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Das Ende einer ÄraWarum Stephan Demmer das Präsidentenamt im Porzer Karneval niederlegt

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Stephan Demmer bei der Eröffnung des Straßenkarnevals in der Porzer Innenstadt mit den Jecken im Hintergrund.

Stephan Demmer bei der Eröffnung des Straßenkarnevals in der Porzer Innenstadt.

Kölner Stephan Demmer hört als Präsident des „Festausschuss Porzer Karneval“ auf und zieht im Interview ein Fazit nach 16 Jahren Präsidentschaft.

Warum hören Sie als Präsident des „Festausschuss Porzer Karneval“ auf?

Ich muss jetzt auch mal für mich einen Schnitt machen. Ich war der, der Ideen geliefert hat. Derjenige, der organisiert, durchgeführt, moderiert und der, der am Ende auch noch mit dem Besen alles weggekehrt hat. Meine Frau sagt immer, für mich wäre 365 Tage im Jahr Karneval gewesen. Denn es gab ja auch Termine, die mit dem gesellschaftlichen Leben zu tun haben. Der Beirat Porz-Mitte zum Beispiel oder die Porzer Bürgerstiftung.

Ein „Fulltime-Ehrenamt“

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Ja. Wenn ich das Amt abgebe, ist das einfach auch mal eine Entlastung, auch ein bisschen freier in allen Dingen zu werden und nicht zu meiner Frau sagen müssen: „Jetzt wegzufahren ist gerade blöd, weil die und die Jubiläumsveranstaltung ansteht und ich dafür was vorbereiten muss.“ Auch glaube ich, dass der Porzer Karneval durchaus eine Veränderung verdient hat.

Als Sie Präsident geworden sind, wollten Sie einen Generations- aber keinen Traditionswechsel. Ist Ihnen das gelungen?

Ich glaube ja. Mir war es wichtig, neue Ideen zu haben, moderner zu werden, ohne festgesetzte Rituale oder Traditionen aufgeben zu wollen. Ich habe den Vorstand verjüngt, um auch die Jugend zu erreichen. Da war mir wichtig, dass wir auch junge Menschen mit Anfang 20 im Vorstand haben, die eine andere Sprache sprechen. Um sich weiterzuentwickeln, ist der Blick von außen ein Gewinn. Deswegen sind Menschen wie Geschäftsführer Holger Harms, die vorher in keiner Gesellschaft aktiv waren, auch wichtig.

Welche Traditionen wollten Sie nicht aufgeben?

Die Besetzung des Porzer Dreigestirns mit Prinz, Bauer und weiblicher Jungfrau. Auch an den Farben oder den Ornaten sollte nichts geändert werden. Oder eben der Rosensonntagszoch.

Bei dem hat es aber Änderungen gegeben. Die Verlängerung bis zur Adelenhütte zum Beispiel.

Eine Entscheidung, die nicht unbedingt mit großartigem „Bravo und Hallo“ begleitet worden ist. Aber es war alternativlos. Wir sind mit dem Zug so gewachsen, dass wir uns in den Schwanz gebissen haben. Deswegen musste eine Verlängerung her.

Mit „Karneval macht Schule“ haben Sie ein besonderes Projekt mit auf den Weg gebracht.

Es geht darum, Kindern aufzuzeigen und zu erklären, woher der Karneval überhaupt kommt. Unsere Botschaft: Karneval ist nicht nur Party mit viel Alkohol. Wir gehen jede Woche in die Schule und verbringen da jeweils zwei Stunden. Einfach nur Infomaterial anfertigen reicht nicht.

Wie würden Sie den Porzer Karneval beschreiben?

Wir haben den familiären Karneval geprägt. Es ist wichtig, dass die Zugteilnahme bezahlbar ist. Dass das nicht nur einem ausgesuchten reichen Publikum gegeben ist.

Kann man den Porzer und den Kölner Karneval miteinander vergleichen?

Man kann aus Köln ganz viel lernen. Wie man es nicht machen sollte und wie doch.

Was wäre denn ein Beispiel, was man nicht machen sollte?

Sich einer Kommerzialisierung des Fernsehens unterzuordnen, um eine Proklamation bundesweit tauglich zu machen. Klar soll die Proklamation etwas Festliches haben. Aber an Spaß darf es auch nicht fehlen. Auch die Vielfalt der auftretenden Künstler sollte gezeigt werden.

Und was kann man sich abgucken?

Die Professionalität. Sie haben es geschafft, ein Karnevalsmuseum zu bekommen, eine Wagenbauhalle zu besitzen. Das ist schon klasse.

Stichwort Karnevalsmuseum – die Idee gab es ja auch für Porz.

Und die gibt es weiterhin. Die ersten Gespräche habe ich schon geführt. Es gibt Investoren, die sehr großes Interesse haben. Ich bin da guter Dinge, dass das gelingen wird. Vielleicht nicht heute, nicht morgen, aber ich denke in den nächsten acht bis zehn Jahren.

Gibt es so etwas wie den schönsten Moment in 16 Jahren FAS-Präsidentschaft?

Da gibt es ganz, ganz viele. Einer war bei „Karneval macht Schule“ als wir Guido Cantz zu Gast an der Grundschule in Porz-Mitte hatten. Da war ein Flüchtlingskind, das hat sich vor die Klasse gestellt und zwei Witze erzählt. Der Schulleiter fing an zu weinen und erklärte mir, dass das Kind erst vor einem halben Jahr schwerst traumatisiert aus Syrien nach Deutschland gekommen war und bis zu dem Zeitpunkt kein einziges Wort gesprochen hatte. Und wir kommen mit „Karneval macht Schule“ und Guido Cantz vorbei, und das Kind öffnet sich zum ersten Mal. Da kriege ich jetzt noch Gänsehaut, wenn ich daran denke.

Gab es auch weniger schöne Momente?

Ja. 2010, als es geschneit hatte und wir von der Stadt Köln erfahren hatten, dass es für die Randgebiete keine Streuwagen geben wird. Wir mussten uns entscheiden: Zoch absagen oder laufenlassen. Ich habe damals mit Gregor Berghausen die Entscheidung gefällt: Wir gehen. Dafür habe ich privates Geld in die Hand genommen und ein Unternehmen besorgt. Leider war zu wenig Salz da und im Bereich der Zoch-Auflösung sind einige hingefallen. Da hat es Beschimpfungen gegeben, die kannst du nicht in der Zeitung schreiben. Oder auch die Anfeindungen, als wir das erste Galadinner gemacht haben. Da haben mir verschiedene Gesellschaften vorgeworfen, ich mache den Karneval kaputt und elitär. Das hat mich dann schon ziemlich verletzt. Mein Ziel war es, ein Klientel, das solvent und bereit ist, ein paar Euro mehr auszugeben, in Porz zu halten.

Die größte Herausforderung als FAS-Präsident?

Kurzfristige Entscheidungen zu treffen. Gerade bei den Zügen. Oder bei Corona. Da bin ich stolz, dass wir im kleinen Kreis mit drei Vorstandskollegen eine Entscheidung getroffen haben, die einzigartig war: Unser „Puppendreigestirn“.

Als Moderator und Redner haben Sie immer eine gute Figur gemacht. Nur manchmal sorgten einige Worte für Verwunderung. Das lag aber nicht wirklich an Ihnen. Klären Sie doch mal auf.

Bei uns im FAS-Vorstand kommt der Spaß nicht zu kurz. So wurde mir vor einigen öffentlichen Ansprachen immer ein Zettel mit Worten zugesteckt, die ich verwenden musste.

Und das schlimmste Wort war?

... im Bundestag, als ich von „Menstruationsbeschwerden“ in einer Rede vor Abgeordneten sprechen musste. Das war schwierig.

Apropos schwierig. Welchen Herausforderungen muss sich der Porzer Karneval stellen?

Für jede Gesellschaftsschicht muss es bezahlbar sein, beim Erlebnis Karneval mitzumachen. Wir müssen aufpassen, dass wir die Vielfalt der Vereine nicht verlieren und sich die interessierten Karnevalisten nicht nur auf zwei, drei Gesellschaften stürzen. Stammtische, kleine Vereine bis zur stolzen Garde – alles sollte vorhanden sein. Der Porzer Karneval soll seine Vielschichtigkeit und sein farbenfrohes Erscheinungsbild behalten.

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