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„Muss ich das beantworten?“Woelki bestreitet Vorwürfe vor Kölner Gericht im „Bild“-Prozess

Lesezeit 4 Minuten
Kardinal Rainer Maria Woelki mit einem Wachtmeister beim Betreten des Kölner Landgerichts.

Kardinal Rainer Maria Woelki sagt im Prozess gegen die Bild-Zeitung persönlich als Zeuge beim Landgericht Köln aus.

Woelki hat am Dienstag in einem presserechtlichen Verfahren vor dem Landgericht Köln ausgesagt.

Offenheit und Transparenz scheint der Kölner Kardinal Rainer Woelki am Dienstag bei seinem Auftritt im Kölner Landgericht demonstrieren zu wollen. Doch als es in der Befragung zu einem Pfarrer, den Woelki 2017 trotz Missbrauchsvorwürfen befördert hatte, ans Eingemachte ging, schaltet Woelki um: „Muss ich das jetzt beantworten?“ Ja, befand der Richter. Die Antwort bringt Woelki zumindest moralisch in Bedrängnis.

Konkret wehrt sich der Kardinal im laufenden Prozess gegen die Behauptung der „Bild“-Zeitung, er habe vor der Beförderung des Pfarrers dessen Personalakte gekannt. Darin enthalten war eine Warnung der Polizei aus dem Jahr 2001, wonach der Pfarrer nicht mehr in Bereichen eingesetzt werden sollte, bei denen er Kontakt zu Kindern und Jugendlichen hat. Der Pfarrer soll zuvor gegenüber der Polizei eine sexuelle Begegnung mit einem jugendlichen Stricher hinter dem Hauptbahnhof zugegeben haben. Die Personalakte habe er bis zum heutigen Tage nicht gelesen, sagt Woelki, obwohl die darin enthaltenen brisanten Dokumente auch Bestandteil des Presserechtsstreits sind.

Woelki will Gerüchte selbst angesprochen haben

Woelki berichtet vielmehr von einer Personalkonferenz im Jahr 2017, in der über die Personalie gesprochen worden sei. Er selbst habe Gerüchte angesprochen, die über den Pfarrer in Umlauf gewesen seien. Woelki nennt „Saunagänge mit Leuten“, Kitzeleien und den Erwerb einer Schürze in Rom mit dem Bild von Michelangelos nacktem David. Man habe ihm versichert, dass sich keines dieser Gerüchte bewahrheitet habe. Von der „Sache am Hauptbahnhof“ habe er auch gehört. Hier sei ihm versichert worden, dass sich der Pfarrer seit vielen Jahren gut bewährt habe.

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Erst nach der Beförderung will Woelki erfahren haben, dass sein Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner, den Pfarrer bereits sanktioniert hatte. Die Personalakte hätten die Personalverantwortlichen des Erzbistums verwaltet. Woelki nennt auf Nachfrage des Richters zwei Namen: Pfarrer K. und Frau Z. In Kenntnis des Polizeivermerks hätte er den Pfarrer nicht befördert, betont der Kardinal. Prozessbeobachtern drängt sich der Umkehrschluss auf, dass Woelkis eigene Personalchefs ihm diese brisante Information verschwiegen haben müssen. Woelki betont weiter, dass der Vorfall am Hauptbahnhof von 2001 samt den weiteren Gerüchten 2018 nachträglich auch nach Rom gemeldet worden sei. Ein kirchenrechtliches Verfahren habe mit einem vom Vatikan kürzlich bestätigten Freispruch geendet. Damit seien die Gerüchte von einst nun auch heute eben nicht mehr als – Gerüchte.

„Muss ich das beantworten?“
Kardinal Woelki auf die Frage, ob Frau Z. für oder gegen eine Berufung des Priesters war

Woelkis etwa 90-minütige Befragung verläuft über weite Strecken unspektakulär, nimmt dann aber eine interessante Wendung, als sich „Bild“-Chefreporter Nikolaus Harbusch in der Rolle des Beklagten einschaltet. Es war sein Artikel, gegen den Woelki vorgeht, weil er sich laut eigener Aussage „darüber geärgert“ hatte. Was genau Frau Z. in der Personalkonferenz zum Fall des Pfarrers vorgetragen habe, will Harbusch wissen. Woelki: „Wir haben kontrovers diskutiert.“ Harbusch: „War Frau Z. für oder gegen eine Berufung?“ Woelki: „Das spielt doch hier keine Rolle.“ Harbusch wiederholt die Frage. Woelki sieht seinen Anwalt und den Richter an und fragt: „Muss ich das beantworten?“ – „Die Frage ist zulässig“, befindet der Richter. Dann erst gibt Woelki in Bezug auf den Pfarrer zu: „Frau Z. hat ihn kritisch gesehen.“

Doch damit nicht genug. „Und welche Position hatte der Pfarrer K.?“, fragt der Reporter weiter, fast als befände Woelki sich nun im Kreuzverhör. „Der sah ihn auch kritisch“, räumt Woelki ein. Er sträubt sich nun spürbar und ausdrücklich. „Ich weiß nicht, worauf das hier hinausläuft“. Mit Blick auf Persönlichkeitsrechte wolle er nicht später in der Presse lesen, was er über die Positionierungen von Mitarbeitern in internen Konferenzen vor Gericht kundgetan habe, sagte Woelki und verweist auf die vielen Medienvertreter im Gerichtssaal. Wer damals in der Personalkonferenz 2017 denn überhaupt für die Beförderung geworben habe, will der Reporter nun wissen. Woelkis Antwort: Weihbischof Dominikus Schwaderlapp und Offizial Günter Assenmacher. Gewünscht habe sich die Beförderung ein Stadtdechant des Bistums, der den Pfarrer als Mitarbeiter an seiner Seite haben wollte.

Kardinal Woelki könnte Zivilstreit gewinnen

Mit seiner Aussage vor Gericht – die Woelki auf Antrag der Beklagten unter Eid beschwor – könnte Woelki den Zivilstreit tatsächlich gewinnen. Denn hier geht es nur darum, ob er bestimmte Dokumente aus der Personalakte oder zumindest deren Inhalt kannte, als er den Priester 2017 beförderte. Woelki bestreitet das, und das Gegenteil konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Auch der frühere Interventionsbeauftragte Oliver Vogt, der vor Gericht von einer schon 2015 für Woelki erstellten Fallakte berichtet hatte, konnte letzten Endes nicht sagen, ob Woelki vom Inhalt Kenntnis genommen hatte.

Woelki seinerseits gab jetzt an, sich „beim besten Willen“ nicht erinnern zu können, ob er das Material von Vogt überhaupt bekommen habe. Eine Entscheidung will das Landgericht am 26. April verkünden. Parallel dazu laufen in der gleichen Sache strafrechtliche Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Sie prüft, ob Woelki eine falsche eidesstattliche Versicherung abgegeben hat. Der Kardinal bestreitet das. 

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