Stadt muss Rückstände recycelnKölsche Lösung für Klärschlamm scheint in Sicht

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Klärschlamm

Klärschlamm während der Trocknung in einer Anlage in Bayern

  • Bislang werden die Kölner Schlämme in den RWE-Kraftwerken in Hürth-Berrenrath und Frechen-Wachtberg verbrannt.
  • Um den neuen Auflagen gerecht zu werden, könnt die Verbrennung künftig durch eine Monoklärschlammverbrennungsanlage möglich sein.
  • Doch solch eine Anlage braucht Platz. Wo könnte die in Köln stehen?

Köln – Rund 120 Liter Wasser verbraucht jeder Kölner jeden Tag. Sauber kommt es aus dem Hahn, schmutzig fließt es wieder ab. Mit so vielen prekären Inhaltsstoffen, dass in den fünf Kölner Klärwerken jedes Jahr rund 80.000 Tonnen Klärschlämme (20.000 Tonnen Trockensubstanz) anfallen, angereichert mit Schwermetallen, Nitraten, Medikamentenrückständen, Phosphat. Früher landeten die schlimmen Schlämme auf Deponien oder als Dünger auf den Feldern; heute werden sie verbrannt, ab 2029 aber muss das enthaltene Phosphat als wichtiger Rohstoff wiedergewonnen werden.

Die Verfahren zur Rückgewinnung stehen erst am Anfang. Bislang erscheint die Verbrennung durch eine Monoklärschlammverbrennungsanlage als die Lösung. Die Aschen müssen dann über einen noch ungewissen Zeitraum zwischengelagert werden. Und es braucht eine Anlage zur Phosphor-Rückgewinnung. Die Frage ist: Wo sollen diese Anlagen stehen?

Kölner Politiker wollen Klärschlamm-Thema vor Wahl umschiffen

Der Standort ist im Kölner Kommunalwahlkampf bislang kein Thema. Einzig die Grünen beziehen in ihrem Wahlprogramm Position: „Wir werden das Heizkraftwerk Merkenich bis spätestens 2025 durch eine neue, umweltfreundliche und energieeffiziente Kraftwerkskonzeption ohne Braunkohleverfeuerung ersetzen.“ Der Braunkohlekessel werde durch eine Anlage zur Mitverbrennung von Klärschlamm ersetzt.

Im Stadtrat scheinen sich alle Fraktionen darüber einig, dass das die eleganteste Lösung zur Vermeidung von Lkw-Verkehr wäre. Die Klärschlämme aus Stammheim würden über den alten Rheindüker, ein unter dem Rhein durchführender Tunnel, hinüber ins Heizkraftwerk der Rhein-Energie gepumpt, getrocknet, verbrannt und erzeugten so Prozessdampf, Fernwärme und Strom. Für die Kölner Grünen, erklärt Gerd Brust, mache die Verbrennung in Merkenich Sinn. Der heute mit Braunkohle-Granulat befeuerte Ofen würde allein Schlämme verbrennen. „Für die Luftqualität im Kölner Norden wäre das auf jeden Fall ein Fortschritt.“

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Doch die Schlämme gehören nicht der Rhein-Energie, sondern den Stadtentwässerungsbetrieben (Steb). Bislang wollte Steb-Vorstand Otto Schaaf das Geschäft mit der Klärschlammentsorgung selbst machen. Deshalb hat sich die Steb bereits 2018 mit der Stadt Bonn, dem Wasserverband Eifel-Rur, dem Niers- und dem Erftverband zu einer Klärschlamm-Kooperation (KKR) zusammengetan. Da käme jede Menge Schlamm zusammen, für dessen Entsorgung die Kommunen zahlen müssten. So betreibt allein der Erftverband 32 kommunale Kläranlagen und muss rund 13.700 Tonnen Trockensubstanz Klärschlamm entsorgen. Beim Wasserverband Eifel-Rur fallen 25.000 Tonnen Trockensubstanz in 43 Kläranlagen an. Auch Eitorf, Hennef, Sankt Augustin, Troisdorf, Windeck, Königswinter und Niederkassel sind interessiert, ist zu hören.

Steb-Vorstand hüllt sich in Schweigen

Die KKR rechnet mit rund 90.000 Tonnen Trockenschlamm im Jahr, die entweder in einem oder mehreren Mono-Öfen verbrannt werden könnten. Über Jahre hinweg prüfte die KKR verschiedene Standorte, zu denen die Schlämme mit Lkw oder Bahn transportiert werden müssten. Mit den Gesprächspartnern sei Vertraulichkeit vereinbart, erklärt die Steb auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“. Mögliche Anlagenstandorte „wollen wir heute nicht nennen“. Ob die Verbrennung an einem oder mehreren Standorten erfolgen wird, „ist derzeit noch nicht bekannt“, so die Steb.

Verhandelt wurde bereits mit dem RWE-Kraftwerksstandort Weisweiler bei Aachen. Dort wollte die KKR einen Mono-Ofen errichten, aber Bürgerproteste machten deutlich: Weisweiler will die täglich rund 10.000 anliefernden Lkw nicht. Auch keine Lagerung der Schlämme. Die Verhandlungen wurden abgebrochen.

Stadt Köln zahlt fünf Millionen Euro jährlich für Entsorgung

Bislang werden die Kölner Schlämme in den RWE-Kraftwerken in Hürth-Berrenrath und Frechen-Wachtberg verbrannt. Die Entsorgung kostet die Stadt rund fünf Millionen Euro jährlich. Beim Klärschlamm sind Kohlekraftwerke bislang die wichtigsten Abnehmer. Mit dem Auslaufen der alten Öfen will RWE das Braunkohlegeschäft zumindest teilweise ersetzen. Die RWE verbrannte nach eigenen Angaben 2019 unter anderem in den Kraftwerken Berrenrath, Goldenbergwerk, Frechen und Weisweiler rund 900.000 Tonnen entwässerte Klärschlämme. Das entspricht etwa der Hälfte des nordrhein-westfälischen und zehn Prozent des gesamtdeutschen Aufkommens.

Auf dem Knapsacker Hügel in Hürth hat der Energieversorger rund zehn Millionen Euro investiert, sein Klärschlamm-Zwischenlager verdoppelt und signalisiert, dass die Verbrennungskapazitäten auch für die Schlämme der KKR reichen. Mit dem Verbrennen durch RWE oder durch die Rhein-Energie müssten Steb und KKR das Klärschlammgeschäft mit den Dienstleistern aber teilen. Diese Kröte scheinen die Kläranlagen-Betreiber inzwischen geschluckt zu haben.

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Für die Rhein-Energie wäre die Klärschlamm-Verbrennung Teil eines größeren Umbau-Prozesses. Der Merkenicher Braunkohlekessel soll 2025 endgültig vom Netz gehen. „Klärschlamm soll dann eine der Quellen sein, die die Kohle ablöst“, so die Rhein-Energie auf Anfrage. Alleine aber würden dessen Mengen nicht ausreichen, um die Braunkohle-Energie zu ersetzen. Geprüft werde ein umfassendes neues Konzept für den Standort, auch unter Einbezug von Lieferungen aus der Restmüllverbrennungsanlage. Das Thema sei nicht ohne erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen: „Der Industriestandort im Kölner Norden hängt mit davon ab, wie die Wärmeversorgung künftig gestaltet wird; wir beliefern Ford oder die Deutsche Infineum. Die Industrie ist auf günstige Energiekosten angewiesen, von unseren Entscheidungen für Merkenich hängen letztlich indirekt mehrere Zehntausend Arbeitsplätze ab.“

Zweigleisige Planung der Steb

Die Steb fährt zurzeit zweigleisig. Gemeinsam mit der KKR bereitet sie eine Ausschreibung für eine Betreibergesellschaft in Public-Private-Partnership vor – unter möglicher Beteiligung der RWE. Doch diese große regionale Variante werde nur dann verfolgt, wenn eine Merkenich-Lösung mit der Rhein-Energie und den Stadtwerken nicht zustande komme. Merkenich wäre die kleine, Kölner Lösung, mit der möglicherweise noch die Bonner Schlämme mitverbrannt werden könnten. Sie könnten per Schiff angeliefert werden. Eine kommunale Lösung mit Steb, Rhein-Energie und AVG hätte den Charme, dass eine kölsche Inhouse-Lösung eine europaweite Ausschreibung vermeiden würde. Anfang 2021 soll den politischen Gremien eine Beschlussvorlage zugeleitet werden. 

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