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„Dein Spaß ist mein Horrortrip"Kampagne macht in Köln mobil gegen käuflichen Sex

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Lea Woltiri (l.), Lena Teschlade und Thomas Luppa

Köln – Mit Botschaften wie „Dein Spaß ist mein Horrortrip“ und „Zu verkaufen: Körper, Freiheit, Würde. Bezahlsex zerstört Leben“ wollen im Rahmen der Kampagne „Rotlicht aus“ Frauen des Vereins Sisters und des Landesfrauenrats Baden-Württemberg auf die unmenschlichen Bedingungen aufmerksam machen, unter denen Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter tätig sind. „Wir sind junge Frauen aus Köln, die sich dazu entschlossen haben, die Kölnerinnen und Kölner in diesem Thema etwas aufzurütteln“, heißt es in einer Mitteilung der Kampagne. „Wir stellen in Frage, ob sexuelle Dienstleistungen und das Befriedigen von zehn bis 15 Freiern am Tag wirklich ein Beruf wie jeder andere ist.“

Viele der Sexarbeiterinnen kämen aus dem Ausland, lebten unter prekären Umständen und seien struktureller Gewalt ausgesetzt. Tatsächlich weist ein gerade veröffentlichter Bericht der Stadt zum Thema Sexarbeit in Köln auf vielfache Probleme unter den geschätzt 2500 bis 5000 Kölner Prostituierten hin. Viele hätten Schulden, erduldeten Gewalt, hätten einen unsicheren Aufenthaltsstatus, hätten Angst vor Wohnungsverlust oder konsumierten Drogen. Dem städtischen Bericht zufolge gibt es neben den beiden Straßenstrichen an der Geestemünder Straße und im Kölner Süden (Eifeltor und Brühler Landstraße) Dutzende Orte, an denen Sexarbeit stattfände – vom Großbordell über Wohnungen bis hin zu Bars und Clubs.

Strukturelle Gewalt gegen Sexarbeiterinnen

Die Arbeit hinterlasse physische und psychische Schäden bei den Prostituierten. Sexarbeiterinnen litten zum Beispiel an posttraumatischen Belastungsstörungen ähnlich wie Soldaten, die im Irak-Krieg im Einsatz waren, sagte Lena Teschlade vom Verein Sisters. Viele Sexarbeiterinnen hätten zudem kaum Zugang zum Gesundheitssystem, weil sie nicht krankenversichert seien, ergänzt Lea Woltiri, ebenfalls von Sisters.

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Die Plakataktion „Rotlicht aus“, die von der Firma Ströer DSM Deutsche Städte Medien mit Plakatstandorten unterstützt wird, soll in den kommenden zehn Tagen an 40 Stellen in Köln auf die Probleme aufmerksam machen. Die Initiativen fordern mehr Beratungsarbeit, damit Sexarbeiterinnen die Möglichkeit haben, aus der Prostitution auszusteigen. Zum anderen plädieren sie dafür, dass das Nordische Modell auch in Deutschland eingeführt wird.

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Nach diesem Modell, das vor 22 Jahren in Schweden erarbeitet und seitdem in zahlreichen weiteren Ländern wie Israel und Frankreich umgesetzt wurde, machen sich nicht Sexarbeiterinnen, sondern die Kunden strafbar. Zudem sollen Prostituierte besser unterstützt werden. „Die Ausstiegsfrage ist eine Frage der Menschlichkeit", so Woltiri. Das Nordische Modell ist allerdings nicht unumstritten. Während etwa die schwedische Regierung betont, die Prostitution sei im Land erheblich gesunken, stellte dies etwa Susanne Dodillet von der Uni Göteborg jüngst in einer Anhörung im Landtag NRW infrage. Der Grund: Die Datengrundlage sei viel zu vage.

Nordisches Modell ist umstritten

In Deutschland ist Sexarbeit seit 2002 legal, seit 2017 müssen sich Prostituierten und Bordelle bei den Behörden anmelden. In Köln kann Prostitution außerhalb der Sperrzonen ausgeübt werden. 2001 wurde etwa an der Geestemünder Straße ein Straßenstrich erlaubt, der von Sozialarbeiterinnen des Sozialdienstes katholischer Frauen (SKF), Polizei und Stadt begleitet wird. Der SKF bietet Hilfen bei akuten Problemlagen beziehungsweise eine Ausstiegsberatung aus der Sexarbeit an. Laut SKF gibt es täglich zwischen 25 und Kontakte zu Sexarbeiterinnen.

Befürworter der derzeitigen Regelungen befürchten, dass Sexarbeit bei einer Einführung des Nordischen Modells in die Illegalität gedrängt und Sexarbeiterinnen stärker gefährdet würden. Dies sei möglicherweise auch während der Corona-Pandemie geschehen, nachdem Prostitution vorübergehend verboten wurde, heißt es im städtischen Bericht an den Sozial- und Gesundheitsausschuss.

Teschlade hält das Argument dagegen für „vorgeschoben“. Die ehemalige Sozialarbeiterin glaubt, dass die Streetworker auch beim Nordischen Modell den Zugang zu den Sexarbeiterinnen fänden. „Mit der Legalisierung hat man der Strafverfolgung vermindert.“ Zudem sei Prostitution ein gutes Geschäft für den Staat, der an den Steuern verdient. „Das ist Geld, das man gerne annimmt.“

Am Donnerstag 17. Juni, gibt um 18 Uhr ein digitales Fachgespräch zur Kampagne. Interessierte können sich auf der „Rotlicht aus”-Internetseite für die Veranstaltung anmelden.

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