Projekt in Kölner KläranlageSuche nach Corona-Spuren im Abwasser

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Die Stadtentwässerungsbetriebe lassen das Wasser unter anderem auf Coronaviren prüfen.

Die Stadtentwässerungsbetriebe lassen das Wasser unter anderem auf Coronaviren prüfen.

  • Seit dem Corona-Ausbruch ist Abwasser für Forscher auf der ganzen Welt interessant.
  • Durch den Nachweis von Coronaviren könnte etwa erkannt werden, ob sich regionale Hotspots anbahnen.
  • Die Kölner Entwässerungsbetriebe unterstützen ein Projekt, schnellstmöglich ein Frühwarnsystem aufzubauen. Doch wann und wie könnte das gelingen?

Köln – Der Wind pustet lau über die Stammheimer Kläranlage, der größten in Köln. Es riecht – kein Wunder: 30 000 Liter Abwasser strömen hier pro Sekunde in die 34 Hektar große Anlage, rund 80 Prozent aller Kölner Abwässer kommen hier an.

Umringt von Journalisten hält hier eine mittelgroße Frau mit zusammengebunden Haaren eine durchsichtige Flasche gefüllt mit trüber Brühe in die Höhe. Andrea Poppe leitet das Abwasserinstitut der Kölner Entwässerungsbetriebe, sie weiß: Die kleine Probe Kölner Abwasser in ihrer Hand könnte viel verraten.

„Das Abwasser ist ein ganz besonderes Metier, ein besonderes Medium“, sagt Poppe, „weil man daraus viel über das ablesen kann, was gerade so passiert.“ Und genau deshalb ist das Abwasser seit dem Corona-Ausbruch für Forscher auf der ganzen Welt so interessant geworden.

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Leiterin Andrea Poppe

Leiterin Andrea Poppe

Auch in Deutschland forschen Wissenschaftler am Leipziger Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung seit Anfang März an einem Frühwarnsystem, das durch den Nachweis von Coronaviren im Abwasser deutschlandweit erkennen soll, ob sich regionale Hotspots anbahnen.

„Damit könnten wir der Politik eine Handreichung für die Entscheidung geben, wann welche regionale Maßnahme getroffen werden muss“, sagt der Biologe René Kallies, der in Leipzig an dem Projekt forscht, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Kölner Entwässerungsbetriebe gehörten zu den ersten, die das Projekt unterstützten. „Wir wären nämlich sehr daran interessiert, ein solches Frühwarnsystem zu haben“, sagt Andrea Poppe.

Proben dienen noch nicht als entscheidender Hinweis

Im Labor der Kläranlage, in dem sich Fläschchen neben Analysegeräten meterhoch stapeln, öffnet sie die Tür eines unscheinbaren Kühlschranks – darin ein Dutzend Abwasserproben, die in den nächsten Tagen wieder gebündelt mit der Post nach Leipzig geschickt werden sollen.

Wasserproben im Abwasserinstitut

Wasserproben im Abwasserinstitut

Bisher ist das Leipziger Projekt noch nicht so weit, diese Proben tagesaktuell analysieren zu können. Als entscheidender Hinweis darauf, ob und wie viele Menschen gerade in Köln an Corona erkrankt sind, taugen die Proben also längst noch nicht – zumal die Zahl der Coronafälle in den meisten Teilen Deutschlands mittlerweile so klein ist, dass sich die Leipziger Wissenschaftler mit den bisherigen Methoden schwer tun, das Virus im Abwasser überhaupt nachzuweisen.

„Im Grunde bräuchten wir ein zweites Heinsberg, damit wir Erkenntnisse des reellen Infektionsgeschehens mit unseren Abwasseranalysen abgleichen und daraus weiter lernen könnten“, sagt Wissenschaftler Kallies. Auch deshalb rechnen die Forscher mit dem Aufbau eines solchen Frühwarnsystems nicht vor Herbst. Und auch dann ist unklar, ob man anhand der Proben wirklich ablesen kann, wie viele Menschen gerade mit dem Coronavirus infiziert sind – oder doch nur, ob das Virus gerade überhaupt von Menschen ausgeschieden wird oder nicht. „Aber auch das wäre für Städte ab einem Zeitpunkt, an dem sie offiziell als coronafrei gelten, schon eine äußerst wichtige Information“, sagt Kallies.

Sollte das im Herbst bereits funktionieren, gäbe es ein weiteres Problem: In der regenreichen Jahreszeit könnte reicher Niederschlag das Abwasser soweit verwässern, dass auch dann der Nachweis des Virus wieder besonders schwer fällt. „Auch daran arbeiten wir“, sagt Kallies.

Forscher haben weiteres Problem

Doch die Forscher haben noch ein weiteres Problem: Das Team in Leipzig könnte wohl kaum tägliche Proben vieler Hundert Kläranlagen in Deutschland gleichzeitig auswerten. „Deshalb hoffen wir, dass die Entwässerungsbetriebe, die eigene Labore haben, diese Arbeit irgendwann auch selbst unterstützen können“, sagt Kallies. „Ich denke da explizit auch an Köln.“

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Im Alltag analysiert das Kölner Labor gerade vor allem, ob mit dem Kölner Abwasser ganz grundsätzlich alles im Reinen ist – ob sich die großen Kölner Betriebe an die Abwasser-Spielregeln halten. Und inwieweit sich im Wasser Medikamentenrückstände finden lassen. Und sie kämpfen mit Probenentnahmen gegen stinkende Kanäle.

Um wirklich Corona im Abwasser nachzuweisen, bräuchte es wohl nicht nur mehr Wissen darüber, wie sich das Virus im Abwasser verhält, sondern für die Labore vor Ort auch die passenden Geräte. Wenigstens das sei wohl unproblematisch, sagt das Helmholtz-Institut: Im Kern bräuchte es für die Labore nur eine leistungsfähige Zentrifuge – Kosten: rund 9000 Euro.

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