Erster Campingplatz DeutschlandsIn Rodenkirchen müssen die Gäste zeitweise fliehen

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1960: Einst waren es hauptsächlich Zelte, in denen die Leute übernachteten, dann Wohnwagen.

Köln – Ein bisschen Dolce Vita liegt in der Luft über Rheinkilometer 681. Familien essen Salat an Campingtischen, Paare lassen beim Cocktail den Blick über das Wasser schweifen, Eigentümer sündhaft teurer Wohnmobile hoffen an der Rezeption, bald dasselbe tun zu dürfen. Ein Sommer wie jeder andere bei „Camping Berger“, Deutschlands wohl ältestem Campingplatz? Natürlich nicht, 2020 ist auch hier vieles nicht so wie sonst.

An einem Biergartentisch versammeln sich Bernhard Berger, seine Frau Susanne und Sohn Benedikt. Es handelt sich um die dritte und vierte Generation der Familie, die den Rodenkirchener Erholungs-Betriebam Laufen halten. Wenn Pegelstand und Pandemien es denn zulassen. 

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2020: Heute stehen auf dem Platz am Rhein vor allem Wohnmobile.

Im März und April sei der Campingplatz coronabedingt sechs Wochen lang geschlossen gewesen, sagt Inhaber Bernhard Berger. Seit er auf der Welt ist, lebt der 54-Jährige auf und mit der fünf Hektar großen Anlage am Rhein – aber ein komplett leerer Platz über einen so langen Zeitraum sei selbst für ihn eine ganz neue Erfahrung gewesen. Mittlerweile herrscht wieder Hochbetrieb, aber die Kunden sind andere als vor dem Lockdown. „Normalerweise haben wir internationale Gäste, die Stadturlaub machen“, sagt der 26-jährige Benedikt Berger: „Jetzt sind die meisten Gäste Deutsche.“

Campen am toten Rheinarm

Als am 5. Mai 1931 die ersten Zelte an Rheinkilometer 681 aufgeschlagen werden, ist Jakob Berger der Gastgeber. Bernhard Bergers Großvater ist Wassersport-Fan und bietet Kanuten und Faltbootfahrern auf der Durchreise eine einfache Lager- und Anlaufstelle. Es handelt sich um Deutschlands ersten Campingplatz überhaupt, so jedenfalls die Recherchen der Familie, und das Terrain ist anfangs recht sumpfig: Gecampt wird an einem toten Rheinarm, den die Kölner „Düvelskall“ nennen. Nach dem Zweiten Weltkrieg lässt Jakob Berger die Auenlandschaft mit Kriegsschutt verfüllen und ebnet den Weg in eine hoffnungsvolle Zukunft. Die Wirtschaft brummt, die Menschen suchen das Weite. Aus dem „Bootshaus Berger“ wird ein Campingplatz, den auch immer mehr Reisende mit dem Auto ansteuern. Aus einem kleinen Kiosk wird eine Gastronomie, zu der sich später ein Hotel gesellt. Aus Zelten werden Wohnwagen, aus Wohnwagen Wohnmobile. Mitarbeiter werden eingestellt.

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„Es wurde immer mehr und mehr“, sagt Bernhard Berger. Auch die Öffnungszeiten dehnten sich aus: Wo früher nur ein paar Wochen im Sommer geöffnet war, darf längst ganzjährig geurlaubt werden.

Wenn der Rhein steigt, müssen die Gäste fliehen

Wenn der Rhein kommt, ist es damit allerdings vorbei. Dann müssen die Camper ihre Siebensachen räumen, und zwar schnell. „Das Hochwasser kommt regelmäßig“, sagt Bernhard Berger. „Ab 6,80 Meter Kölner Pegel steht das Gelände unter Wasser“, kommt es wie aus der Pistole geschossen: „Ab 8,56 Meter läuft es in die Rezeption.“ 1993 und 1995 stand das Wasser sogar bis unter die Decke. „Man lebt hier mit den Jahreszeiten“, sagt der Chef des Familienbetriebs. In diesem Jahr stand der Rhein schon dreimal auf dem Platz.

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Bernhard Berger ist Hausmeister, Kfz-Mechaniker und Gastgeber in Personalunion. Am liebsten allerdings sei er Gastgeber, sagt er: „Je internationaler es hier zugeht, desto größer ist meine Freude darüber.“ Besonders groß war die Freude etwa während des Weltjugendtags 2005, als der Campingplatz zu einem Ort des praktizierten Open-Air-Katholizismus mit jungen Gästen vor allem aus Italien mutierte. Oder zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006, als vor allem englische Anhänger einer ganz anderen Religion nachgingen und Kölsch aus Weizengläsern tranken. Stress gab es trotzdem nicht auf der Anlage.

Mit der Work-Life-Balance ist es für Bernhard Berger und seine Familie natürlich nicht immer weit her. Seit er denken kann, lebt er in seinem Elternhaus direkt neben der Rezeption und ist zu jeder Tages- und Nachtzeit im Dienst. „Man muss es als Berufung sehen“, sagt der Inhaber: „Und manchmal muss man sich vergegenwärtigen, wie schön man eigentlich hier wohnt.“ Und wenn er doch einmal Abstand braucht von Rheinkilometer 681, fährt er eben nach Holland – zum Campen natürlich.

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