Test in Corona-ZeitenDas ist der Plan hinter dem Biergarten im Kölner Grüngürtel

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Die Vogelsanger Straße in Köln

  • Am Freitag öffnet zum ersten Mal der mobile Biergarten auf der Vogelsanger Straße im Kölner Grüngürtel.
  • Mit dem Projekt sollen die Party-Hotspots im Belgischen Viertel entlastet werden. Doch daran gibt es Zweifel.
  • Was der Plan hinter dem Biergarten ist, was die Oberbürgermeisterin meint und was Kritiker dazu sagen, lesen Sie hier.

Köln – Nun ist es also offiziell: Von Freitag bis Sonntag, jeweils abends, soll ein mobiler Biergarten die Party-Hotspots im Belgischen Viertel entlasten und gleichzeitig den angeschlagenen Gastronomiebetrieben in der Umgebung finanziell helfen. Seit dem späten Donnerstagnachmittag liegt den Betreibern sowohl die Genehmigung von Ordnungsamt und Gesundheitsamt vor. Ganz unumstritten ist das Projekt im Inneren Grüngürtel nicht, und noch steht in den Sternen, ob es überhaupt erfolgreich sein wird.

Was ist der Plan?

Ein Biergarten komplett im Freien für etwa 400 Gäste auf der Vogelsanger Straße, die dafür von Freitag (10 Uhr) bis Montag (7 Uhr) zwischen Innerer Kanalstraße und Schmalbeinstraße für den Straßenverkehr gesperrt werden wird. Dutzende Bierzeltgarnituren mit je acht Plätzen sollen in gebotenen Abständen zueinander aufgebaut werden. Zwei Ausschankwagen und mehrere Food-Trucks sorgen für Verpflegung. Lockere Atmosphäre, aber gesitteter und geordneter als bei einem Kioskbier an einem Mäuerchen in der Stadt – das ist zumindest der Plan.

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Zunächst an den beiden kommenden Wochenenden soll der Betrieb laufen, danach wird bewertet, ob das Konzept dauerhaft umgesetzt werden kann, oder nicht. Noch ist von einem „Testballon“ die Rede. Jeweils am Sonntagabend soll der Biergarten abgebaut werden. 

Warum wurde der Biergarten nötig?

Trotz wiederholter Warnungen unter anderem von Oberbürgermeisterin Henriette Reker, Infektionsrisiken in größeren Gruppen nicht zu unterschätzen, versammelten sich in den vergangenen Frühsommer-Monaten Wochenende für Wochenende hunderte Menschen am Brüsseler Platz, nach dessen Sperrung in den umliegenden Straßen und dem Stadtgarten im nördlichen Ende des Belgischen Viertels. Mehrfach räumten Polizei und Ordnungsamt, weil sie die Abstände unter den Feiernden für zu gering achteten. Die Bilder der überfüllten Plätze setzten auch die Stadtführung unter Druck, Ausweichorte für die Party-Szene zu ermöglichen. Clubs sind noch geschlossen, Kneipen, Bars und Restaurants nur eingeschränkt zugänglich.

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Wie soll das vermieden werden?

Zum einen sind die Zugänge beschränkt. Mehr Gäste als Plätze soll es nicht geben. Die Kontaktdaten aller Gäste werden registriert – wie derzeit in Restaurants üblich. Auch Ausschreitungen oder ausuferndes Feiern soll durch die Gastro-Atmosphäre unterbunden werden. „Im gastronomischen Umfeld verhalten sich die Menschen einfach gesitteter als auf der Straße“, sagt Daniel Rabe von der organisierenden IG Gastro. „Wenn wir merken, dass sich der Biergarten zu einem »Hotspot« entwickelt, brechen wir das Experiment sofort ab“, so Rabe weiter.

Was sagt die Oberbürgermeisterin?

Auch Reker steht dem temporären Biergarten, positiv gegenüber, wenn er die bisherigen Hotspots entlastet. „Ich lege aber Wert darauf, dass auf keinen Fall ein neuer, zusätzlicher Hotspot mit zu engen Abständen zwischen den Feiernden oder eine neue Party-Meile entstehen und der Biergarten auch nicht zu neuen Belastungen von Anwohnern führen darf“, sagt die OB.

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Was passiert mit den Erlösen?

Alle überschüssigen Einnahmen sollen an Club- und Barbetreiber in der Gegend gehen, die wegen der Corona-Zwangspause seit langer Zeit gar keine oder nur geringe Umsätze machen. Umliegende Bars und Restaurants beteiligen sich im Gegenzug an der Verpflegung des Biergartens mit Speisen und Getränken.

Gibt es Kritik an dem Vorhaben?

Ja. Aus der Politik kritisierte etwa CDU-Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz die Straßensperrung. Das Konzept eines mobilen Biergartens könne man auch auf anderen, ohnehin gesperrten Abschnitten wie etwa der Zülpicher Straße auf Höhe der Uni realisieren. Da aber sei die Unfallgefahr durch die KVB-Bahn zu hoch, entgegnete Rabe. Augenmaß fordert auch die IHK. „Wichtig ist, dass keine Maßnahme einseitig zu Lasten von Betrieben aus anderen Branchen und deren Erreichbarkeit geht“, sagte ein IHK-Sprecher. „Deshalb appellieren wir an die Stadtverwaltung, die geplante Sperrung der Vogelsanger Straße aufmerksam zu beobachten.“ Im Falle von Verkehrsbehinderungen oder Belastungen für die ansässigen Betriebe müsse die Stadt eine alternative Verkehrsführung entwickeln oder einen Alternativ-Standort suchen.

Kritik kam auch direkt aus dem Einzelhandel. Annegret Weingarten, Betreiberin des gleichnamigen Modegeschäfts am Friesenplatz, ärgert sich, dass „dadurch die Partyzone Belgisches Viertel nur noch weiter ausgedehnt“ werde. Sie spricht von einem „katastrophalen Signal“, das Reker sendet. Während Straßenfeste und verkaufsoffene Sonntage oft nicht möglich seien, werde ein solches Projekt in kürzester Zeit genehmigt. Die Innenstadt brauche mehr Angebote für Familien und andere Zielgruppen: „Der Biergarten müsste eher auf den Ringen aufgebaut werden, die ja ohnehin gerade in einem miserablen Zustand sind“, so Weingarten. Außerdem meldeten sich Anwohner, die Lärm befürchteten. Zwischen Innerer Kanalstraße und den ersten Bierbänken seien aber noch etwa 200 Meter Fläche, sagte Rabe. „Hinter der Straße ist daher nichts mehr zu hören“.  

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