Zwangsräumung von Kölner FamilieUrteil des Oberverwaltungsgerichts mit Spannung erwartet

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Protestkundgebung gegen Zwangsräumung von sechsköpfiger Familie in Gremberghoven

Protestkundgebung gegen die Zwangsräumung der Familie in Gremberghoven Mitte Januar

Ein Urteil des OVG Münster in dem Fall könnte Folgen  haben für den Umgang der Stadt Köln mit wohnungslosen Menschen insgesamt.

Im Fall der Mitte Januar zwangsgeräumten Jacqueline W. mit ihren fünf Kindern aus Porz-Gremberghoven könnte es bald ein Gerichtsurteil mit weit reichenden Folgen geben. Bestätigt das Oberverwaltungsgericht in Münster einen Beschluss des Kölner Verwaltungsgerichts, hätte dies grundlegende Konsequenzen für die Verwaltungspraxis gegenüber wohnungslosen Menschen in Köln.

Die Stadtverwaltung könnte sie dann nicht mehr wie bislang in dafür vorgesehenen Notunterkünften unterbringen, die in der ganzen Stadt verteilt sind, sondern müsste zusätzlich Rücksicht nehmen auf Nähe zum bisherigen Wohnort, Anzahl der Zimmer und Rückzugsmöglichkeiten.

„Wir sehen gute Chancen, dass das OVG den Beschluss des Kölner Verwaltungsgerichts bestätigt – die Stadt Köln müsste sich dann ernsthafte Gedanken darüber machen, wie sie wohnungslose Menschen künftig menschenwürdig unterbringt“, sagt Reentje Streuter von der Sozialistischen Selbsthilfe Mülheim (SSM), der die Familie aus Porz juristisch berät.

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Mutter und ihre fünf Kinder wohnen derzeit auf 40 Quadratmetern

Um Obdachlosigkeit zu verhindern, müsse die Stadt auch „die Anmietung von Wohnungen auf dem freien Wohnungsmarkt oder auch die Anmietung geeigneter Hotelzimmer in sämtlichen in Betracht kommenden Hotels“ erwägen, hatte das Kölner Verwaltungsgericht begründet. Unabhängig von den Kosten.

Nach der Zwangsräumung in Gremberghoven lebt Jacqueline W. derzeit mit ihren fünf Kindern in einer 40-Quadratmeter-Wohnung in Porz, die die SSM über Freunde kostenlos zur Verfügung stellt. „Den Kindern geht es sehr gut. Leider hat sich von der Stadt seit der Räumung niemand bei mir gemeldet – weder wegen einer Wohnung noch um nach den Kindern zu fragen“, sagt sie.

Die Stadt hatte die Familie in zwei Apartments einer Obdachlosenunterkunft in Ehrenfeld unterbringen wollen. Das Kölner Verwaltungsgericht hatte daraufhin geurteilt, diese Notunterkunft entspreche nicht den Kriterien für eine menschenwürdige Unterbringung. Das Obdachlosenhotel in Ehrenfeld sei zu weit entfernt von Schule und Kindergarten in Porz, zudem habe die Wohnung nur zwei Zimmer und biete zu wenig Rückzugsmöglichkeiten für die Kinder – der älteste Sohn von Jacqueline W. ist beeinträchtigt, er leidet unter dem Asperger-Syndrom.

Zwangsräumung wegen Mietschulden

Einem Sprecher des Kölner Amtsgerichts zufolge hatte der Porzer Wohnungseigentümer Vonovia die Zwangsräumung durchsetzen wollen, weil die Familie mit der Miete im Rückstand war. Juristischen Beistand hatte die Familie erst spät in Anspruch genommen – als die Zwangsräumung kurz bevorstand. Dann kam die SSM ins Spiel, legte Widerspruch ein und demonstrierte für die Rechte der Familie.

„Da war das Kind schon in den Brunnen gefallen“, sagt Reentje Streuter. Relevant sei das für ihn nicht. „Man kann das ein bisschen mit einem Menschen vergleichen, der ein Leben lang raucht und Lungenkrebs bekommt. Natürlich wird er trotzdem behandelt. Was zu seiner Erkrankung geführt hat, spielt für die Ärzte keine Rolle.“ Das, sagt der Jurist, dürfe es auch für die Stadt Köln nicht.

Natürlich sind Jacqueline W. und ihre Familie nicht ohne Grund in die Situation gekommen, geräumt zu werden. Gegenüber dieser Zeitung hatte die alleinerziehende Mutter Mitte Januar gesagt, „die Stadt hat uns mehrfach angedroht, uns die Kinder wegzunehmen“ – und diese Aussage scharf kritisiert. Seit wann sie von der offenbar schwierigen Familiensituation wusste, seit wann das Jugendamt in der Familie war, ob es Überlegungen gab, die Kinder der Mutter zu entziehen – diese Fragen beantwortet die Stadt nicht – und verweist auf den Datenschutz.

Mehrere Polizeieinsätze in der Wohnung in Porz

Zudem gab es in der Vergangenheit mehrere Polizeieinsätze in der Wohnung in Porz. Die Stadt Köln selbst hatte öffentlich von Polizeieinsätzen berichtet, mindestens zehn im Jahr 2022. Jacqueline W. hatte die Stadt wegen dieser Aussage angezeigt – sie fühlt sich diskreditiert und ihre ohnehin schwierige Suche nach einer neuen Wohnung für sich und ihre fünf Kinder negativ beeinträchtigt. Eine Wohnungsbaugesellschaft hatte der Familie ein Wohnungsangebot gemacht – ihre Zusage nach Bekanntwerden der Polizeieinsätze aber zurückgezogen.

Viele Einzelheiten der Geschichte rund um die alleinerziehende Jacqueline W. und ihre fünf Kinder werden aus gutem Grund nie freigelegt werden. Sie sind privat. Was zu sagen ist: Bevor eine Mutter mit fünf Kindern obdachlos wird, muss vieles geschehen sein. „Mietrückstände allein reichen dafür bei weitem nicht aus“, sagt der Wohnungseigentümer Vonovia.

Eine Vonovia-Sprecherin sagte, dass es wichtig sei, bei Mietern mit jedweden Schwierigkeiten, „im Vorfeld Netzwerke zu schaffen, um schnellstmöglich intervenieren zu können“. So gebe es in Leverkusen einen gesonderten Ansprechpartner für Härtefälle beim Sozialamt. „Eine konzertierte Aktion mit kurzen Behördenwegen ist in solchen Fällen wichtig.“ Im Falle von Jacqueline W. und ihren Kindern habe solch eine Intervention ihrer Kenntnis nach nicht stattgefunden.

Eine Sprecherin der Stadt Köln teilte mit, dass das Obdachlosenhotel in Ehrenfeld nach Auffassung der Stadt „den Anforderungen an eine ordnungsbehördliche Notunterbringung einer Familie“ entspreche. „Darüber hinaus bemüht sich die Stadt Köln selbstverständlich auch weiterhin ämterübergreifend um eine alternative Unterbringung für die Familie aus dem städtischen Wohnungsbestand, der für Wohnungslose vorgehalten wird.“ Ein Angebot seitens der Stadt hat die Familie seitdem nicht erhalten. Ob die Stadt sich um eine andere Unterkunft kümmern muss, entscheidet das Gericht in Münster.

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