolutistisch regierten Staaten solche Maßnahmen. Es sind die Anfänge der modernen Hygiene, die sich hier etablieren.“

Viele Kölner fielen Choleraepidemien zum Opfer

Zudem wird die Gesunderhaltung der Bevölkerung jetzt als öffentlich Aufgabe gesehen. Im 19. Jahrhundert wird Köln von zwei großen Choleraepidemien heimgesucht. 1849 sterben in der Stadt über 1000 Menschen, 1866/67 sind es über 900 Todesopfer. Die preußische Seuchengesetzgebung schrieb schon seit der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts den Kommunen vor, hinreichend Isolierraum für Akutseuchen vorzuhalten. Wie in anderen Städten ist dies in Köln ein wichtiger Beweggrund, die Einrichtungen der kommunalen stationären Krankenversorgung auszubauen. Schulen und andere öffentliche Gebäude wurden bei Bedarf umgenutzt. Das Augustahospital entstand 1886 in der Befürchtung einer abermaligen großen Choleraepidemie als Barackenlazarett zur Isolation infektiöser Kranker. „Die Epidemie blieb ber aus und der Isolierraum wicht immer mehr der regulären stationären Krankenversorgung, die immer leistungsfähiger wurde“.

So hatte die Cholera auch eine positive Kehrseite: Sie wird zum Anlass für die Neuorientierung der Städte, auch in Köln: „Hygiene wird Leitdisziplin kommunalen Handels. Erste umwelthygienische Maßnahmen sind Wasserleitungen, Kanalisation, bessere Wohnungen.“ Und die Pandemie hat eine ethische Dimension: „Die Hilfsbereitschaft wird entdeckt. So behandelt der Kölner Arbeiterführer Andreas Gottschalk 1849 Cholerakranke. Und er stirbt schließlich selbst an der Krankheit.“

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