„Besonders verwerflich“Kölner für Mord an Petra Nohl nach 36 Jahren verurteilt – Tochter ist erleichtert

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Die 24-jährige Petra Nohl wurde in der Nacht zu Karnevalssonntag 1988 in der Kölner Innenstadt getötet.

„Cold Case“: Die 24-jährige Petra Nohl wurde in der Nacht zu Karnevalssonntag 1988 in der Kölner Innenstadt getötet.

Der Prozess um den Karnevalsmord von 1988 endete mit einer lebenslangen Haftstrafe für den Angeklagten. Das sagen die Richterin und die Tochter des Opfers.

Der Kölner „Cold Case“ um die im Jahr 1988 getötete Petra Nohl ist keiner mehr. Das Landgericht verurteilte den heute 57-jährigen Norbert K. am Freitag wegen Mordes zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe. „Ich bin total erleichtert“, sagte die Tochter der Getöteten dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ kurz nach der Urteilsverkündung. Sie habe große Angst vor einem möglichen Freispruch gehabt. Den hatten die Verteidiger gefordert und von einer zu dünnen Indizienlage gesprochen.

Köln: Staatsanwältin plädierte auf Mord, Verteidiger auf Freispruch

„Wir sind überzeugt davon, dass Sie Petra Nohl getötet haben.“ Diese Worte richtete die Vorsitzende Richterin Sibylle Grassmann in Saal 7 des Justizgebäudes an den Angeklagten. „Sie sind heute ein anderer Mensch und haben das Geschehen womöglich verdrängt, aber sicher nicht vergessen.“ Das ändere ohnehin nichts an der Schuld, die Norbert K. als damals 21-jähriger Kleinkrimineller auf sich geladen habe. Mord bleibe Mord und das verdiene die Höchststrafe.

Kurz vor dem Urteil im Landgericht Köln: Der Angeklagte Norbert K. (57) hält sich einen Ordner mit bunter Beschriftung vor das Gesicht. Rechts sein Verteidiger Marc Piel.

Kurz vor dem Urteil im Landgericht Köln: Der Angeklagte Norbert K. (57) hält sich einen Ordner vor das Gesicht. Rechts sein Verteidiger Marc Piel.

Das Urteil war mit Spannung erwartet worden, da die Bewertung des Falls durch Staatsanwaltschaft und Verteidigung völlig unterschiedlich ausgefallen war. Die Anklägerin sprach von Raubmord – der Täter hatte einen Beutel mit 100 D-Mark mitgenommen – und einem „Overkill“, Anwalt Uwe Krechel von wenigen „popeligen Hautschuppen“ seines Mandanten an der Leiche, die nichts beweisen würden. Unstrittig hingegen war der objektive Tatablauf in jener Nacht zum Karnevalssonntag.

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Kölner Richterin: „Die Tat war besonders verwerflich“

Die 24-jährige Petra Nohl, Mutter einer 18 Monate alten Tochter, war im ehemaligen „Bierdorf“ in den Opernpassagen feiern, sie besuchte die Diskothek „Chari Vari“. Danach wollte sie weiter ins „Big Ben“ am Klapperhof, versuchte im Bereich Glockengasse aber offenbar vergeblich ein Taxi zu bekommen. Daher ging sie zu Fuß weiter. Nach etwa 700 Metern wurde Nohl angegriffen, zu Boden gebracht und erwürgt. Sie wurde fürchterlich zugerichtet, erlitt mehrere Brüche und erstickte an ihrem Blut.

„Treten, Trampeln, Draufknien“, so hatte es ein Gerichtsmediziner beschrieben, der von 30 massiven Einwirkungen auf den Körper der 24-Jährigen gesprochen hatte. Das zeugte laut Staatsanwältin von einem „menschenverachtenden Vernichtungswillen“. Richterin Grassmann sprach von einem eklatanten Missverhältnis zwischen Anlass und Tat, diese sei daher besonders verwerflich und verachtenswert, dadurch sei das Mordmerkmal der sonstigen niederen Beweggründe verwirklicht.

Opfer am Zugweg der Kölner Schull- und Veedelszöch ermordet

Das Motiv der Tat war laut Richterin: „Sex oder Geld.“ Zielstrebig sei der Angeklagte seinem Opfer vom Taxistand gefolgt, habe sich noch von einem Bekannten verabschiedet, obwohl man gemeinsam nach Hause fahren wollte. Norbert K. habe die erste sich bietende Möglichkeit für einen unbemerkten Angriff genutzt – in der dunklen Albertusstraße, an der schon alles für die Schull- un Veedelzöch aufgebaut war. Der Mord geschah hinter einem Bierwagen. Der Zug zog später an der Leiche vorbei.

Der Leichenwagen mit der toten Petra Nohl musste sich 1988 in die Schull- und Veedelszöch einreihen, die am Tatort vorbeizogen.

Der Leichenwagen mit der toten Petra Nohl musste sich 1988 in die Schull- und Veedelszöch einreihen, die am Tatort vorbeizogen.

Der Bekannte von damals hatte die Ermittler nach einem Bericht in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“ im Dezember 2022 auf die Spur von Norbert K. gebracht, der als mittlerweile unauffälliger Familienvater in Longerich lebte. Der Zeuge habe nicht sicher gewusst, dass K. der Mörder war. Nach Fahndungsaufrufen hatte er den Kumpel drauf angesprochen, der habe abweisend und aufbrausend reagiert. Der Verdacht habe den Zeugen all die Jahre umgetrieben.

DNA-Spuren an der Leiche überführten den Angeklagten

Letztlich gaben die DNA-Treffer den Ausschlag zur Verurteilung. Sechs Hautschuppen von K. hatten sich an der Kleidung von Petra Nohl gefunden, etwa im Bereich der Oberarme, an denen der Mörder gerissen habe. Das könne nicht mit zufälligen Berührungen in einer Diskothek erklärt werden. Damit hatte die Verteidigung argumentiert. Folgte man dieser abstrakten These, dann hätte wohl überwiegend DNA-Material von Nohls Freundinnen gefunden werden müssen, die mit ihr den Abend verbracht hatten. Verteidiger Marc Piel kündigte bereits Revision zum Bundesgerichtshof an.

Petra Nohls Tochter hatte den Prozess an fast allen Hauptverhandlungstagen verfolgt und brach nach der Urteilsverkündung in Tränen aus. Noch einmal mit den schrecklichen Details des Mordes konfrontiert zu werden, „das war schlimm“, sagte sie. Das Urteil sei gerecht, ändere aber nichts daran, dass sie ohne Mutter aufgewachsen sei, nie habe „Mama“ sagen können. Mittlerweile hat sie eine eigene Familie gegründet. Petra Nohl wäre heute 60 Jahre alt und seit kurzem Großmutter.

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