Sprengung von Geldautomaten in NRW„Die Täter zeigen ein extrem brachiales Verhalten“

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Geldautomaten Sprengung

Gesprengter Geldautomat an der Adolf-Grimme-Allee in Köln-Ossendorf

  • Seit etwa fünf Jahren steigen die Fallzahlen von Geldautomatensprengungen in Köln und NRW. Allein in diesem Monat gab es zwei.
  • Die meisten Taten sind offenbar aus den Niederlanden agierenden Banden zuzuschreiben, die in der Regel einen ähnlichen Modus operandi haben.
  • Wie die Täter vorgehen und was die Taten so gefährlich macht, erzählt ein Hauptkommissar vom Landeskriminalamt.

Köln – Ein abgelegenes Industriegebiet in Gremberghoven nachts vor gut einer Woche: Irgendwo zwischen Schnellrestaurant, Autobahn und S-Bahnhof ertönt ein lauter Knall. Drei Täter mit dunklen Kapuzenpullis und Joggingklamotten brechen in eine Spielhalle ein und sprengen einen Geldautomaten. In einem dunklen SUV fliehen sie – wie groß die Beute ist, bleibt unklar. Erst eine Woche zuvor spielten sich ähnliche Szenen in Meschenich ab. Dort riss eine Explosion Anwohner aus dem Schlaf. Der Sprengversuch misslang den Tätern, die ohne Beute flohen

Bisher zwei Fälle dieser Art beschäftigen die Ermittler von Polizei Köln und Landeskriminalamt (LKA) in diesem Monat. Seit September vergangenen Jahres sind es elf. Seit Jahresbeginn sehen die Strafverfolgungsbehörden einen starken Anstieg versuchter oder tatsächlicher Automatensprengungen, sagt Frank Scheulen, Erster Kriminalhauptkommissar vom LKA in Düsseldorf. Die Vorgehensweise ist in der Regel ähnlich: „Meist sind die Täter nur zwei bis drei Minuten am Tatort und verschwinden dann“, so Scheulen.

LKA verfolgt Bande aus den Niederlanden

Meist kommt eine Gasflasche zum Einsatz, mit der die Täter den Automaten aufsprengen – oft gehen damit schwere Schäden an den Häusern und Gefahren für die Anwohner einher. Einige Automaten seien schon aus Häuserfassaden in die Filialen verlegt worden, nachdem die Polizei die Banken über die Risiken aufgeklärt hat, sagt Scheulen.

Wem genau die Taten zuzuordnen sind, wird manchmal nie herauszufinden sein. „Wir gehen davon aus, dass das Gros der Sprengungen auf das Konto aus den Niederlanden agierender Banden geht“, sagt Scheulen, „besonders die Taten, bei denen offensichtlich Profis am Werk waren“. Bis zu 450 Personen zwischen 18 und 35 Jahren, offenbar sämtlich marokkanischer Abstammung, sollen sich den meist aus Utrecht, Arnheim und Amsterdam agierenden Netzwerken angeschlossen haben, vermuten die Ermittler auf beiden Seiten der Grenze.

Seit etwa fünf Jahren steigen die Fallzahlen in NRW, aber auch in Niedersachsen. 30 Millionen Euro haben die Männer NRW-weit bei inzwischen hunderten Taten erbeutet. Kurz vorher wurden für Banken in Belgien, Frankreich und auch den Niederlanden die Sicherheitsstandards erhöht, außerdem gibt es dort inzwischen deutlich weniger Automaten, weil Kartenzahlung gängiger ist als in der Bundesrepublik. „Daher gab es eine Verdrängung nach Deutschland, vor allem in die grenznahen Gebiete, aber auch nach Köln“, sagt Scheulen.

Abgelegene Orte sind beliebtes Ziel

Oft suchen sich die Täter dabei abgelegene Orte an den Stadtgrenzen aus wie in Ossendorf, Grengel oder Brück. Nur einmal in den vergangenen zwölf Monaten lag der Tatort mitten in der Stadt: am 28. Januar in der Commerzbank am Rudolfplatz. Ansonsten schätzen die Täter die Ruhe an der Peripherie und die Nähe zu Autobahnen, die ihnen als Fluchtwege in die Niederlanden dienen. Die Kleingruppen sind fast immer mit hochmotorisierten, oft geklauten oder unterschlagenen Autos unterwegs, meistens Audis.

„Die Täter legen ein extrem brachiales und rabiates Fluchtverhalten an den Tag“, sagt Scheulen. Sie flüchteten in der Regel zu schnell, als dass Streifenbeamte noch hinterherkämen, auch wenn diese schnell hinzugerufen würden. „Selbst der Polizeihubschrauber muss die Verfolgung meistens abbrechen.“ Die Gefahr für die Fliehenden und andere Fahrer auf der Autobahn sei einfach zu hoch.

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Vereinzelt hat es Festnahmen, Anklagen und Verurteilungen in den vergangenen Jahren dank europäischer Haftbefehle gegeben. Der Großteil aber agiert weiter aus den Niederlanden heraus. In Nippes hat jüngst ein Anwohner die Täter um Verschonung gebeten und an einen Automaten die Botschaft geschrieben: „Liebe Kriminelle, bitte sprengen Sie diesen Geldautomaten nicht. Darüber befindet sich mein Schlafzimmer.“

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