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Schätze im KellerAusstellung zeigt verschollene geglaubte Kunst des Kölner Dombauarchivs

Lesezeit 5 Minuten
Klaus Hardering, ehemaliger Leiter des Kölner Domarchivs, an seiner früheren Wirkungsstätte.

Klaus Hardering, ehemaliger Leiter des Kölner Domarchivs, an seiner früheren Wirkungsstätte. 

Der frühere Leiter des Kölner Dombauarchivs, Klaus Hardering, über Erkenntnisgewinne zum Dom, Fälschungen eines Verkaufsschlagers und Fake-Ansichten im 19. Jahrhundert. 

Herr Hardering, zurzeit zeigt die Domschatzkammer eine kleine Sonderausstellung mit Kunstwerken aus dem Archiv des Doms, das Sie viele Jahre geleitet haben. Ist der Domarchivar zugleich Museumsdirektor?

Im weiteren Sinn ja, weil das Dombauarchiv für die Kunstwerke des Doms verantwortlich ist – mit Ausnahme der Goldschmiedekunst. Da hat die Leitung der Domschatzkammer den Hut auf.

Was ist der besondere Wert des Domarchivs?

Die Vielfalt. Vom Umfang her können wir uns mit anderen Archiven nicht messen, zumal der gesamte mittelalterliche Bestand 1794 von den Franzosen auf Ochsenkarren verladen und Richtung Paris abtransportiert wurde – auf Nimmerwiedersehen. Aber von dem Moment an, als die Rheinlande preußisch wurden und auch die Dombauangelegenheiten dem preußischen Staat oblagen, sind unsere Bestände lückenlos.

Keine Kriegsverluste?

Nein. Von 1815, dem Gründungsjahr des Archivs, bis heute ist alles vorhanden. So können wir den Weiterbau des Doms im 19. Jahrhundert aus den Akten nachvollziehen – bis hin zu den Steinmetz-Rollen, also den Listen derer, die am Dom gearbeitet haben. Darüber hinaus haben wir aber eben auch – anders als andere Archive – eine Kunstsammlung: Gemälde, Grafiken, Fotografien, Skulpturen, Kunsthandwerk. Wir interessieren uns für alles, was irgendwie mit dem Dom zu tun hat.

Köln, Dombauarchiv, Mettlacher Kölner Dombecher, Feinsteinzeug

Der Mettlacher Dombecher ist aus Feinsteinzeug.

Bis hin zu historischen Souvenirs?

Ja, es gab zum Beispiel im Jahr 1845 zum ersten Mal den sogenannten Mettlacher Dombecher aus Keramik von Villeroy & Boch. Einige davon sind in der laufenden Ausstellung zu sehen: als Original und als Fälschung. Die Dombecher waren nämlich ein solcher Verkaufsschlager, dass findige Töpfereien im Westerwald sie kopiert und auf den Markt geworfen haben.

Gibt es Erkenntnisse über den Dom, die man vor Ihrer Zeit als Archivar noch nicht hatte?

Meine erste Entdeckung war quasi gleich meine Eintrittskarte in den Kölner Dom. Bis in die 1980er Jahre galten einzelne Schnitzereien als etwas Einmaliges. Doch dann habe ich im Gestühl des Magdeburger Doms die Figur einer exaltierten Tänzerin entdeckt mit Hüftschwung und weit ausgebreiteten Armen. Ich dachte: Das kenne ich doch, in Köln gibt es eine fast identische Figur. Bei der Nachforschung stieß ich auf weitere Ähnlichkeiten – und auf eine wichtige mittelalterliche Personalie: Ein Kölner Domherr, der Tag für Tag im Kölner Domgestühl gesessen hatte, wurde zum Erzbischof von Magdeburg ernannt. Als er für den dortigen Dom ein Chorgestühl in Auftrag gab, hat er seinen Leuten offenbar gesagt: Da gibt es so schöne Motive in Köln, die könnten wir doch übernehmen. 1985 habe ich darüber einen Aufsatz im „Domblatt“ geschrieben – zugleich mein Einstieg ins Team des Domarchivs.

Das Archiv ist im sogenannten Kurienhaus an der Südostecke des Roncalliplatzes untergebracht, das eher den Charakter eines Wohnhauses hat und eigentlich längst abgerissen sein sollte. Passt das zu den wertvollen Beständen?

Andere große Kathedralen – ob Straßburg, Florenz oder Rom – haben eigene Dommuseen, wo sie ihre Schätze präsentieren können. Das wäre natürlich ein Traum. Unsere Räume sind nicht ideal, keine Frage. Besser wären klimatisierte Räume mit gleichbleibender Temperatur und Luftfeuchtigkeit. Und wenn nicht überall Wasserleitungen liefen, wäre auch das günstiger.

Sie meinen, wegen der Gefahr von Rohrbrüchen?

Man muss keine unmittelbare Angst um die Archivalien haben. Es gibt eigens gesicherte Räume mit Stahlschränken und -schubladen, zum Beispiel für die 20.000 Pläne und Zeichnungen vom Dom aus der Zeit des Weiterbaus. Aber besser geht immer. Es gab eine Zeit, als über unseren Räumen Studenten wohnten. Da habe ich schon manchmal gedacht: Du meine Güte, die lassen ihre Waschmaschine laufen, stellen vielleicht einen Weihnachtsbaum mit echten Kerzen auf – das ganz normale Leben eigentlich. Nur: Wenn da mal was passiert…

Wäre die „Historische Mitte“ realisiert worden, wären Sie diese Sorgen endgültig los gewesen.

Das Scheitern des Projekts ist auch aus Sicht des Archivs sehr traurig. Wir hätten in einem Neubau Räume im Kellerschoss bekommen mit den modernsten Maßgaben zur Lagerung von Archivalien. Diese Chance ist vertan. Aber es geht auch so irgendwie weiter.

Wie wichtig ist die Nähe zum Dom?

Die ist ganz entscheidend, weil das Archiv ja wirklich laufend genutzt wird. Wenn zum Beispiel die Steinbildhauer eine Figur restaurieren wollen, dann schauen sie natürlich bei uns nach Entwurfszeichnungen, Gipsmodellen oder historischen Fotografien.

Gibt es nach so vielen Jahren als Domarchivar einen Restschmerz – etwas Unerledigtes, was Sie gern geschafft hätten?

Bei Verabschiedungen klingt es ja oft so, als wäre das Arbeitsleben eine einzige glückliche Aneinanderreihung von Erfolgen gewesen. So ist es natürlich nie – auch nicht bei mir. Ich hätte liebend gerne noch einige wichtige Kunstwerke für den Dom erworben, darunter eine Tafel vom Agilolphus-Altar, dem monumentalen Schnitzwerk im südlichen Querhaus des Doms, der im 19. Jahrhundert zersägt und in Einzelteilen auf dem Kunstmarkt vertickt worden war. Leider ist der Rückkauf an den horrenden Preisvorstellungen des Kunsthändlers gescheitert. Das wurmt mich bis heute, besonders, weil wir das Gegenstück in den 1980er Jahren erwerben konnten. Also, diese Lücke bleibt.

Das Lieblingsstück von Klaus Hardering: „Ansicht des Kölner Doms in antizipierter Vollendung“, ein Gemälde von Emile Pierre Joseph de Cauwer (Köln 1857).

Was ist in der laufenden Sonderausstellung Ihr Lieblingsstück?

Ganz klar ein Gemälde des Belgiers Emile Pierre Joseph de Cauwer von 1857, das ich ziemlich direkt nach meinem Amtsantritt aus Privatbesitz für den Dom ankaufen konnte. Es zeigt den Dom, wie es ihn damals noch gar nicht gab. Der Maler hat offensichtlich den historischen Fassadenriss F gekannt und ihn vorausschauend aus der Zweidimensionalität in eine räumliche Idealansicht übersetzt. Zu diesem Bild gehört dann auch noch eine kleine Kunstdetektiv-Geschichte.

Wie geht die?

Wir wussten, dass es als Pendant zu diesem Gemälde eine zeitgenössische Innenansicht des Doms vom gleichen Maler gab. Ein mit de Cauwer befreundeter Fotograf, von dem übrigens das älteste Foto des Doms aus dem Jahr 1853 stammt, hatte es abfotografiert. Dieses zweite Gemälde galt als verschollen. Als wir dann den Ankauf der Außenansicht bekanntgaben, meldete sich eine Frau bei mir und sagte: „Ganz so verschollen ist das andere Gemälde nicht. Es steht nämlich bei mir im Keller.“ Dieses Bild habe ich dann ein paar Jahre später auch noch kaufen können. Es ist insofern eine Besonderheit, als es vom Inneren des Kölner Doms nur sehr wenige Gemälde gibt.


Zu Person und Ausstellung

Klaus Hardering, geboren 1962, war von 2007 bis Anfang 2025 Leiter des Dombauarchivs. 1990 begann er seine Laufbahn als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Dombauverwaltung, wo er schon zuvor als Student gearbeitet hatte. Zeitweilig war der promovierte Kunsthistoriker auch für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Doms verantwortlich. Als Schriftleiter beim „Domblatt“, dem Jahrbuch des Zentral Dombau Vereins (ZDV), und Vorsitzender des Domverlags trug Hardering dazu bei, das Wissen über die Kathedrale zu erweitern und einem breiten Publikum zu vermitteln. (jf)

Die ihm gewidmete Sonderausstellung „Der Kölner Dom und was damit zusammenhängt“ ist in der Domschatzkammer zu sehen. Sie wurde soeben bis zum 10. August verlängert.

Öffnungszeiten: täglich 10 – 18 Uhr. Eintritt: 8 Euro (ermäßigt 4 Euro)

www.koelner-domschatzkammer.de