Satirischer WochenrückblickWarum der Kölner das Konfetti-Net erfinden musste

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Das Kölner Dreigestirn: Jungfrau Björn Braun, Prinz Sven Oleff und Bauer Gereon Glasemacher

  • Über Köln und die Kölner kann unser Autor Peter Berger manchmal nur den Kopf schütteln – oder schallend lachen.
  • In seiner satirischen Köln-Kolumne „Die Woche”, in der er die Nachrichten der vergangenen sieben Tage humoristisch verarbeitet.
  • Dieses Mal geht es um das bunte Treiben der Kölner Narren in der virtuellen Welt.

Köln – Wenn Sie mal hautnah spüren möchten, wie diese Stadt tickt – jetzt, knapp zwei Wochen vor Wieverfastelovend, ist dazu die beste Gelegenheit. Besuchen Sie den Drogeriemarkt Ihres Vertrauens und erfahren Sie gleich ein paar Schritte nach dem Eingang, warum in Kölle alles etwas anders ist.

Auf einem Sondertisch, noch vor der Zahnpasta und der Duschgel-Armada, finden sich die für den Kölner unverzichtbaren Dinge des täglichen Bedarfs: Theaterschminke, Luftschlangen, Konfetti, falsche Wimpern, Nagellack-Entferner und Abschminktücher. Beim Bäcker nebenan wird Ihnen auf die Frage, ob Muuzemändelcher und gefüllte Berliner es in diesem verflixten Jahr wohl in die Auslagen schaffen werden, ein verständnisloses „Ja, was glauben Sie denn?“ entgegenschallen.

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Es brodelt in Kölle. Irgendwie hat der Festkomitee-Präsident Recht behalten mit seiner Prognose, der Kölner werde sich seinen Karneval nicht verbieten lassen. Im Gegenteil. Fast könnte man glauben, dass ihn der völlige Zusammenbruch des klassischen Brauchtums sogar beflügelt.

Alles zum Thema Kölner Dreigestirn

In Ermangelung vorgefertigter Formate, die nur noch konsumiert werden müssen, brauen sich die Jecken selbst was zusammen. Im Untergrund. Der Fastelovend hat sich im Netz verfangen. Im Konfetti-Net tobt sich das Brauchtum mal so richtig aus. Anarchisch, unorganisiert, voller Lust und Leidenschaft. Bei Youtube und Whatsapp, bei Zoom und Teams.

Salutschüsse aus der Konfettikanone

Ein Rusemondaachszoch aus Legosteinen der Katholischen Jugend Chlodwigplatz rollt zu den Klängen eines Spielmannszugs in der Pandemie viral über unbekanntes Wohnzimmerparkett, ganz ohne Pferde, begleitet von Salutschüssen aus der Konfetti-Kanone. Hinter Donald Trump mit seinen gepackten Koffern fegen die Kehrmännchen der Abfallwirtschaftsbetriebe die Straße blank. Herrlich.

Die Appelsinefunke drehen eine herzzerreißende Hommage an den Karneval im nächtlichen Kölle, bei der in jeder Note mitklingt, dass sie sich den Spaß an d’r Freud von so einem kleinen dreckeligen Covid-19-Knubbel nicht nehmen lassen und irgendein Jeck verkündet stolz mit einem Schuss Selbstironie: „Ich möchte mich nicht loben, aber ich war dieses Jahr noch in keiner Kneipe.“

Lappensitzung oder Lanxess-Arena?

Das ist natürlich ein schweres Schicksal, das den Kölner aber keineswegs davon abhält, seine Spezialedition des Pittermännchens mit der Aufschrift „Jecke blieve Jecke“ aus dem Supermarkt nach Hause zu schleppen. Vielleicht aus Nostalgie und mit der Hoffnung, die Büchse könne historische Bedeutung erlangen. Niemals, weil er sie spätestens an Wieverfastelovend geleert haben wird.

Wir werden es nie erfahren, aber es dürfte in dieser verflixten Session mit einem arbeitslosen Dreigestirn wohl Hunderte kleiner Sitzungen im Konfetti-Net geben. Es soll schon Chatgruppen geben, denen eine karnevalistische Zellteilung droht, weil man sich in der Beurteilung über die Qualität des selbst produzierten Materials nicht einig wird. Reicht das 2022 für die Lachende Köln-Arena? Oder doch bloß für die Lappensitzung?

Ein solcher Narrenstreit könnte am Ende als Meilenstein in die Geschichte eingehen. Die erste digitale Trennung im kölschen Fasteleer. Die einen treffen sich bei Zoom, die anderen bei Teams. Da freue ich mich doch lieber ganz traditionell auf meine Kneipe op d’r Eck.

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